Leere Sesseln der SPÖ-Fraktion im Nationalrat
ORF.at/Roland Winkler
SPÖ im Nationalrat

„Da tut sich nächste Führungsfrage auf“

Die SPÖ ringt noch bis zum Parteitag um ihre neue Spitze, doch auch abseits der Parteiführung sind personelle Fragen offen. Bis zu deren Klärung wird inhaltlich wohl wenig weitergehen. Weder Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil noch Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler sitzen im Nationalrat. Wie die tägliche Parteiarbeit, unter Umständen bis zur nächsten Nationalratswahl, aussehen soll, ist unklar. „Da tut sich schon die nächste Führungsfrage auf“, so der Politologe Peter Filzmaier.

Die bisherige Parteichefin Pamela Rendi-Wagner wird nach ihrer Niederlage bei der Mitgliederbefragung nicht mehr am Parteitag am 3. Juni in Linz antreten. Doch Rendi-Wagner hatte bzw. hat derzeit noch eine weitere wichtige Funktion im Nationalrat: als Klubchefin ihrer Partei. Über die Tische der Klubobfrauen und -männer gehen Gesetzesvorhaben, sie gestalten Parlamentssitzungen mit und treten laufend in den Medien auf. Damit sind sie auch das zweitwichtigste Gesicht der Partei. In einem Nationalrat, in dem fünf Parteien vertreten sind, müssen sie die Meinungen der eigenen Partei kanalisieren und dann im Austausch mit den anderen Parteien koordinieren.

„Medienpräsenzen sind massiv bestimmt durch das parlamentarische Auftreten“, so Filzmaier zu ORF.at. „Das sind Präsenzen, die man automatisch und quasi gratis bekommt. Umso wichtiger wäre es, Vertrauenspersonen als Klubvorsitzende zu haben.“

Vom Klub gewählt

Rendi-Wagner sagte bei ihrer Rückstrittsankündigung, sie werde dem Bundesparteivorstand und dem -präsidium einen geordneten Wechsel vorschlagen, sowohl was Parteivorsitz als auch Klubführung betrifft. Auch ihr Nationalratsmandat wird sie bis Ende Juni zurücklegen. Alle weiteren Schritte würden noch entschieden werden. Aus Rendi-Wagners Büro hieß es am Mittwoch gegenüber ORF.at, es werde unmittelbar nach dem Parteitag klar werden, wer den Klubvorsitz übernimmt. Wer dafür infrage kommt, ist freilich offen.

Doskozil: „Ausgemachtes muss gelten“

Was vor der Abstimmung beschlossen wurde, müsse gelten, meint der burgenländische Landeshauptmann. Persönliche Befindlichkeiten solle man hintanstellen. Seine Stimme sei kein Problem für einen Wahlkampf für die Nationalratswahl, so Hans Peter Doskozil (SPÖ).

Das Thema sei derzeit vollkommen ungeklärt, so Filzmaier zu ORF.at. Das sei schon die nächste Führungsfrage, mit der sich die SPÖ auseinanderzusetzen habe. „Üblicherweise übernimmt den Sessel des Klubchefs der Parteichef oder die Parteichefin selbst, oder eine enge Vertrauensperson. Der oder die Klubvorsitzende wird aber vom Klub gewählt, da gibt es keine Nominierung.“

Sowohl im Lager Doskozils als auch in jenem Bablers finden sich Nationalratsabgeordnete. Doch dass sich der Parlamentsklub auf eine Person auch einigen kann, scheint im Moment schwierig. „Bei Doskozil könnte das Max Lercher sein, doch er ist eine Art Feindbild der Anhänger Bablers geworden und polarisiert offenbar auch innerhalb des Klubs“, so Filzmaier. Es stelle sich auch die Frage, wie viele der Bereichssprecherinnen und -sprecher Vertrauensleute Rendi-Wagners sind und wie deren Verhältnis zu Doskozil bzw. Babler ist. „Hinzu kommt, dass wir uns schon im Vorwahlkampf befinden, das bedeutet auch erhöhten Zeitdruck.“

Doskozil will vorerst auch Landeschef bleiben

Namen für ein etwaiges Team im Falle eines Sieges am Parteitag will Doskozil bisher nicht nennen. Am Dienstag sagte er in der ZIB2, die Delegierten könnten ihn schon richtig einschätzen und damit auch seine Personalauswahl.

