Twitter-Logo
AP/Gregory Bull
EU-Kommissar

Twitter verlässt EU-Pakt gegen Desinformation

Der Kurznachrichtendienst Twitter wird nach Angaben von EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton aus dem freiwilligen EU-Abkommen, das alle großen Branchenunternehmen mit der EU gegen die Verbreitung von Desinformation in Onlinenetzwerken vereinbart hatten, austreten. Von Twitter gibt es dazu noch keinen Kommentar.

Das Unternehmen könne sich nicht vor den EU-Vorschriften verstecken, twitterte Breton in der Nacht auf Samstag. „Aber die Verpflichtungen bleiben. Man kann weglaufen, aber man kann sich nicht verstecken.“ Es werde über die freiwilligen Verpflichtungen hinaus ab dem 25. August eine gesetzliche Vorgabe im Rahmen des EU-Gesetzes über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA) geben. Verstöße können Unternehmen Bußgelder in Höhe von bis zu sechs Prozent ihres weltweiten Umsatzes kosten.

„Unsere Teams werden auf die Durchsetzung vorbereitet sein“, betonte Breton. Dieses Gesetz sieht die Achtung der Medienfreiheit und der Grundrechte vor. Es war im vergangenen Jahr vom EU-Parlament verabschiedet worden und soll besonders die großen Onlinekonzerne in der EU stärker regulieren.

Nutzer als Faktenchecker

Schon am Donnerstag hatte es aus EU-Quellen geheißen, dass das Unternehmen von US-Milliardär Elon Musk der EU-Kommission seine Absicht mitgeteilt habe, aus dem freiwilligen Abkommen auszutreten. Es habe aber noch keine offizielle Mitteilung dazu gegeben. Twitter habe argumentiert, sich lieber auf seine Nutzer und Nutzerinnen als auf Faktenchecker verlassen zu wollen.

EU-Kommissar Thierry Breton
Reuters/Patryk Ogorzalek/Agencja Wyborcza
EU-Kommissar Breton mahnt Twitter zur Einhaltung seiner Verpflichtungen

Auf Presseanfragen etwa von AP reagierte Twitter wie gewöhnlich mit einer automatischen Antwort ohne weiteren Kommentar. Eine Bitte um Stellungnahme der Nachrichtenplattform „Politico“ wurde dem Bericht zufolge mit einem „Kack“-Emoj beantwortet.

Neue Regeln unter Musk

Seit seiner Übernahme von Twitter vergangenen Oktober hatte Musk viele Beschäftigte entlassen, die für die Moderation von Inhalten und die Kommunikation mit Brüssel zuständig waren. Musk ließ zudem Nutzer wieder freischalten, die wegen der Verbreitung von Desinformation gesperrt waren. Dazu gehörte auch der ehemalige US-Präsident Donald Trump. Zudem nahm er frühere Regeln zur Bekämpfung von Fehlinformationen zurück und brachte das Verifizierungssystem und die Richtlinien zur Inhaltsmoderation durcheinander.

Musk betonte stets, die aus seiner Sicht zu starken Einschränkungen der Meinungsfreiheit auf der Plattform zu beseitigen. Vor gut zwei Wochen hatte er angekündigt, den Chefposten bei Twitter nach einem chaotischen halben Jahr in die Hand der Werbeexpertin Linda Yaccarino zu legen.

Techriesen verpflichteten sich selbst

Der Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation in den großen Internetplattformen wurde von den Branchenunternehmen selbst geschrieben und mit der EU 2018 vereinbart und im vergangenen Jahr verschärft. Neben Firmen aus der Werbebranche hatten sich Google, Facebook, Twitter, Microsoft und seit 2020 auch TikTok verpflichtet, ihn einzuhalten. Ziel ist, die politische Werbung zu verfolgen und die Monetarisierung von Desinformation zu stoppen.

Der Kodex verlangt regelmäßige Fortschrittsberichte mit Daten über entgangene Werbeeinnahmen von Desinformationsakteuren. Zudem müssen Informationen über die Anzahl oder den Wert angenommener oder abgelehnter politischer Anzeigen sowie erkannte manipulative Verhaltensweisen bereitgestellt werden.

Anzeichen, dass Twitter nicht bereit war, den Verpflichtungen aus dem EU-Verhaltenskodex nachzukommen, gibt es schon länger. Erst Anfang des Jahres hatte die EU-Kommission Twitter gerügt, weil es keinen vollständigen Bericht im Rahmen des Kodexes vorgelegt hatte.