Goldbarren in Safe
Reuters/Michael Dalder
Zentralbanken

Goldreserven sollen Dollar zusetzen

Der Goldpreis auf den Weltmärkten steigt und steigt. Seit März steuert er auf sein neues Allzeithoch zu, und Expertinnen und Experten gehen davon aus, dass ein neuer Rekordpreis spätestens 2024 erreicht wird. Angetrieben wird der Preisanstieg besonders durch die Zentralbanken, die vor allem in Schwellenländern im Vorjahr in großen Ausmaß Gold zukauften. Dahinter stünden nicht nur volkswirtschaftliche Überlegungen, sondern auch geopolitische Strategien, um den Dollar zu schwächen, schrieb die „Financial Times“ („FT“).

Zentralbanken weltweit haben im Vorjahr die Rekordmenge von 1.100 Tonnen des Edelmetalls zusätzlich eingelagert, und ihre Goldkäufe seien auch heuer auf Rekordkurs. Der Rückgriff auf Gold habe kurz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine bzw. die Sanktionen der USA gegen russische Reserven abgehoben, zeigt der Bericht „In Gold We Trust“, den Ronald-Peter Stöferle und Mark Valek, Experten des Investmentunternehmens Incrementum AG, diese Woche in Wien vorstellten.

Bis spätestens 2024, so die Experten, werde der Preis für Gold sein Allzeithoch aus dem Jahr 1980 erreichen bzw. übertreffen. Dann würde eine Feinunze des Edelmetalls laut Prognose mehr als 2.500 Dollar kosten.

Zeichen für Ausstieg aus dem Dollar

Die Renaissance von Gold als Notenbankreserve sei nicht nur eine Absicherung in Krisenzeiten, sondern allgemein ein Zeichen des Ausstiegs aus dem Dollar als Reservewährung in vielen Ländern, sagte Valek. Auch in den kommenden Jahren dürften Notenbanken Treiber der Goldkäufe und damit des Goldpreises sein, wobei sich die fünf größten Schwellenländer (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) einen deutlich steigenden Anteil der Goldreserven sichern – spätestens 2050 dürfte mehr Gold in den Schwellenländern liegen als in den Industriestaaten.

Grafik zeigt Goldkäufe der Zentralbanken weltweit
Grafik: APA/ORF; Quelle: World Gold Council/Incrementum

Geopolitisches Werkzeug gegen starken Dollar

Das habe vor allem geopolitische Hintergründe, schrieb die „FT“ vor wenigen Tagen. Seit der globalen Finanzkrise von 2008 gibt es einen deutlichen Druck, Verlustrisiken der Reservewährungen zu minimieren. Der Anteil der US-Währung an den weltweiten Devisenreserven sank von über 70 Prozent im Jahr 2000 auf heute weniger als 60 Prozent. Diese tektonische Verschiebung wurde von Russland, China, der Türkei und Indien angeführt.

„Viele Länder haben verstanden, dass der Dollar eine Waffe im Dienste der USA war“, sagte Sebastien de Montessus, Vorstandsvorsitzender von Endeavour Mining, einem in London notierten Goldproduzenten im „FT“-Interview. Gold werde zunehmend geopolitisch. Eine weltweite Abkehr vom „allmächtigen Dollar“ sei spürbar.

Als der Westen nach dem Einmarsch in der Ukraine Sanktionen gegen Russland verhängte, froren die USA und ihre Verbündeten Devisenbestände in Höhe von 300 Mrd. Dollar ein, die auf Dollar, Euro und Pfund Sterling lauteten. Das habe viele Länder mit US-Dollar-Beständen alarmiert. Deren Zentralbanken würden sich seitdem beeilen, ihre Bestände zu diversifizieren und mehr Gold zu kaufen, so die „FT“.

Putin und das Gold als Sicherheit

Für Russland verstärkten die Sanktionen des Westens seine Abhängigkeit von Gold, das es auch im eigenen Land fördert, noch zusätzlich. Als die globale Finanzkrise 2008 ausbrach, pries Wladimir Putin – damals Ministerpräsident – Russlands Gold- und Hartwährungsreserven als „Sicherheitspolster“ für den Kreml, um die wirtschaftlichen Schmerzen von Millionen Russen zu lindern.

Drei Jahre später besichtigte er das Depot der Zentralbank in der Moskauer Innenstadt und wog dabei einen Goldbarren von mehr als zehn Kilogramm. Damals war die russische Zentralbank gerade dabei, den Anteil des Edelmetalls an ihren internationalen Reserven zu erhöhen.

Russlands Präsident Wladimir Putin mit Goldbarren, 2011
Reuters/Ria Novosti
Der damalige russische Ministerpräsident und heutige Präsident Wladimir Putin im Edelmetalltresor der Zentralbank im Jahr 2011

Heute beträgt der Anteil des Goldes an den russischen Reserven in Höhe von 600 Mrd. US-Dollar etwa 25 Prozent und versechsfachte sich seit 2007 fast in Bezug auf die Tonnage. Laut dem deutschen Anlageberater Goldreporter besitzt Russland mit Stand März mittlerweile über 2.329 Tonnen Gold. Im Vergleich: Österreich verfügt laut Angaben der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) derzeit über 280 Tonnen an Goldreserven.

Auch China stockt Goldvorrat weiter auf

Auch die Wirtschaftsmacht China füllte in den vergangenen Jahren ihre Golddepots auf. „Chinas anhaltende Goldkäufe könnten als Teil einer langfristigen Politik zur Lockerung der Kapitalkontrollen interpretiert werden, wodurch der Renminbi eine größere Herausforderung für den US-Dollar darstellt“, sagte etwa Finanzexperte Oliver Ramsbottom, Partner des Beratungsunternehmens McKinsey & Company, gegenüber der „FT“. Die People’s Bank of China verfügt mit rund 3,2 Mrd. US-Dollar über die größten Devisenreserven der Welt und legte in den letzten sechs Monaten immer wieder Gold zu. Das könnte China helfen, die US-Währung herauszufordern, meinte Ramsbottom weiter.

Und auch in Not geratene Volkswirtschaften, die in der Regel hoch in US-Dollar verschuldet sind, wenden sich dem Gold zu. Vor seiner Zahlungsunfähigkeit im Dezember schlug etwa Ghana, der sechstgrößte Goldproduzent der Welt, vor, seine Ölimporte mit Goldbarren zu bezahlen.

Wie lange die wirtschaftliche Sternstunde des Edelmetalls diesmal dauern wird, sei kaum vorherzusagen, so die „FT“. Nach der Finanzkrise 2011 dauerte es nur zwei Jahre, bis der Goldpreis von seinem damaligen Höchststand von 1.920 Dollar pro Feinunze auf fast 1.200 Dollar einbrach.