Vor der Ende Mai stattfindenden Hauptversammlung der OMV empfehlen die Aktionärsvertreter Institutional Shareholder Services (ISS) und Glass Lewis (GL), dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Rainer Seele erneut die Entlastung zu verweigern. Das berichtete die Rechercheplattform Dossier heute.
Seele war von 2015 bis Sommer 2021 Vorstandsvorsitzender des Mineralölkonzerns. Aktuell ist der 62-Jährige Berater der Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC). Diese ist hinter der Staatsholding ÖBAG zweitgrößter Anteilseigner der OMV.
Bei ISS und GL handelt es sich um die beiden weltweit größten „Stimmrechtsberater“ („Proxy Advisors“). Darunter versteht man Beratungsfirmen, die institutionelle Anleger wie Banken und Investmentfonds beim Ausüben ihres Stimmrechts auf Hauptversammlungen unterstützen.
„Klare Verstöße gegen Compliance-Regeln“
Seele die Entlastung zu verweigern sei „gerechtfertigt, da der Aufsichtsrat festgestellt hat, dass es durch den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden klare Verstöße gegen die strengen Compliance-Regeln und den Verhaltenskodex des Unternehmens gegeben hat“, zitierte Dossier aus dem Bericht von ISS.
Ähnlich argumentierte Dossier zufolge GL: Die festgestellten Unregelmäßigkeiten stellten zwar keine Rechtsgrundlage für strafbares Fehlverhalten oder Schadenersatz dar, das ändere aber nichts daran, dass Seele „offenbar mehrfach gegen Compliance-Richtlinien verstoßen“ habe.
Nebenvereinbarung mit Führungskraft
ISS und GL beziehen sich laut Dossier auf Vorkommnisse in den Jahren 2020 und 2021. Seele hatte laut Dossier eine millionenschwere Nebenvereinbarung mit einer OMV-Führungskraft abgeschlossen, ohne den zuständigen Aufsichtsratsausschuss einzubinden.
In der Hauptversammlung im Juni 2022 war Seele die Entlastung verweigert worden. Die OMV ließ die Nebenvereinbarung und zwei weitere Causen daraufhin von externen Anwaltskanzleien prüfen.
Entlastung dennoch wahrscheinlich
Die Ergebnisse der Sonderprüfung wurden im September bekanntgegeben. „Trotz festgestellter Abweichungen von unternehmensinternen Vorgaben ist es zu keinem einklagbaren Fehlverhalten des Ex-Vorstandsvorsitzenden gekommen“, hieß es im Bericht, auf dessen Basis sich der OMV-Aufsichtsrat für die Entlastung Seeles aussprach.
Eine Entlastung Seeles sei trotz des Widerstandes aber wahrscheinlich, schrieb die APA heute. ÖBAG und ADNOC halten im OMV-Aufsichtsrat zusammen 56,4 Prozent der Stimmanteile. Es sei nicht anzunehmen, dass diese gegen ihre eigene Empfehlung stimmen werden, so die APA.