Justizministerium von außen
ORF.at/Christian Öser
Expertise versammelt

Zadics neuer Anlauf für Generalstaatsanwalt

Die geplante Generalstaatsanwaltschaft hängt in der Schwebe. Seit dem Expertenpapier im September ist es um die unabhängige Weisungsspitze ruhig geworden. Doch nun wurde im Justizministerium wieder eifrig diskutiert. Ressortchefin Alma Zadic (Grüne) startete mit einer hochkarätig besetzten Runde einen neuen Anlauf für die Generalstaatsanwaltschaft.

Am Donnerstag versammelte die Justizministerin im Großen Festsaal Experten und Expertinnen aus der Justiz, um über die unabhängige Weisungsspitze zu diskutieren. Neben der Ressortchefin traten auch Altbundespräsident Heinz Fischer und Österreichs Vertreterin bei der Europäischen Staatsanwaltschaft, Ingrid Maschl-Clausen, auf. In einer hochkarätigen Runde wurde nach den Vorträgen ausführlich über die Generalstaatsanwaltschaft debattiert. Die Positionen waren schnell klar: Es braucht eine unabhängige Spitze in der Weisungshierarchie.

Ende Februar 2021 hatte sich die ÖVP-Grünen-Regierung in politisch turbulenten Zeiten geeinigt, eine unabhängige Weisungsspitze in der Justiz zu schaffen. Die Generalstaatsanwaltschaft sollte die bisherige Praxis komplett ändern. Statt einer Ministerin bzw. eines Ministers soll ein unabhängiges Gremium die Spitze der Weisungshierarchie bilden. Im September 2022 wurde dazu ein Expertenbericht veröffentlicht, in dem detailliert die künftige Struktur beschrieben wird. Die Reform ist allerdings ins Stocken geraten, es werde noch „politisch verhandelt“.

Fischer sieht „eindeutige Tendenz“

Grund sind unterschiedliche Auffassungen innerhalb der Regierung. Die Grünen beharren auf dem von Experten ausgearbeiteten Papier, das im Auftrag von Zadic entstanden ist. In der Weisungskette sollen statt einer Person künftig ein bis zwei Dreiersenate stehen. Diese Struktur werde Entscheidungen qualitativ verbessern und zu einer breiteren Akzeptanz in der Öffentlichkeit führen, so Zadic. Ein monokratisches System wie das aktuelle sei nicht zielführend. Was die Kontrolle durch das Parlament betrifft, beharrt Zadic auf den Status quo. Laufende Verfahren sollen von der Kontrolle allerdings ausgenommen werden.

Zuletzt hatte die ÖVP auf eine stärkere parlamentarische Kontrolle gepocht. Gleichzeitig verlangt die Regierungspartei eine Reform der Beschuldigtenrechte. Zadic zeigte sich gesprächsbereit, betonte aber den hohen Standard in Österreich. So könne beispielsweise gegen jede Entscheidung ein Rechtsmittel ergriffen werden, sagte die Ministerin vor dem Fachpublikum. Eines der wichtigstes Beschuldigtenrechte sei, dass jeder davon ausgehen können müsse, seine Sache werde frei und unabhängig von jedem Anschein der Befangenheit behandelt. Damit schielte sie freilich auf eine politfreie Weisungsspitze.

Justizministerin Alma Zadic (Grüne)
BMJ/Antonio Nedic
Die politischen Verhandlungen seien nicht einfach, sagte Zadic (bis auf Ressortfotografen waren keine weiteren anwesend)

Nach Zadic hielt Altbundespräsident Fischer ein Plädoyer für die Umsetzung des Expertenberichts. Dieser sei nicht nur „umfassend und ausgewogen“, sondern könne auf einen breiten Kompromiss innerhalb der Justiz aufbauen. In den vergangenen Jahren habe es bereits öfters Debatten über die Stellung von Staatsanwälten gegeben, etwa als man diese als „Organe der Gerichtsbarkeit“ in die Verfassung schrieb. Nun diskutiere man über das Weisungsrecht, und das aus seiner Sicht zu Recht. Denn die Entwicklung auf diesem Gebiet habe eine „eindeutige Tendenz“ gegen ministerielle Weisungen. Der Zustand in Österreich mit der Ministerin als Weisungsspitze sei eine „Minderheitenposition“.

Im selben Atemzug merkte der frühere Präsident und SPÖ-Politiker allerdings auch an, dass die Frage nach der Art und Weise, wie die Generalstaatsanwaltschaft eingerichtet wird, schwierig sei. Vehement sprach er sich aber gegen ein Bestellprinzip aus, das jenem der Rechnungshof-Präsidentin ähnelt. Sollte dem Nationalrat nämlich die Kompetenz zufallen, die Weisungsspitze mit zum Beispiel einer Zweidrittelmehrheit zu beschließen, bestehe die Gefahr, dass es zu einem politischen Tauziehen und zu gegenseitigen Absprachen führe. Im Expertenpapier werden dafür ohnehin Personalsenate vorgesehen.

