Rote Spielfigur vor SPÖ Logo
ORF.at/Peter Pfeiffer
SPÖ-Parteitag

Hoffnung auf einenden Sieger

Wer wird künftig die SPÖ leiten und der nächste Kanzlerkandidat der Partei? Diese Frage beschäftigt die Sozialdemokraten seit Wochen. Am Samstag ist es so weit: Bei einer Kampfabstimmung mit Präsentationsmöglichkeit für die beiden Kandidaten – den burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil und den Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler – soll das Ergebnis die Partei wieder einen.

Dort, wo 2017 Sebastian Kurz erstmals zum ÖVP-Obmann gewählt wurde, erhofft sich auch die SPÖ, endlich Klarheit an der Führungsspitze der Partei zu schaffen: Das Linzer Design Center ist Austragungsort des außerordentlichen SPÖ-Bundesparteitags, bei dem sich Doskozil und Babler der Entscheidung von 608 Delegierten stellen müssen – eine Pattstellung mit gleich vielen Stimmen wäre damit möglich.

Eigentlich wären es 609 Delegierte, da aber die scheidende Parteichefin Pamela Rendi-Wagner angekündigt hat, dem Parteitag fernzubleiben, reduziert sich die Anzahl auf 608. Im Falle eines Patts soll es laut SPÖ-Statut zu einer Stichwahl kommen. Ergibt dieser weitere Wahlgang ebenfalls Stimmengleichheit, entscheidet das Los.

Doskozil, der scharfe Kritiker

Doskozil und Babler werden am Samstag jedenfalls gleichberechtigt die Chance zur Präsentation ihrer Ideen erhalten. Im Anschluss der jeweils 45-minütigen Reden ist eine Debatte vorgesehen. Knapp, aber doch gewann Doskozil mit 33,68 Prozent (36.019 Stimmen) die dem Parteitag vorhergehende Mitgliederbefragung am 22. Mai vor Babler (31,51 Prozent, 33.703 Stimmen) und Rendi-Wagner (31,35 Prozent, 33.528 Stimmen), die sich anschließend selbst aus dem Rennen nahm. Doch noch ist nichts gewonnen.

Gerüchte oder Erwartungen, Doskozil sei in der Partei für Höheres bestimmt, gibt es tatsächlich schon seit 2015. Damals war der Burgenländer als Landespolizeidirektor während der Flüchtlingskrise im Einsatz und wurde für sein Krisenmanagement bei der Tragödie in Parndorf und an der Grenze in Nickelsdorf gelobt.

Grafik zu den Kandidaten für den SPÖ-Vorsitz
Grafik: APA/ORF

Seit Amtsantritt Rendi-Wagners war er in der Rolle des Landeshauptmanns im Burgenland als ihr scharfer Kritiker aufgetreten, hatte die direkte Konfrontation etwa beim vergangenen Parteitag aber gescheut. Dass der 52-Jährige im Streit die Bundesgremien verlassen hat, kam weder bei Basis noch beim Establishment gut an. Mit seinem in der Zuwanderungspolitik ÖVP und FPÖ nicht unähnlichen Kurs hat er die Parteilinke vergrämt. Ändern könnten das personelle Schachzüge.

Beliebter SPÖ-Kurs im Burgenland

Der Landeshauptmann hat im Burgenland, das er seit seinem Landtagswahltriumph 2020 absolut regiert, bisher eine sehr eigenständige Politik gefahren: Die Anstellung pflegender Angehöriger durch das Land, eine Offensive zum Kauf von Wohneigentum sind dort seine Steckenpferde. Doskozil steht außerdem für einen gesetzlichen Mindestlohn ein. Dass er die Arbeitszeitverkürzung mit Blick auf den Arbeitskräftemangel ablehnt, ist offen gegen die Parteilinie.

Hans Peter Doskozil
APA/Roland Schlager
Doskozil war nie zufrieden mit Rendi-Wagner. Er war es auch, der ihren Chefinnensessel endgültig zum Wackeln gebracht hatte.

Der gelernte Polizist und studierte Jurist hat sich als Politiker, der die Menschen versteht, im Burgenland erfolgreich inszeniert. Dazwischen wurde er von Altkanzler Werner Faymann (SPÖ) als Verteidigungsminister in die Regierung geholt. Organisiert wird Doskozils Politik von einem kleinen Kreis Vertrauter.

Beraten wird er wirtschaftlich etwa von Altkanzler Christian Kern (SPÖ), kulturell von Entertainer Alfons Haider. Doskozil ist verheiratet und hat aus einer früheren Beziehung zwei Kinder. Seine Stimmprobleme, die er nach mehreren Kehlkopfoperationen hat, sind auffällig, aber auch Markenzeichen. Sollte Doskozil die Abstimmung gewinnen, werde er sich um die „nötige Einheit“ innerhalb der Partei bemühen, hielt der Landeshauptmann am Donnerstag auf seiner Facebook-Seite fest. Nur so könne die Sozialdemokratie Wahlen gewinnen: „Die Chancen waren noch nie so groß wie jetzt.“

Babler, erfolgreicher Außenseiter

Interessanterweise ist Doskozil nicht der Einzige, der während der Flüchtlingskrise 2015 in der Öffentlichkeit in aller Munde war – der Traiskirchner Stadtchef Babler kann hier auf Augenhöhe mitreden, wenn auch seine Haltung mehr links orientiert ist als jene Doskozils. In Traiskirchen befindet sich Österreichs größte Erstaufnahmestelle für Asylsuchende, die nicht nur einmal komplett überfüllt war.

