Mögliche Wende in Prozess zu Brückeneinsturz in Genua

Beim laufenden Prozess nach dem Einsturz der Morandi-Brücke am 14. August 2018 mit 43 Todesopfern in Genua ist es zu einer aufsehenerregenden Aussage gekommen: Der angeklagte Gianni Mion, Ex-Geschäftsführer der Edizione Holding, Muttergesellschaft der Autobahngesellschaft ASPI und Betreiberin der Brücke, gab zu, dass er bereits 2010 von Sicherheitsmängeln bei der Brücke erfahren hatte.

Eingestürzte Morandi-Brücke in Genua (Italien)
APA/AFP/Andrea Leoni

„Es stellte sich heraus, dass die Brücke einen ursprünglichen Konstruktionsfehler aufwies und einsturzgefährdet war“, sagte Mion laut der Mailänder Tageszeitung „Corriere della Sera“ (Onlineausgabe). Obwohl er also bereits acht Jahre vor dem Unglück über Sicherheitsmängel informiert gewesen war, habe er nichts getan. „Ich habe nichts unternommen, und das bedauere ich sehr“, gestand Mion vor Gericht.

Riesenprozess mit 59 Angeklagten

Seit vergangenen Juli läuft der Prozess mit insgesamt 59 Angeklagten, darunter Mion und Giovanni Castellucci, der Ex-Chef der Autobahngesellschaft ASPI, Betreiberin der eingestürzten Brücke. Die Anklage lautet auf fahrlässige Tötung, vorsätzliche Körperverletzung, Behinderung von Amtshandlungen, Urkundenfälschung und vorsätzliches Unterlassen von Sicherheitseinrichtungen am Arbeitsplatz.

Bei den Verdächtigen handelt es sich um hochrangige Manager des Autobahnbetreibers, um Fachleute sowie höhergestellte Beamte des Verkehrsministeriums in Rom. Der Staatsanwaltschaft von Genua zufolge hatten die meisten von ihnen mit dem Einsturz der in den 1960er Jahren gebauten Brücke gerechnet und trotzdem nichts unternommen, um diesen zu verhindern.

Stattdessen soll bei der Instandhaltung möglichst viel Geld eingespart worden sein, um den Aktionären höhere Dividenden zu sichern. Es soll zudem auch schon lange vor dem Einsturz bekannt gewesen sein, dass es Schäden an dem Bauwerk gab.

Tragödie bei strömendem Regen

Das Unglück hatte sich bei strömendem Regen ereignet, während Familien auf dem Weg zum Sommerurlaub in Ligurien waren. Hunderte, die in Häusern unter der langen Hochbrücke wohnten, wurden obdachlos. Die Reste des Bauwerks wurden abgerissen. Im August 2020 wurde eine neue, vom Stararchitekten Renzo Piano entworfene Brücke eingeweiht, die Ponte San Giorgio heißt.