Koch Lehrling
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Gastronomie

Debatte über vegane Lehre kocht hoch

Ein Antrag für eine neue Lehrausbildung hat zuletzt die Wogen in der heimischen Gastronomie hochgehen lassen. Zur Debatte steht eine Kochlehre, die ohne Fleisch auskommt. Befürworterinnen sehen darin ein Muss, um mit der Zeit zu gehen, und einen Weg, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Gegner bezweifeln den Bedarf und verweisen auf strukturelle Hürden. Die sind tatsächlich hoch: So müssen etwa Restaurants, die Kochlehrlinge ausbilden wollen, zu 70 Prozent heimische Küche anbieten.

Eine Ernährung ohne Fleisch oder gänzlich ohne tierische Produkte ist kein reines Nischenprogramm mehr. Laut dem Forum Ernährung heute ernähren sich bis zu zwei Prozent der Menschen rein vegan, bis zu acht Prozent vegetarisch, wie die Ernährungsexpertin Marlies Gruber zu Ö1 sagte. Die Zahl Flexitarierinnen und Flexitarier, also jene, die ihren Fleischkonsum bewusst einschränken, wachse aber kontinuierlich. Fast jede und jeder Dritte esse deutlich weniger Fleisch als früher, Tendenz steigend, so Gruber.

Und all diese Gäste erwarten auch in Restaurants jeglicher Art passende Angebote. Der Antrag der Grünen Wirtschaft für eine fleischlose Kochlehre aber sorgte zuletzt für zahllose Debatten. Der Antrag selbst wurde wegen Formfehlern abgelehnt, doch die Grünen sollen nun Eckpunkte einer solchen Lehre ausarbeiten.

Im November wird das Thema bei der nächsten Sitzung des Gastronomiefachverbands behandelt. Sind dann alle nötigen Unterlagen vorhanden und ist die Unterstützung der Sozialpartner sichergestellt, werde sich der Fachverband bei den zuständigen Stellen für die Einführung des Lehrberufs einsetzen, hieß es von der Wirtschaftskammer (WKO).

Vegane Kochlehre: Ein Streitgespräch

Der Obmann des Fachverbandes Gastronomie, Mario Pulker, und Koch Paul Ivic, Betreiber des vegetarischen Gourmetrestaurants TIAN in Wien, diskutieren über die vegane Kochlehre.

Kammer offen, aber skeptisch

Doch die Diskussionen sind längst im Laufen. WKO-Gastroobmann Mario Pulker sagte, er sei prinzipiell neuen Ideen gegenüber offen, es fehlten aber noch konkrete Inhalte wie etwa ein Berufsbild, ein Lehrplan und eine Prüfungsordnung. Wichtig sei jetzt, dass die Ausbildungsinhalte möglichst breit und umfassend angelegt würden. „Nur so kann sichergestellt werden, dass künftige Fachkräfte nicht auf eine Nische beschränkt werden, sondern in ihrer Ausbildung alle notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten vermittelt bekommen, die auf dem nationalen und internationalen Arbeitsmarkt nachgefragt werden.“

Es gebe außerdem schon Alternativen: „Was wir in der Vergangenheit schon gemacht haben, ist, dass wir hier Zusatzausbildungen im Bereich vegetarische Speisen und im Bereich vegane Speisen bereits einfließen haben lassen“, so Pulker. In der ZIB sagte Pulker diese Woche zudem, dass der Bedarf sich in Grenzen halte. Von den rund 10.000 Restaurants im Land seien 67 vegan, und davon sei der Gutteil in Wien beheimatet. „Das heißt, hier haben wir eine sehr kleine Anzahl von Betrieben, die das überhaupt ausbilden könnte.“

Gebackene Champignons
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Gebackene Champignons stehen oft auf der Speisekarte. Eine neue Lehre soll mehr Optionen eröffnen.

Sorge um Jobchancen

Auch Berend Tusch von der Gewerkschaft vida setzt eher auf eine fleischlose Zusatzausbildung im Rahmen der Lehre. Er denke insbesondere an die Zukunftsperspektiven der Lehrlinge, die nach einer vegetarischen oder veganen Kochausbildung einen Mangel in den Fähigkeiten der Fleischzubereitung hätten. „Und das möchte ich als Gewerkschafter natürlich nicht, dass hier Ausbildungen stattfinden, wo ich auf dem Arbeitsmarkt keine Chancen mehr habe“, so Tusch.

