Laut Gesetzesentwurf soll der ORF künftig sowohl „online only“ als auch „online first“ produzieren dürfen. Weiters soll es auf ORF.at künftig 70 Prozent Bewegtbild und 30 Prozent Text geben, wobei die Textbeitragszahl pro Woche auf 350 beschränkt wird. Zudem sollen dem Entwurf zufolge die Regeln für die Überblicksberichterstattung verschärft werden. Die gegenwärtige Siebentagebeschränkung für Abrufe in der TVthek wird je nach Inhalt auf einen längeren Zeitraum ausgedehnt.
Auch sind stärkere Werbebeschränkungen im Radio- und Digitalbereich, die pro Jahr ca. 25 bis 30 Millionen Euro ausmachen sollen, und ein Transparenzbericht zu Löhnen und Nebeneinkünften vorgesehen.
Das Gesetz soll parallel zur Umstellung der Finanzierung auf eine Haushaltsabgabe des ORF in Kraft treten. Pro Haushalt sind künftig 15,30 Euro pro Monat (anstelle 18,59 Euro) zuzüglich Landesabgaben fällig, wobei bisherige Gebührenbefreiungen aufrechtbleiben, Nebenwohnsitze ausgenommen sind und eine Staffelung für Unternehmen in Kraft tritt.
VÖZ mit Fünfpunkteprogramm
Dem Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) geht die angedachte Beschränkung auf ORF.at nicht weit genug. Zuletzt hatte er mit Aktionen wie leeren Titelseiten und einer ausgedruckten ORF.at-Berichterstattung für Schlagzeilen gesorgt.

In einem Fünfpunkteprogramm fordern nun die Verleger in ihrer Stellungnahme einen Fokus des ORF auf audiovisuellen Content, eine Evaluierung des öffentlich-rechtlichen Auftrags, stärkere Werbebeschränkungen im Onlinebereich und keine finanziellen Mittel für Social-Media-Aktivitäten des ORF. Zudem sprechen sie sich gegen einen „Wildwuchs“ an „Online-only“-Angeboten aus.
Die Medienhäuser hätten aufgrund der frei zugänglichen, gebührenfinanzierten „blauen Seite“ Schwierigkeiten beim Etablieren von Paywalls und Digitalabos, so die Argumentation. ORF.at solle sich eindeutig auf audiovisuellen Content konzentrieren. Kritische Gegenstimmen meinen dagegen, printdominierte Medienhäuser hätten der Digitalisierung zu wenig entgegengesetzt. Eine Beschneidung von ORF.at – der mit Abstand meistgenutzten Nachrichtenseite des Landes – könne das nicht kompensieren.
VÖZ, uniko und ÖGB fordern „Entpolitisierung“
Auch für eine Gremienreform, die zu einer Entpolitisierung und Verkleinerung des Stiftungsrats führt, spricht sich der VÖZ aus. Für eine Entpolitisierung der ORF-Gremien traten etwa auch die Österreichische Universitätenkonferenz (uniko), der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) und „Die Produzent*innen – Allianz für innovatives und vielfältiges Filmschaffen“ ein.
Die Medienbehörde KommAustria stellt sich die Frage, ob für „Online only“-Angebote des ORF künftig Auftragsvorprüfungsverfahren durchzuführen oder zumindest Angebotskonzepte vorzulegen sind. Auch gehe aus dem Entwurf nicht hervor, ob das Cross-Promotion-Verbot – im ORF-Radio darf nicht Werbung für ORF-Fernsehen und vice versa gemacht werden – auch auf „Online only“-Angebote ausgedehnt werden solle.
ORF-Redaktionsrat: Teile „besorgniserregend“
Auch der ORF-Redaktionsrat vermisst Reformen bei Stiftungsrat und Publikumsrat. Grundsätzlich begrüße man die Novelle des ORF-Gesetzes zur Neuregelung von Finanzierung und Digitalisierung, denn mit der vorgeschlagenen Lösung werde der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zur Neuregelung der Finanzierung des ORF entsprochen.
Allerdings seien Teile des Gesetzesentwurfes besorgniserregend, konkret die Einschränkungen auf der „Blauen Seite“ auf 350 Postings pro Woche, Einsparungen von 350 Millionen Euro in den nächsten drei Jahren und trotz hoher Inflationsrate keine Valorisierung der Haushaltsabgabe in den nächsten drei Jahren.
AK: Haushaltsabgabe muss „sozial ausgewogen“ sein
Die Industriellenvereinigung (IV) sprach sich gegen eine Steigerung der ORF-Abgabe für Unternehmen aus. Staffelungen und Maximalzahl der zu entrichtenden ORF-Beiträge sollen überarbeitet werden. Dafür spricht sich auch die Wirtschaftskammer (WKO) aus, die einen „erheblichen Umfang an Mehrbelastungen für Unternehmen“ gegeben sieht und hofft, dass Wirtschaft und Unternehmen zukünftig eine größere Rolle im ORF-Programm spielen.
Die Haushaltsabgabe müsse sozial ausgewogen sein, so die Arbeiterkammer (AK). Mit Blick auf die gesellschaftliche Akzeptanz des ORF-Beitrags sollten Wenigverdiener eine reduzierte Beitragshöhe entrichten müssen. Die AK lehnt zudem die Beschränkung der Textmeldungen und das vorgegebene Verhältnis von 70 Prozent Video- und 30 Prozent Textinhalten ab. Der ORF solle auf seinen Onlineseiten – speziell auf der „blauen Seite“ – „jedenfalls legitimiert durch den hohen Zuspruch der Nutzer:innen“ unverändert berichten können.
