Vorbereitung auf FIS Weltcup am Hahnenkamm
GEPA/Thomas Bachun
Kritik an CO2-Bilanz

Greenpeace wirft FIS Greenwashing vor

Greenpeace hat ein vernichtendes Urteil über die CO2-Bilanz des Internationalen Skiverbandes (FIS) gefällt. Die Zahlen seien viel zu gering. Das würden Nachberechnungen mit Hilfe von Skirennläufer Julian Schütter zeigen. So seien allein Kitzbühel, Schladming, Adelboden und Sölden sowie Flüge im Alpinweltcup bereits für 85 Prozent der Emissionen verantwortlich. Gegenüber ORF.at sagte die FIS, man sei bereit, sich mit evidenzbasierter Forschung auseinanderzusetzen. Auch der Österreichische Skiverband (ÖSV) gab an, man sei sich „seiner Verantwortung bewusst“.

Die von der FIS propagierte Klimapositivität gebe es so nicht, lautet die Kritik von Greenpeace-Expertin Ursula Bittner gegenüber ORF.at. Hintergrund ist, dass der Skiweltverband im Jahr 2021 von einer externen Firma eine „Events Emission Estimation“ durchführen ließ – eine Abschätzung der Emissionszahlen, die quer über alle Sportarten in einer Saison anfallen.

Diese ergab, dass die FIS mit all ihren Bewerben inklusive der damit verbundenen Reisen angeblich 57.965 Tonnen CO2 pro Jahr ausstößt. Insgesamt 7.920 Events waren untersucht worden, die Ergebnisse veröffentlichte die FIS erst vor Kurzem. Greenpeace ließ die Daten daraufhin von der auf CO2-Fußabdrücke spezialisierten Agentur „Mission Zero“ prüfen.

Der Skirennläufer Julian Schütter
GEPA/Mathias Mandl
ÖSV-Athlet Julian Schütter spricht sich für mehr Nachhaltigkeit in der Branche aus

ÖSV-Athlet Schütter, der gemeinsam mit Protect our Winters (POW) bereits in einem offenen Brief mehr Nachhaltigkeit einforderte, stellte seine eigenen Aufzeichnungen zur Weltcup-Saison 2022/23 zur Verfügung. Einerseits seien die Daten intransparent, so die Kritik Bittners. Man habe etwa nicht in Erfahrung bringen können, welche Emissionen wie kompensiert wurden. Andererseits übt Greenpeace Kritik an der Art der Berechnung.

Annahmen zu Reisen infrage gestellt

Denn die vier Alpin-Topevents Kitzbühel, Schladming, Sölden und Adelboden allein würden inklusive Flugreisen schon 10.874 Tonnen CO2 verursachen – das entspricht 85 Prozent der 12.752 Tonnen CO2, die von der FIS für den gesamten alpinen Skisport ausgewiesen werden. Mehr als 30 weitere Weltcup-Events, über 300 kontinentale Events und Hunderte kleinere Rennen seien da noch nicht eingerechnet.

Gerade bei den Massenveranstaltungen in Ski alpin und Skispringen seien zudem die Grundannahmen zu den Reisen nicht richtig. Die FIS-Analyse geht beispielsweise davon aus, dass 60 Prozent aller Fans lokal anreisen und damit ca. 50 Kilometer in eine Richtung zurücklegen. Genau habe man die Zuschauerströme nicht nachvollziehen können, so Bittner gegenüber ORF.at. Die Annahme, dass die meisten Menschen aus einem Radius von 50 Kilometern anreisen würden, sei jedoch nicht realistisch.

Autos auf Parkplatz bei FIS Weltcup in Lake Louise (USA)
GEPA/Mario Buehner
Athleten und Athletinnen sollten laut Greenpeace Reisen wie etwa in die USA reduzieren

So würden etwa nach Kitzbühel auch viele Zuschauerinnen und Zuschauer aus Wien oder München kommen. „Sowohl bei der Anreise von Zuschauern als auch von Athleten gehen wir auch davon aus, dass die meisten von weiter weg mit dem Auto kommen – und das ist in Bezug auf Emissionen ein riesengroßer Faktor.“

Forderung nach „echten Klimaschutzmaßnahmen“

Gleichzeitig würden in den Berechnungen des Weltverbandes einige für die CO2-Bilanz relevante Faktoren wie Abfall, Flutlichtanlagen oder die Nächtigungen auf Athletenseite fehlen. Nicht einberechnet seien auch sämtliche Vorbereitungen auf die Saison, die zahlreiche Alpinmannschaften in Südamerika oder Neuseeland abhalten – unter anderem auch, weil steigende Temperaturen den umliegenden Alpengletschern zusetzen.

