Ein Berg aus Plastikmüll
AP/Juan Karita
Vermeidung und Recycling

UNO-Konferenz sagt Plastikmüll Kampf an

Unmengen von Plastikmüll belasten das Ökosystem und die menschliche Gesundheit – dem wollen die Vereinten Nationen mit einem globalen verbindlichen Abkommen gegen Plastikverschmutzung ein Ende setzen. Wenn es klappt, wäre es ein epochaler Schritt zu einem nachhaltigen, umweltschonenden Wirtschaften. Darüber wird seit Montag in Paris beraten – Umweltschützer, die Kunststoffindustrie und ölproduzierende Staaten verfolgen dabei aber sehr unterschiedliche Ziele.

Bis 2024 soll eine Konvention erarbeitet werden, in der verbindliche Regeln und Maßnahmen festgelegt werden, die den gesamten Lebenszyklus von Plastik betreffen. Der UNO-Wunsch ist es, die Umweltverschmutzung durch Plastikabfälle bis 2040 stark einzudämmen. Das Pariser Treffen (29. Mai bis 2. Juni) ist die zweite von fünf zwischenstaatlichen Verhandlungsrunden für ein weltweites Abkommen.

Die Dimensionen sind beachtlich und mit den UNO-Klimakonferenzen (COP) vergleichbar: 1.500 bis 1.600 Delegierte werden erwartet. Allerdings hat die UNO jedoch kurzfristig die Zahl der zugelassenen Beobachter bei den Verhandlungen von fünf auf einen pro Organisation reduziert – was ein organisatorisches Chaos auszulösen droht.

Vermeidung laut Studie möglich

An den Verhandlungen nehmen UNO-Mitgliedsstaaten sowie Nichtregierungsorganisationen, Wissenschaftler und Gewerkschaften teil. Nach der ersten Verhandlungsrunde in Uruguay im Dezember hatten Umweltschützer eine positive Bilanz gezogen, allerdings auch angemerkt, dass sich bereits Gegner eines Abkommens formierten.

Laut einem Bericht des UNO-Umweltprogramms (UNEP) ließe sich die weltweite Plastikverschmutzung bis 2040 um 80 Prozent verringern. Dafür stünden schon jetzt alle Ressourcen bereit. Voraussetzung dafür seien allerdings tiefgreifende politische und marktwirtschaftliche Veränderungen hin zu einer Kreislaufwirtschaft. Die Auswirkungen der Plastikrückstände, die oft in mikroskopischer Größe im Erdreich, in Gewässern sowie dem Organismus von Menschen und Tieren landen, sind laut Wissenschaftlern teils noch nicht erforscht.

Dringender Appell von Greenpeace

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace pochte vor der Konferenz in Paris auf eine ehrgeizige Vereinbarung. Die Produktion von Plastik müsse um 75 Prozent eingeschränkt und letztlich das Plastikzeitalter beendet werden. „Plastik schädigt die menschliche Gesundheit, beschleunigt soziale Ungerechtigkeit, zerstört die Artenvielfalt und heizt die Klimakrise an“, hieß es in einer Erklärung. Mehr als sechs Millionen Tonnen Plastikmüll fielen jedes Jahr in Deutschland an. Weltweit würden jährlich 400 Millionen Tonnen Plastikmüll produziert.

Eine Installation von Greenpeace in Paris zum Thema Plastikmüll
AP/Aurelien Morissard
Greenpeace macht auch in Paris auf Plastikvermeidung aufmerksam

Gemeinsam mit mehr als 150 Organisationen und Wissenschaftlern rief Greenpeace UNEP dazu auf, sicherzustellen, dass das globale Plastikabkommen nicht durch die Einflussnahme der fossilen und petrochemischen Industrie gefährdet wird. Denn die Mitgliedsstaaten zeigten sehr unterschiedliche Ambitionen: Während ölproduzierende Staaten wie Saudi-Arabien Scheinlösungen wie chemisches Recycling propagierten, setzen sich andere Länder für eine Begrenzung der Plastikproduktion ein.

