die ehemalige Familienministerin Sophie Karmasin im Gerichtssaal
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15 Monate

Bedingte Haft für Ex-Ministerin Karmasin

Die frühere ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin wurde am Dienstag am Wiener Landesgericht wegen Bestimmung zu wettbewerbsbeschränkenden Absprachen schuldig gesprochen. Von Betrugsvorwürfen wurde sie dagegen freigesprochen. Karmasin wurde zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten auf drei Jahre bedingt verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Der Freispruch vom inkriminierten schweren Betrug erfolgte, obwohl die laut Anklage betrügerischen Handlungen im Zusammenhang mit den Bezugsfortzahlungen aus Karmasins vorangegangener ministerieller Tätigkeit für das Gericht „zweifellos“ erwiesen und „eindeutig dokumentiert“ waren. Karmasin habe „mit voller Absicht und wissentlich den Betrug begangen“, betonte Richter Patrick Aulebauer in der Urteilsbegründung.

Ihr sei klar gewesen, dass sie keinen Anspruch auf Bezugsfortzahlung hatte. Karmasins Verantwortung, sie habe guten Gewissens um den Weiterbezug ihres Gehalts als Ministerin ersucht, sei „völlig unglaubwürdig“. „Das kann ihr von niemandem geglaubt werden“, konstatierte der Richter.

Richter Patrick Aulebauer
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Karmasin habe „mit voller Absicht und wissentlich den Betrug begangen“, sagte der Richter – belangt wird sie dafür aber nicht

Rückerstattung des Geldes „noch rechtzeitig“

Hinsichtlich des dadurch entstandenen Schadens ging das Gericht davon aus, dass die Republik Karmasin zu Unrecht rund 43.000 Euro ausbezahlt hatte, für den Senat war eine entgeltliche berufliche Tätigkeit Karmasins erst ab 26. Jänner 2018 und nicht – wie von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) angenommen – ab Mitte Dezember 2017 erwiesen. Karmasin war Anfang Dezember 2017 aus dem Ministerinnenamt geschieden.

Und dennoch konnte die Ex-Ministerin nicht als Betrügerin verurteilt werden – dank des § 167 Abs. 2 StGB, in dem tätige Reue normiert ist. Dieser Bestimmung zufolge wird die Strafbarkeit eines Betrugs dann aufgehoben, wenn eine Täterin oder ein Täter den angerichteten Schaden vollständig und freiwillig gut gemacht hat, bevor die Behörde von seinem bzw. ihrem Verschulden erfahren hat.

Das kam Karmasin zugute, denn dass diese ihre Ministerinnenbezüge weiter bezogen hatte, hatte erstmals die ZIB2 am 7. März 2022 thematisiert. Am 9. März veranlasste Karmasin – sie saß damals in U-Haft – dann über ihren Rechtsvertreter die Rückzahlung von 62.000 Euro. Von der WKStA wurde sie damals wegen dieser Sache noch nicht verfolgt. „Bis zum 10. März ist aus dem Akt kein Tatverdacht ersichtlich“, stellte Richter Aulebauer in seiner Urteilsbegründung klar. Nach dem ZIB2-Bericht „haben Sie sich wohl gedacht, jetzt wird es brenzlig“, mutmaßte Aulebauer in Richtung der Meinungsforscherin. Die Rückerstattung des rechtswidrig bezogenen Geldes sei tatsächlich „noch rechtzeitig“ in die Wege geleitet worden, „ob einem das gefällt oder nicht. So ist das Gesetz. Vor dem Gesetz ist jeder gleich.“

Bis zu drei Jahren Haft wären möglich gewesen

Bei einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren fand das Gericht 15 Monate für die wettbewerbsbeschränkenden Absprachen angemessen. Zwar sei Karmasin bisher unbescholten, ein bisheriger ordentlicher Lebenswandel könne angesichts des langen Tatzeitraums aber nicht angenommen werden, meinte der Richter. Erschwerend wurden der Ex-Politikerin die führende Tatbeteiligung und „die Verführung“ anderer zu strafbarem Verhalten angerechnet.

Der mitangeklagte Abteilungsleiter im Sportministerium wurde von den wider ihn erhobenen Vorwürfen im Zusammenhang mit den Studien, die Karmasin für das Sportministerium erstellt hatte, im Zweifel freigesprochen. Es gebe kein Motiv, weshalb der Beamte Karmasin vorsätzlich in Schädigungsabsicht unterstützen hätte sollen, erläuterte dazu der vorsitzende Richter. Es sei nicht auszuschließen, dass er aufgrund der damals guten Reputation Karmasins oder aus Obrigkeitshörigkeit in deren Sinn gehandelt habe.

Die Entscheidungen des Gerichts sind nicht rechtskräftig. Karmasins Verteidiger Norbert Wess und Philipp Wolm baten um Bedenkzeit, die Anklagevertreter gaben vorerst keine Erklärung ab.

Urteile gegen Ex-Ministerin Karmasin

Ex-Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) wird wegen Preisabsprachen bei Studien für das Sportministerium zu 15 Monaten bedingter Haft verurteilt. In der Causa der Bezugsfortzahlung nach ihrer Ministerinnenzeit wurde sie freigesprochen, da sie den Schaden gutgemacht habe.