Manfred Rieger, Vizepräsident des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes (SWV) Niederösterreich, ließ am Freitag per Aussendung wissen, die Forderung nach veganer Kochlehre gehe am Thema vorbei. „Die Diskussion um den Vorschlag der Grünen Wirtschaft, eine vegane Kochlehre einzuführen, wird das Problem des Fachkräftemangels nicht lösen oder mehr Jugendliche in die Küchen der Gasthäuser Österreichs bringen“, so Rieger. „Wenn jemand eine Lehre als veganer Koch macht, kann dieser wegen des Berufsschutzes nur als solcher vermittelt werden – dafür gibt es derzeit noch zu wenige vegane Gastrobetriebe, also sind auch die Jobchancen schlecht.“

„Fleisch wird in 20 Jahren nicht mehr gegessen“

Die Befürworterinnen und Befürworter der fleischlosen Ausbildung sehen das freilich anders. Joachim Ivany von der Grünen Wirtschaft hatte den Vorschlag eingebracht und ist nun für seine Ausarbeitung zuständig. Ivany, selbst Gastronom, sprach von einem „Meilenstein“, denn der Bedarf sei vorhanden. „Das gilt einerseits für die Jugendlichen, die wir als Fachkräfte für die Gastronomie gewinnen wollen und von denen mittlerweile mehr als ein Viertel vegan oder vegetarisch lebt. Und andererseits gilt es auch für Hunderte Lokale in ganz Österreich, die sich auf fleischlose Küche spezialisiert haben.“

Charly Schillinger, der als Gastronom als einer der Ersten in Österreich auf vegane Küche setzte, schätzte die geplante Lehre als dringend notwendig ein. „Wenn wir uns anschauen, wie die Fleischalternativen in den letzten Jahren zugenommen haben und welche Qualität sie mittlerweile erreicht haben, da gehen wir davon aus, dass in zehn, 15 Jahren jedes nur erdenkliche tierische Produkt auch vegan ersetzt werden kann. Das heißt aus ethischer, aber auch aus ökonomischer Sicht sind wir davon überzeugt, dass Fleisch in 20 Jahren gar nicht mehr gegessen werden wird“, so Schillinger gegenüber dem ORF. Viele Lehrlinge wollten schlicht nicht mehr mit Fleisch arbeiten. „Das ist auch ein Grund für diesen eklatanten Fachkräftemangel in unserer Branche.“

Der Systemgastronom Andreas Haderer führte gegenüber dem „Standard“ am Freitag ein weiteres Argument an. Haderer, der für einen Möbelkonzern rund 50 Lokale führt, meinte, dass zwar von zehn Gästen neun Grillteller oder Schnitzel bestellten. Gäbe es jedoch nichts Veganes auf der Karte, würden alle zehn gemeinsam zu einem anderen Restaurant weiterziehen.

Lehrlinge nur mit heimischer (Fleisch-)Küche

Für etliche Restaurantbetreiberinnen und -betreiber stellt sich die Frage aber ohnehin nicht. Denn um Kochlehrlinge ausbilden zu dürfen, müssen sie heimische Küche anbieten. Peter Fankhauser etwa betreibt ein vegetarisches Restaurant und könne bei sich keine Kochlehrlinge aufnehmen, „weil wir keine österreichische Küche anbieten, in dem Sinne kein Fleisch verarbeiten und keinen Fisch verarbeiten.“ Das habe ihm die WKO Ende 2020 auf seine Anfrage mitgeteilt, sagte der Gastronom der APA.

Damit Gastronomiebetriebe überhaupt Lehrlinge ausbilden dürfen, müssen sie einen Antrag bei der WKO stellen. Diese prüft dann gemeinsam mit der Arbeiterkammer, ob der Betrieb die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt. Angeschaut werde „insbesondere, ob die im Berufsbild vorgesehenen Lehrinhalte vermittelt werden können“, so die Kammer. Im Fall der Kochlehre müssen 70 Prozent der Gerichte auf der Speisekarte österreichisch sein, sagte ein Vertreter zum „Standard“.

Laut Ausbildungsverordnung bereiten Köchinnen und Köche „österreichische, regionale, saisonale und internationale Speisen“ zu. Einige der Speisen sind im Berufsbild auch konkret aufgelistet, so ist etwa das Zubereiten von Innereien, Fisch und Spezialsuppen wie Ochsenschwanzsuppe Teil der Ausbildung. Der Anteil tierischer Produkte in der derzeitigen Kochlehre sei schwer zu beziffern, hieß es vonseiten der WKO. Die Wiener Gastronomin Margit Stolzlechner, die selbst Lehrlinge ausbildet, schätzte den Anteil der Fleischkunde in der zuletzt 2018 adaptierten Ausbildung auf zwei Drittel. Vegetarisch und vegan seien abseits von Beilagen „nicht existent“.