Die Außenseiterrolle bei der Mitgliederbefragung hat Babler nicht geschadet, bekam er doch sogar mehr Stimmen als die scheidende Parteichefin. Auch er ritt als Bürgermeister Attacken gegen die Parteispitze, jedoch unabhängig von deren Vorsitz. Dass er jetzt die Partei einen will, kontrastiert dazu scharf.

Andreas Babler
APA/Roland Schlager
Erfolgreicher Bürgermeister, erfolgreicher Parteichef? Babler will nichts unversucht lassen.

Für Aufsehen sorgte, dass sich der 50-Jährige vergangene Woche als Marxisten bezeichnet hatte, und sein Sager in einem Podcast vor drei Jahren, dass er „die EU nicht leiwand“ findet, was harsche Kritik, etwa von Politologen und SPÖ-Kenner Anton Pelinka, auslöste. „Es ist peinlich: So einer bewirbt sich um den Vorsitz in der SPÖ. Es ist darüber hinaus geschichtsvergessen, naiv, unpolitisch und kindisch“, so Pelinka zur APA. „Er plappert da irgendwas dahin. Eine Blödheit.“ Er könne Babler nur im Sinne Bruno Kreiskys mitgeben: „Lernen Sie Geschichte, Herr Bürgermeister.“ Babler erklärte anschließend, er habe als unmittelbar betroffener Bürgermeister gesprochen und kritisiere das fehlende gemeinsame Migrationsmanagement der EU, sei aber pro EU.

Arbeitszeitverkürzung als Steckenpferd

Über 70 Prozent der Stimmen konnte Babler bei der vergangenen Gemeinderatswahl einsammeln, und spätestens seither war die Linke in der Partei überzeugt, dass man auch mit ihrem Programm Wahlen gewinnen kann. Leicht angekratzt galt sein Image, als er kurzzeitig einen Doppelbezug als Gemeindeangestellter und Stadtchef erhalten hatte. Babler erklärte das später damit, dass eine Auflösung seines Dienstverhältnisses als Angestellter der Gemeinde bereits auf Schiene sei. Gelernt hat Babler daraus und spendet nun sein Gehalt als Bundesrat.

Bablers Programm für den Vorsitz ist breit. Kernpunkt und Gegenpart zu Doskozil ist die Arbeitszeitverkürzung. Doch auch einen milliardenschweren Klimaschwerpunkt würde er setzen wollen, das Land mit Gemeindebauten überziehen und die Vermögenden steuerlich stärker zur Kasse bitten. In der Flüchtlingspolitik bleibt Babler zwar vage, aber wofür er grundsätzlich steht, ist bekannt: eine humane Asylpolitik.

Der Gemeindepolitiker hat eine Lehre zum Maschinenschlosser begonnen, in einer Fabrik gearbeitet und spricht in Reden häufig schwierige Alltagssituationen von Arbeiterinnen und Arbeitern an, das mit leichtem Dialekt. Sein politischer Ursprung ist die Sozialistische Jugend. Er tritt meistens in legerer Kleidung auf und ist Fan des Hamburger Kultfußballclubs FC St. Pauli. Babler ist verheiratet und Vater einer Tochter.

Wien lässt sich Optionen offen

Babler wird unter anderem vermutlich von Teilen der Wiener SPÖ unterstützt, nachdem Rendi-Wagner ihren Rückzug bekanntgegeben hatte, allerdings traf Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am Dienstag auf Doskozil und ließ offen, wen Wien wählen wird – mehr dazu in wien.ORF.at.

Die Wiener SPÖ stellt jedenfalls die größte Delegiertengruppe. Doskozil aber gilt der größte Teil der Stimmen aus der Heimat Bablers, nämlich Niederösterreich, sicher. Dazu kann er sich zu annähernd zu 100 Prozent auf die Delegierten aus dem Burgenland verlassen, und auch die steirischen Delegierten sollen deutlich zu ihm tendieren.

Gewerkschaftsstimmen könnten Ausschlag geben

Entscheidend könnte letztlich das Stimmverhalten der Gewerkschaften sein. Während die ebenfalls zahlenmäßig stark vertretene Frauenorganisation, ursprünglich Rendi-Wagner-Unterstützerinnen, mehrheitlich wohl Babler wählen wird, dürfte es bei den Gewerkschaftern knapper zwischen den Kandidaten zugehen. Einen relevanten Teil von ihnen sollte Doskozil lukrieren, will er den Sieg einfahren.

Die Bundes-SPÖ hielt übrigens zuletzt 2008 einen Parteitag im Design Center in Linz. Es wurde Werner Faymann mit 98,4 Prozent erstmals zum Parteivorsitzenden gekürt. Ein ähnlich eindeutiges Ergebnis zeichnet sich für Samstag nicht ab.