VfGH-Mitglied setzt Kontrapunkt

Noch während des Vortrags von Fischer setzte das langjährige Mitglied des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), Johannes Schnizer, einen der wenigen Kontrapunkte. Aus dem Publikum heraus sagte er, dass an der Spitze ein monokratisches Organ stehen müsste und eben nicht das kollegiale System, das etwa von Zadic, Fischer und der Arbeitsgruppe präferiert wird. Die Person der Weisungsspitze müsse dem Parlament verantwortlich sein und von diesem bestellt werden. „Demokratie ist politisch“, sagte der Verfassungsrichter, somit seien auch Bestellungen politisch. Die Distanz zur Parteipolitik müsse aber gewährleistet sein.

Wie Schnizer führte die ÖVP in der Vergangenheit die Frage nach der Ausgestaltung der Weisungsspitze und die parlamentarische Kontrolle ins Treffen. Die Kontrolle durch das Parlament sei unabdingbar, sagte Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) im September 2022. An der Weisungshierarchie müsse eine einzelne Person stehen, die dem Parlament verantwortlich ist – was für die laufenden Kontrolle, die Bestellung und die Abberufung zu gelten habe. Die ÖVP verlangt ein verstärktes Recht, die Generalstaatsanwaltschaft zu kontrollieren.

Moderatorin Hannelore Veit, Martin Kreutner, Elisabeth Lovrek, Cornelia Koller, Clemens Jabloner, Teresa Exenberger
ORF/Jürgen Klatzer
Die Abschlussrunde war sich einig: Die ministerielle Weisungsspitze soll der Vergangenheit angehören

„Deinen Standpunkt kenne ich schon lange“, antworte Fischer auf Schnizers Ausführungen. „Vor gut zehn Jahren habe ich mir auch ein monokratisches System vorstellen können, aber wir haben einiges dazugelernt“, sagte Fischer. Ähnlich argumentierte der frühere Justizminister Clemens Jabloner. Wie „fast alle Verfassungsrechtler“ sei er ob der Änderungen skeptisch gewesen. Will man aber heute noch eine monokratische Struktur, „dann kann man es auch gleich beim jetzigen System belassen“, meinte der Jurist.

Staatsanwältin Maschl-Clausen beschrieb anschließend das System der europäischen Staatsanwaltschaft. Dieses besteht aus Kammern und ähnelt somit den Vorstellungen von Zadic. Zu Beginn sei auch ein monokratisches System vorgesehen gewesen. Die Entscheidung, auf ein kollegiales System zu bauen, habe sich aber bewährt. „Es gibt kein Weisungsrecht und keinen Weisungszug, aber eine Verantwortlichkeit, eine Rechenschaftspflicht gegenüber den Institutionen“, sagte Maschl-Clausen, ohne auf die geplante Generalstaatsanwaltschaft einzugehen.

Minister manchmal „gelähmt“

In der Abschlussdiskussion waren sich alle einig, dass die derzeitige Weisungsspitze mit der Justizministerin (und mit dem Weisungsrat als beratendem Gremium) ein Auslaufmodell sein müsse. Der Ressortchef bzw. die Ressortchefin sei durch die „Anscheinsproblematik“ (Recht, jedes Verfahren per Weisung zu beeinflussen bzw. einzustellen, Anm.) manchmal „gelähmt“, hielt die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, Elisabeth Lovrek, fest. Der Minister bzw. die Ministerin traue sich dann nicht mehr, wirklich einzugreifen – auch wenn das angebracht wäre.

Ingrid Maschl-Clausen von der Europäischen Staatsanwaltschaft
ORF/Jürgen Klatzer
Maschl-Clausen erklärte dem Fachpublikum die Organisation der EU-Staatsanwaltschaft

Antikorruptionsexperte Martin Kreutner stimmte den Aussagen von Lovrek zu. Es sei für die Ressortspitze immer ein Drahtseilakt, wenn es um Weisungen geht. „In heiklen Fällen wird sich niemand trauen, den Staatsanwaltschaften zu sagen, was zu tun ist“, so Kreutner, der diese Entscheidungen besser bei einer fachlich versierten Weisungsspitze aufgehoben sieht. Ein monokratisches System sei aus der Zeit gefallen und entspreche nicht mehr dem Stand der Forschung.

Ebenfalls für ein Ende des ministeriellen Weisungsrechts plädierte die Präsidentin der Staatsanwältevereinigung, Cornelia Koller. „Erst die Möglichkeit, dass die Weisungsspitze politisch angebunden ist, gibt die Möglichkeit, uns politisch anzugreifen“, argumentierte Koller mit früheren Angriffen auf Staatsanwälte. Teresa Exenberger von Amnesty International pochte auf die Unabhängigkeit der Weisungsspitze, um jeden Anschein der Befangenheit ausschließen zu können.

Wann mit dem einem ersten Gesetzesentwurf zu rechnen ist, ließ Zadic bei der Veranstaltung weitgehend offen. Aus „parteipolitischen Überlegungen hinaus werde ich sicher keinen einfachen Weg gehen“, sagte die Ministerin. Wenn es um einen Justizreform geht, müsse man sich auch genug Zeit nehmen. Die Legislaturperiode endet im Herbst 2024.