Anhänger des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Wien 10
APA/Samuel Winter
Innenpolitische Debatte

Erdogan-Siegesfeiern in Wien mit Nachspiel

Die in Österreich lebenden türkischen Staatsbürgerinnen und Staatsbürger haben auch bei der Stichwahl mit großer Mehrheit für Amtsinhaber Recep Tayyip Erdogan gestimmt – und dessen Sieg Sonntagabend entsprechend lautstark gefeiert. Daran entzündet sich jetzt neuerlich eine innenpolitische Kontroverse über Migration und Integration. Es wurden Ermittlungen des Verfassungsschutzes wegen Zeigens des verbotenen Wolfsgrußes angekündigt.

Fast 74 Prozent der wahlberechtigten Türkinnen und Türken in Österreich gaben Erdogan nach vorläufigen Zahlen der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi ihre Stimme. Der alte und neue Präsident schnitt damit in Österreich im internationalen Vergleich besonders gut ab.

Besser als in der Heimat war das Ergebnis für den Amtsinhaber auch erneut in anderen europäischen Ländern mit großen türkischen Communitys, etwa in Deutschland, wo laut vorläufigen Ergebnissen rund 67,4 Prozent für Erdogan stimmten, Frankreich (66,6 Prozent), den Niederlanden (70,4 Prozent) und Belgien (74,9). Dagegen lag in Ländern wie Großbritannien, Schweden und der Schweiz Kemal Kilicdaroglu voran.

Reumannplatz als Zentrum der Feiern in Wien

Zahlreiche Fans des türkischen Präsidenten feierten dann am späten Sonntagabend in Wien den Wahlsieg, Brennpunkt war der Reumannplatz in Wien-Favoriten. Auf Videos in sozialen Netzwerken war zu sehen, wie Feiernde lautstark türkische Fahnen und Erdogan-Bilder schwenkten.

Laut einem Sprecher der Wiener Polizei kam es bei den spontanen und nicht angemeldeten Kundgebungen ab 20.30 Uhr um den Reumannplatz zu Autokorsos, die erhebliche Verkehrsbeeinträchtigungen verursachten. Durch das Einschreiten der Beamten und entsprechende Anzeigen habe sich die Lage aber gegen 23.30 Uhr wieder beruhigt.

Man habe auch, so ein Polizeisprecher, möglicherweise gefährdete Objekte wie das Ernst-Kirchweger-Haus – das in der Vergangenheit Ziel türkischer Hooligans war – und Botschaften geschützt und auch verhindert, dass sich die vielen hundert Feiernden nicht weiter in Bewegung setzen konnten. Anzeigen gab es laut Polizei aber auch nach dem „Symbolegesetz“, da – wie auch bei vorangegangenen Veranstaltungen – von einzelnen jubelnden Erdogan-Fans der verbotene Wolfsgruß gezeigt wurde.

Innenminister kündigt Ermittlungen an

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) dankte seinen Beamten für ihr „umsichtiges Handeln“ und kündigte Ermittlungen des Verfassungsschutzes im Zusammenhang mit dem Wolfsgruß an: „Der demokratische Rechtsstaat und seine Gesetze sind von allen Menschen, die in unserem Land leben, zu respektieren“, erklärte Karner in einer Mitteilung. „Das ist die Grundlage für ein friedliches Zusammenleben. Die Verherrlichung einer extremistischen Ideologie durch das Zeigen des Wolfsgrußes widerspricht aber klar unseren Gesetzen und wird konsequent verfolgt.“

Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) erklärte: „Importierter politischer Aktivismus und Gewalt sind auf das Schärfste zu verurteilen und mit der vollen Härte des Gesetzes zu bestrafen. Vom Ausland importierter Nationalismus ist das Gegenteil von Integration und hat bei uns keinen Platz.“

Nach der Türkei-Wahl

Die Opposition übt Kritik an der Wahl in der Türkei. Sie sei nicht fair und nicht nach internationalen Standards abgelaufen.

FPÖ kritisiert Stadt Wien und Innenministerium

Die Wiener FPÖ nahm die Kundgebungen zum Anlass, ein „Kalifat“ zu orten, zu dem die SPÖ und Bürgermeister Michael Ludwig Favoriten gemacht hätten, den Innenminister zum Rücktritt aufzurufen und die feiernden Erdogan-Fans zur Ausreise in die Türkei aufzufordern. Der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp und sein Favoritner Bezirksparteiobmann Stefan Berger sprachen in einer Aussendung von „Tausenden fanatischen Männern“ und einer „ernsten Bedrohung für Freiheit und Demokratie“, angesichts derer der „unfähige“ Innenminister und der Staatsschutz „völlig versagt“ hätten.

FPÖ-Chef Herbert Kickl blies diesbezüglich praktisch wortident in dasselbe Horn, für ihn ist „die Dreistigkeit der Fanatiker das Ergebnis der Schwäche von SPÖ und ÖVP und auch das Ergebnis von jahrzehntelangen Versäumnissen beim Thema Integration“. ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker erklärte wiederum, Kickl habe in seiner Zeit als Innenminister „auf ganzer Linie“ versagt. Schließlich habe er knapp zwei Jahre Zeit gehabt, „solche Entwicklungen zu unterbinden“.