Die Bundesjugendvertretung (BJV) drängt auf Beitragsbefreiungen für junge Menschen. Das Verteidigungsministerium spricht sich für eine Ausnahme von der Beitragspflicht für Grundwehr- und Zivildiener aus, sofern diese bereits einen eigenen Wohnsitz haben.
Datenschutzbehörde äußert Bedenken
Die Datenschutzbehörde äußerte in ihrer Stellungnahme mehrere Bedenken. Um eine allfällige Befreiung vom ORF-Beitrag feststellen zu können, soll künftig die ORF-Beitrags-Service-GmbH in der Transparenzdatenbank die Einkommenshöhe aller Menschen im Haushalt abfragen können.
Die lediglich in den Erläuterungen vorgesehenen Ausführungen dazu könnten „keinesfalls genügen“ und „stellen damit auch keine gesetzliche Grundlage für die vorgesehene Datenverarbeitung dar“. Empfohlen wird, im Gesetzestext festzuhalten, welche konkreten Datensicherheitsmaßnahmen zu ergreifen sind, um etwaigen missbräuchlichen Abfragen durch die ORF-Beitrags-Service-GmbH vorzubeugen.
In Bezug auf die geplante namentliche Nennung von ORF-Einkommen über 170.000 Euro und Nebeneinkünften von ORF-Personal weist die Behörde darauf hin, „dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich dabei auch um Daten von bestimmbaren Beschäftigten und damit um personenbezogene Daten gemäß Art. 4 Z 1 DSGVO handelt“. Die Zulässigkeit eines solchen Eingriffs in das Grundrecht auf Datenschutz sei „fraglich“.
Rechnungshof: Programmauftrag klarstellen
Der Rechnungshof (RH) begrüßt zwar, dass Nebeneinkünfte von ORF-Personal künftig aufgeschlüsselt werden sollen. Erläuterungen zu finanziellen Auswirkungen der Gesetzesnovelle würden jedoch nicht den Anforderungen entsprechen. Mit den geplanten Änderungen würde zwar das System Finanzierung geändert, sie seien jedoch „nicht genutzt worden, um die grundsätzliche Frage nach den wesentlichen Inhalten und Formaten eines öffentlich–rechtlichen ‚Programmauftrags‘ klarzustellen“.

„Entschieden“ lehnt hingegen der Gewerkschaftsbund die „geplanten Eingriffe in arbeitsvertragliche und kollektivvertragliche Ansprüche und Einkommensverluste durch niedrige Gehaltsabschlüsse“ ab. Als „schlicht inakzeptabel“ bezeichnet er weiters die „geplante Einschränkung zur Nutzung digitaler Angebote“.
Kritisch zu hinterfragen und aus verfassungsrechtlicher Sicht bedenklich sei vor allem auch die vorgesehene Begrenzung auf 350 Meldungen bei news.ORF.at. Es sei festzuhalten, dass der „bloße Schutz wirtschaftlicher Interessen Dritter kein legitimes Ziel“ im Sinne des Art. 10 EMRK (Freiheit der Meinungsäußerung) darstelle. Ähnlich sieht das Amnesty International Österreich.
„Einschränkung des barrierefreien Angebots“ befürchtet
Dass die geplante Gesetzesnovelle für den ORF Einschränkungen für ORF.at bei der Textberichterstattung vorsieht, sorgt auch für Kritik vom Österreichischen Behindertenrat. Der Staat müsse verpflichtend dafür sorgen, dass Massenmedien ihre Dienstleistungen barrierefrei anbieten.
„Wenn die Nachrichten in einfacher Sprache nicht von der Anrechnung auf die Gesamtzahl zulässiger Beiträge ausgenommen werden, verlieren einige Menschen mit Behinderungen den Zugang zu Informationen und damit die Möglichkeit der politischen und gesellschaftlichen Teilhabe“, so Klaus Widl, Präsident des Österreichischen Behindertenrates.
ORF.at sei „für viele Menschen mit Lernschwierigkeiten die einzige verfügbare Nachrichtenseite, weil hier auch Nachrichten in einfacher Sprache angeboten werden“, so Lebenshilfe-Generalsekretär Markus Neuherz. Auch etwa der ÖZIV-Bundesverband befürchtet „eine Einschränkung des barrierefreien Angebots für Menschen mit Behinderungen“ und fordert eine entsprechende Berücksichtigung der Interessen von Menschen mit Behinderungen.
VÖP fordert Werbeentlastung des ORF
Der Verband Österreichischer Privatsender (VÖP) sieht mit dem Gesetzesentwurf eine „Bedrohung für den Fortbestand des privaten Rundfunksektors“ gegeben und kritisiert in seiner Stellungnahme, dass das Gesetzespaket nicht den Medienmarkt als Ganzes stärke, „sondern in erster Linie den ORF“.
Die Möglichkeit zur Überschreitung der täglichen Werbezeitgrenzen in TV und Radio soll laut VÖP „komplett beseitigt“ werden, zudem soll die Werbebelastung im ORF deutlich reduziert werden, etwa durch Reduktion der Werbezeit im TV-Hauptabend und durch Reduktion der vermarktbaren Werbeminuten im ORF-Radio.
Viele private Stellungnahmen zu Haushaltsabgabe
Die zahlreichen Stellungnahmen der Privatpersonen kreisen häufig um die Umstellung von der bisherigen gerätegekoppelten GIS-Gebühr auf einen ORF-Beitrag in Form einer Haushaltsabgabe.
Viele beschweren sich darüber, dass sie, auch ohne ORF-Programm zu konsumieren, für dieses zahlen müssen. Eine Integral-Studie stellte unlängst fest, dass 95 Prozent der Bevölkerung zumindest ein ORF-Angebot nutzen.