Zwei Anklagekomplexe

Die Anklage hatte der Ex-Ministerin zur Last gelegt, sich nach ihrem Ausscheiden aus der Politik widerrechtlich Bezugsfortzahlungen erschlichen zu haben, indem sie Bediensteten des Bundeskanzleramtes verschwieg, dass sie ihre selbstständige Tätigkeit nach ihrer Amtszeit als Familienministerin nahtlos fortsetzte. Von der Anklage umfasst waren 78.589,95 Euro.

Der zweite Anklagekomplex betraf Studien für das Sportministerium, für die Karmasin nach ihrem Ausscheiden aus der Politik den Zuschlag erhielt, indem sie laut Anklage zwei Mitbewerberinnen – darunter ihre frühere Mitarbeiterin Sabine Beinschab – dazu brachte, „von ihr inhaltlich vorgegebene und mit ihr vorab inhaltlich abgesprochene Angebote an die Auftraggeber zu übermitteln, um sicherzustellen, dass die ihr zuzurechnende Karmasin Research & Identity GmbH die Aufträge bekommen würde“ (Anklageschrift).

Die Meinungsforscherin und Ex-Politikerin war am 2. März 2022 fest- und zwei Tage später wegen Tatbegehungsgefahr in U-Haft genommen worden. Erst am 28. März gab das Oberlandesgericht (OLG) Wien einer Haftbeschwerde ihrer Anwälte Norbert Wess und Philipp Wolm Folge – Karmasin verbrachte somit 26 Tage in einer Zelle der Justizanstalt Josefstadt.

Karmasin: „Es gibt keinen Schaden“

Karmasin hatte in ihrem Schlusswort noch einmal betont, sie habe sich strafrechtlich nichts zuschulden kommen lassen. Hinsichtlich des Vorwurfs, nach ihrer Tätigkeit als Ministerin betrügerisch Bezüge weiter bezogen zu haben, habe sie „unbedacht, unvorsichtig, vielleicht naiv“ gehandelt: „Ich hatte aber nicht die Absicht, die Republik zu schädigen.“ Sie habe sich in einer „Ausnahmesituation“ befunden und angesichts ihrer unklaren beruflichen Zukunft um Bezugsfortzahlung angesucht.

Zu den inkriminierten Studien für das Sportministerium bemerkte Karmasin, sie habe sich dafür vom Ministerium „einspannen“ lassen. „Bei mir stellt sich nicht die Frage, was war meine Leistung. Bei mir stellt sich die Frage, wo ist der Schaden“, sinnierte die Meinungsforscherin, um sogleich festzuhalten: „Es gibt keinen Schaden.“

Karmasin beklagte zudem, dass sie während ihrer U-Haft „nicht besonders gut“ behandelt worden sei. So habe man in ihrer Zelle „viermal in der Nacht das Licht aufgedreht“. An ihrer ehemaligen Mitarbeiterin und Vertrauten Sabine Beinschab, die in der Vorwoche gegen sie ausgesagt und schwer belastet hatte, ließ die Ex-Ministerin kein gutes Haar. Diese sei „eine toughe Geschäftsfrau und sicher kein Opfer“ und nutze ihren Status als Kronzeugin aus.

Die Staatsanwälte Roland Koch und Gregor Adamovic
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„Die Beweismittel zeigen ein eindeutiges Bild“, hielten die Staatsanwälte fest

Anklage: „Konsequent gegen das Gesetz verstoßen“

Zuvor hatten die beiden Vertreter der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in ihren Schlussvorträgen eine „spürbare teilbedingte Freiheitsstrafe“ für Karmasin verlangt. „Die Beweismittel zeigen ein eindeutiges Bild und lassen keinen Spielraum für Zweifel“, fasste Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic das Beweisverfahren zusammen. Und in Richtung der Angeklagten stellte er klar: „Sie hat konsequent gegen das Gesetz verstoßen.“

Adamovics Kollege Roland Koch billigte Karmasin hinsichtlich des Betrugsfaktums vollständige Schadensgutmachung zu. Diese habe ihre zu Unrecht bezogenen Bezüge zur Gänze zurückbezahlt. „Aber der Schaden für das Ansehen der Demokratie und des Rechtsstaates bleibt“, beklagte Koch.

Koch hob die Stellung Karmasins hervor, die jahrelang eines der höchsten Ämter der Republik bekleidet habe. Sie habe „schwere Schuld“ auf sich geladen. Der Bevölkerung müsse gezeigt werden, dass auch für eine ehemalige Ministerin „schwere Straftaten schwere Folgen haben. Denn ansonsten denkt sich die Bevölkerung, was sie sich eh schon denkt: Denen da oben passiert nix.“

Aufarbeitung von ÖVP-Umfragenaffäre steht noch bevor

In der gegenständlichen Verhandlung ging es noch nicht um die ÖVP-Umfragen-Affäre. Was das „Beinschab-Tool“ betrifft, ermittelt die WKStA neben Karmasin unter anderen auch gegen Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz, dessen früheres engstes berufliches Umfeld sowie die ÖVP. Laut Beinschab hatte Karmasin ihr den Kontakt zum damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, Thomas Schmid, vermittelt. In weiterer Folge soll dann das „Beinschab-Tool“ entwickelt worden sein.