In der FIS-Bilanz werde auch nicht ausreichend berücksichtigt, wer auf den Flügen an Bord sei, so Bittner. Neben den Athleten würden schließlich auch etwa Physiotherapeuten und Masseure mitfliegen. Einerseits müsse man für mehr Nachhaltigkeit die Reisen reduzieren, andererseits müsse die Saison später starten, so die Forderung der Organisation. Zum Vorbild nehmen könne man sich den Skiverband in Schweden, bei dem die Skisaison später beginne.

Thomas Trinker und Nina Ortlieb in Andorra
GEPA/Harald Steiner
Ein Abfahrtstraining der ÖSV-Damen in Andorra

Statt im Oktober zu beginnen sei etwa Mitte November eine realistische Möglichkeit. „Der Anfang der Skisaison ist ja nicht willkürlich gegeben, man kann ihn den klimatischen Bedingungen anpassen.“ Bei ihrem Kongress am Donnerstag sollten die FIS und deren Präsident Johan Eliasch „echte Klimaschutzmaßnahmen“ beschließen, so die Forderung. Die Behauptung, die FIS sei „klimapositiv“, müsse sofort fallen gelassen werden.

Weltverband: Konkrete Schritte beschlossen

Man habe die externe Firma beauftragt, um eine Nachhaltigkeitszertifizierung zu erstellen, die CO2- und Sozialdaten verifiziere und messe, um Emissionen zu reduzieren und die Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen zu erreichen, heißt es von der FIS auf ORF.at-Nachfrage.

Der CO2-Fußabdruck sei 2021 zuletzt geschätzt worden und werde demnächst aktualisiert. Man habe auch eine Umfrage und ein Toolkit entwickelt, um praktische Tipps zu geben, wie FIS-Organisatoren ihren CO2-Fußabdruck reduzieren können, so der Weltverband weiter. Darüber hinaus werde ein Belohnungsprogramm jene FIS-Organisatoren auszeichnen, die von einer Saison zur nächsten die größten Fortschritte machen.

Der Klimawandel sei „eine existenzielle Bedrohung für unseren Sport, weshalb wir uns verpflichtet fühlen, das Klima zu schützen, von dem unser Sport abhängt“. Man sei auch gerne bereit, sich mit evidenzbasierter Forschung auseinanderzusetzen.

ÖSV ist sich „Verantwortung bewusst“

Auch beim ÖSV sei man sich seiner Verantwortung in puncto Klimaschutz bewusst, heißt es auf ORF.at-Nachfrage. Man habe vergangenes Jahr eine CO2-Bilanz für die gesamte Ski-Austria-Gruppe erstellt, die die Basis für eine Nachhaltigkeitsstrategie darstelle, „um in allen Bereichen Emissionen zu reduzieren und noch verantwortungsbewusster mit Ressourcen umzugehen“.

Nachtrennen in Schladming
GEPA/Hans Oberlaender
Die CO2-Bilanz von Großveranstaltungen wie hier dem Nightrace in Schladming kritisiert Greenpeace

Aktuell beschäftige man sich damit, Reduktionsziele sowie einen entsprechenden Maßnahmenplan zur Zielerreichung für die einzelnen Standorte festzulegen. Ein wichtiger Schritt sei die „sukzessive Umstellung des ÖSV-Fuhrparks auf Hybrid- und Elektrofahrzeuge“. Bei Weltcup-Veranstaltungen wolle man wie beim Biathlon-Weltcup in Hochfilzen Strom und Heizwärme aus erneuerbaren Energiequellen gewinnen.

Ein Bekenntnis zu mehr Klimaschutz sei auch im Sinne der Athletinnen und Athleten, ist Bittner überzeugt. Es sei bereits ein verstärktes Bewusstsein bei den Sportlern sichtbar, die auch einen Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit in der Branche hegen würden. „Im Wintersport sieht man die Folgen der Klimakrise einfach direkter, wenn einem der Schnee unter den Füßen wegschmilzt.“ Initiativen wie etwa der offene Brief Schütters seien begrüßenswert, es brauche aber Rahmenbedingungen von oben, so Bittner.