Erfolg bei erster Verhandlungsrunde

Zwei Umstände geben Grund zu Optimismus: Zum einen hat sich ausgehend von Staaten wie Ruanda, Ecuador und Peru eine „High Ambition Coalition“ gebildet, die es schon in der ersten Verhandlungsrunde geschafft hat, dass nicht nur Müllbeseitigung und -vermeidung, sondern eben auch die Neuproduktion von Plastik Gegenstand des Abkommens sein soll.

Zum anderen gibt es auch in der Plastikindustrie, deren Jahresproduktion mittlerweile bei rund 400 Millionen Tonnen liegt, einflussreiche Stimmen, die für eine scharfe und eindeutige Regelung eintreten. Der Hintergrund ist klar: Um auch in der Zukunft hohe Umsätze lukrieren zu können, möchte man wissen, woran man ist.

Fortschritt auch in Österreich

In Österreich, wo der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch an Kunststoffen bei 150 Kilogramm liegt, haben Unternehmen wie ALPLA und Greiner (nach der Borealis AG die Nummern zwei und drei der Kunstoffhersteller in Österreich) die Plattform „Verpackung mit Zukunft“ gegründet, an der auch Coca-Cola und Nestle beteiligt sind – Industriegiganten, deren Plastikflaschen und Verpackungen täglich zu Millionen im Müll und in der Natur landen.

Hierzulande kommt 2024 eine verbindliche Mehrwegquote und 2025 ein Pfand auf Einweggebinde wie PET-Flaschen und Dosen – immerhin ein Anfang für den geforderten radikalen Systemwechsel. Die OMV arbeitet seit Jahren in der Raffinerie Schwechat an einem „ReOil“-Verfahren, bei dem aus Plastik wieder Rohöl gewonnen werden soll. Das chemische Recycling, das bis 2026 in industriellem Maßstab eingesetzt werden soll, wird von Umweltschutzorganisationen wegen des hohen Energieaufwands jedoch ebenso skeptisch beurteilt wie die Herstellung von „Bioplastik“, das auch in den UNEP-Zukunftsszenarien derzeit keine große Rolle spielt.

Plastikproduktion in 20 Jahren verdoppelt

Wie dringend Maßnahmen sind, zeigen aktuelle Daten: Die weltweite Plastikproduktion hat sich in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt. Nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) wurden im Jahr 2019 rund 460 Millionen Tonnen Plastik produziert. Zwei Drittel dieser Menge wird nach einmaligem oder wenigem Gebrauch weggeworfen. Nur zehn Prozent werden recycelt.

Millionen Tonnen Plastik landen in der Umwelt und im Meer, oft in Form von mikroskopisch kleinen Partikeln. Dieses Mikroplastik kann nicht nur in den Verdauungstrakt, sondern auch in den Blutkreislauf von Lebewesen eindringen. Die Plastikproduktion trägt außerdem zum Klimawandel bei. 2019 verursachte sie 1,8 Milliarden Tonnen Treibhausgase und damit immerhin 3,4 Prozent der klimaschädlichen Gase weltweit.

Auftakt schon am Wochenende

Schon vor dem Beginn der Verhandlungen setzte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ein Zeichen und lud Umweltministerinnen und Umweltminister mit NGOs zum öffentlichkeitswirksamen Dialog. Bei den Gesprächen sei es um die Produktion, die Entsorgung und das Recycling von Plastik sowie um die Gefahren durch Mikroplastik gegangen, teilte die französische Umweltstaatssekretärin Berangere Couillard am Samstagabend mit.

„Wir müssen aufpassen, dass die Frage des Recyclings nicht die Debatte über die Verringerung der Plastikproduktion ersetzt“, warnte der französische Minister für den ökologischen Übergang, Christophe Bechu. „Wenn wir unsere Recyclingsquote erhöhen, aber parallel dazu unsere Produktion erhöhen, verzögern wir die Lösung des Problems. Also verringern wir erstens, zweitens erhöhen wir den Anteil der Wiederverwertung.“