Doskozil selbst scheint es jedenfalls nicht dringend ins Parlament zu ziehen. Er kündigte an, bis zum nächsten Intensivwahlkampf für den Nationalrat – die Wahl findet plangemäß im Herbst 2024 statt – erst einmal auch Landeshauptmann bleiben zu wollen. Erst am Donnerstag bekräftigte er im burgenländischen Landtag, dass sich Partei- und Landeschef problemlos vereinbaren ließen. Über die mögliche Nachfolge in Eisenstadt befragt, sagte er bereits am Montag: „Natürlich denkt man gewisse Szenarien durch, aber das ist noch weit weg.“

SPD-Erfahrungen mit Mitgliederbefragungen

Die SPD-Mitglieder haben schon mehrmals entschieden, wer die SPD führen soll – mehr oder weniger erfolgreich, wie man am aktuellen Beispiel in Berlin sieht. Dort regiert mit Olaf Scholz ein SPD-Kanzler, der aber nicht seine Partei führt. Das machen Saskia Esken und Lars Klingbeil, es gibt also eine rote Parteidoppelspitze und einen Kanzler. Bis dahin war es allerdings ein weiter Weg mit schweren Führungskrisen.

Babler sitzt zwar im Parlament, er wurde vom niederösterreichischen Landtag kürzlich in den Bundesrat entsandt. Damit könnte er zumindest theoretisch Klubchef werden. Im Nationalrat wäre er aber dann freilich nicht im Plenum vertreten. Wie also könnte die SPÖ ihre Arbeit im Parlament noch über ein Jahr lang weiterführen? Wie sollen im Klub Entscheidungen getroffen werden, etwa wie derzeit bei der Blockade von Zweidrittelmaterien wie dem Energieeffizienzgesetz?

Parteichef und Spitzenkandidat

Die nächste Frage, die sich stellt, ist jene nach der Personalunion von Parteichef und Spitzenkandidat. Während Doskozil gern die Kandidatenliste für die Nationalratswahl anführen will, betonte Babler wiederholt, sich im Fall eines Sieges zunächst vorrangig der Partei widmen zu wollen. Dass Babler Doskozil gegenüber ein entsprechendes Angebot gemacht habe, dementierte der Bürgermeister am Mittwoch in der ZIB2. Er wolle keine „Hinterzimmerpolitik“ und erst das Parteitagsergebnis abwarten, so Babler.

Babler zum Showdown um SPÖ-Vorsitz

Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler kommentiert den SPÖ-internen Machtkampf um das Erbe der scheidenden Bundesparteivorsitzenden Pamela Rendi-Wagner. 600 SPÖ-Delegierte werden am Parteitag am 3. Juni ihn oder Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil zum neuen SPÖ-Vorsitzenden küren.

Auf dem Fragebogen zur Mitgliederbefragung, bei der Doskozil knapp als Sieger herausging, wurden die beiden Funktionen jedoch junktimiert. „Ich bin dafür, dass (…) Vorsitzender der SPÖ und Spitzenkandidat bei der nächsten Nationalratswahl wird“, stand da anzukreuzen.

Theoretisch wäre freilich eine Ämterteilung wie bei den deutschen Sozialdemokraten möglich. In Berlin führen Saskia Esken und Lars Klingbeil die SPD, während Olaf Scholz als Spitzenkandidat 2021 ins Kanzleramt einzog. In Deutschland allerdings ist das kein neues Phänomen, so trat Willy Brandt 1974 als Kanzler zurück, behielt aber den Parteivorsitz weiterhin inne. In Österreich hingegen hat ein solches Splitting keine Tradition und könnte wohl in der gespaltenen SPÖ zu weiteren Konflikten führen.

Immer noch kein Wunderwuzzi in Sicht

Eine Funktionenteilung würde in mehrfacher Hinsicht ein Dilemma ergeben, so Filzmaier. Denn dann gebe es zwei Zentren der Macht und auch der Kommunikation. Die tägliche thematische Abstimmung wäre schwierig. Eine Teilung würde wie bei der SPD dann funktionieren, wenn sich eine der Personen nach außen hin völlig zurücknehmen würde. „Das entspricht nicht dem Typus Babler, der sich eine Öffentlichkeit erarbeitet hat“, so Filzmaier.

Zudem erwarteten seine Anhängerinnen und Anhänger schlicht, dass er auch die Nationalratswahlliste anführen würde, sollte er siegen. „Möglich wäre freilich auch ein Wunderwuzzi als Parteichef, auf den sich alle einigen können.“ Den gab es allerdings auch schon vor der Mitgliederbefragung nicht.