brennender Krater in Karakum, Turkmenistan
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Deal mit Turkmenistan

USA wollen „kolossale“ Methanlecks stoppen

Laut Enthüllungen des „Guardian“ hat das zentralasiatische Land Turkmenistan 2022 einen Rekord aufgestellt: 184-mal verursachte es „kolossale“ Methanlecks, die die Umwelt so stark schädigen wie die Emissionen von 67 Millionen Autos. Um die Klimaziele nicht zu gefährden, wollen die USA Berichten zufolge ein Abkommen zur Methanreduktion verhandeln. Durch die Kooperation würden wohl nicht nur das Klima, sondern auch die USA selbst profitieren – denn Turkmenistans Erdgasvorkommen haben zuletzt zunehmend an Bedeutung gewonnen.

Allein die beiden wichtigsten fossilen Brennstofffelder Turkmenistans hätten im Jahr 2022 Emissionen freigesetzt, die 366 Mio. Tonnen CO2 entsprechen, so der „Guardian“ unter Berufung auf Satellitendaten der französischen Firma Kayrros. Das sei mehr als die jährlichen Emissionen des gesamten Vereinigten Königreichs.

Die Folgen für die globale Erwärmung sind weitreichend: Methanemissionen sind für rund ein Viertel der globalen Erwärmung verantwortlich. Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, müssen sie laut Weltklimarat (IPCC) bis 2030 um etwa ein Drittel im Vergleich zu den derzeitigen reduziert werden. Die Emissionen des Gases seien „irrsinnig“ und ein „äußerst ärgerliches“ Problem, das eigentlich leicht zu beheben sein sollte, so Fachleute.

Beseitigung der Leckagen „schnelle“ Methode

Mehrere Forschungsergebnisse würden laut „Guardian“ darauf hindeuten, dass die Umstellung vom Abfackeln auf das Ablassen von Methan die Ursache für einige der „gewaltigen Ausströmungen“ sein könnte. Beim Abfackeln wird unerwünschtes Gas verbrannt, wodurch CO2 in die Atmosphäre gelangt – was man jedoch an der Gasfackel erkennen kann.

Beim Ablassen gelangt unsichtbares Methan unverbrannt in die Luft, was schwer erkennbar ist. Zudem sind die Emissionen über einen Zeitraum von 20 Jahren 80-mal klimaschädlicher als die gleiche Menge CO2. Die schnellste, einfachste und billigste Möglichkeit, die Methanemissionen zu verringern, bestehe darin, die Leckagen aus den Lagerstätten fossiler Brennstoffe zu beseitigen, so der „Guardian“.

Forschende hätten bereits aufgezeigt, dass durch die Reparatur von nur 29 Anlagen Methanlecks gestoppt werden könnten, die eine ähnliche Auswirkung auf die globale Erwärmung hätten wie die jährlichen Emissionen aller Autos in Alabama, so auch die Finanznachrichtenagentur Bloomberg.

Satellitenaufnahme der Gaslecks
APA/AFP/NASA/JPL-Caltech
Satellitenaufnahme zeigen die Gaslecks in Turkmenistan

USA sehen „Möglichkeit der Zusammenarbeit“

In den USA hat das Thema bereits eine politische Dimension erreicht. John Kerry, US-Sonderbeauftragter für Klimafragen, sprach Anfang der Woche mit dem Präsidenten Turkmenistans, Serdar Berdimuhamedow. Das turkmenische Außenministerium berichtete von einem „Meinungsaustausch“ und erklärte, dass konsequent an der Einführung umweltfreundlicher Technologien gearbeitet werde. Zwischen 2019 und 2022 hätten sich die Methanemissionen Turkmenistans allerdings kaum verändert, so der „Guardian“.

Bereits im April war US-Außenminister Antony Blinken in Washington mit Außenminister Raschid Meredow zusammengetroffen. Die Reduktion von Methanemissionen sei für die Bekämpfung der Klimakrise „von entscheidender Bedeutung“, dabei sprach er sich für „Möglichkeiten der Zusammenarbeit“ aus.

Erste Ergebnisse bis zur COP28 geplant

Gemeinsam werde man eine Arbeitsgruppe zur Methanreduzierung bilden und sich bemühen, bis zur UNO-Klimakonferenz (COP28) im November „Ergebnisse zur Verringerung der Methanemissionen vorzulegen“, heißt es in einer Erklärung der USA. Beamte beider Länder würden Gespräche über ein Abkommen führen, wonach die USA den zentralasiatischen Staat mit „finanzieller Unterstützung und Fachwissen“ unterstützen würden, zitierte Bloomberg Beamte des US-Außenministeriums und „mit den Verhandlungen vertraute Personen“.

Die Arbeiten an den Pilotstandorten könnten bis Ende des Jahres aufgenommen werden, und die Behebung der Lecks könnte dazu beitragen, mindestens drei Prozent der erforderlichen Emissionsreduzierungen zu erreichen, so die US-Beamten.

Person steht vor einem brennenden Krater in Karakum, Turkmenistan
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Eine Person vor einem brennenden Krater in Karakum, Turkmenistan

„Gas aus dem Boden zu pumpen und sofort in die Luft zu entlassen ist ungefähr so clever, wie ein Auto über eine Klippe zu fahren“, sagte Euan Nisbet von der Royal Holloway University of London, Mitglied des wissenschaftlichen Aufsichtsausschusses der Internationalen Beobachtungsstelle für Methanemissionen (IMEO) der UNO, gegenüber dem „Guardian“. Wenn die USA Turkmenistan helfen könnten, die Methanemissionen rasch zu senken, stünde Kerry daher „viel Anerkennung“ zu.

Skepsis gegenüber ausländischen Hilfsangeboten

Sollte tatsächlich ein Deal mit Turkmenistan verabschiedet werden, sehen Medien einerseits einen „wichtigen Durchbruch im globalen Kampf gegen den Klimawandel“, andererseits aber auch einen diplomatischen Coup für den US-amerikanischen Präsidenten Joe Biden. Denn die riesigen Erdgasvorkommen Turkmenistans haben zuletzt durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine weiter an Wert gewonnen.

Im Fall einer Einigung mit den USA könnte Turkmenistan bis zu 5,8 Milliarden Kubikmeter Gas zurückgewinnen, was wohl auch für die weltweite Versorgung Folgen hätte. Und auch die US-amerikanischen Ölfelddienstleister Halliburton Co. und SLB würden vermutlich durch eine Beteiligung an der Suche nach Lecks und dem Austausch von Ausrüstung profitieren. Die US-Export-Import-Bank sei eine mögliche Finanzierungsquelle, so Bloomberg.

Gasaufbereitungsanlage in der Provinz Lebap in Turkmenistan
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Eine Gasaufbereitungsanlage in der Provinz Lebap in Turkmenistan

Modell für andere Abkommen?

Sollte es tatsächlich zu dem Pakt zwischen den Ländern kommen, so könnte die Einigung zudem als Modell für maßgeschneiderte Abkommen dienen, die sich auf Methan konzentrieren. Auch andere Länder wie Algerien könnten dazu verleitet werden, dem Beispiel zu folgen, zitierte Bloomberg Jonathan Banks, Direktor für die Vermeidung von Methanverschmutzung bei der Clean Air Task Force. „Das schürt ein wenig das Feuer, um Länder dazu zu bringen, sich in dieser Sache zu bewegen“, so Banks.

„Die Verringerung der Methanemissionen ist der Schlüssel zum Erreichen des Ziels des Pariser Abkommens“, sagte auch Manfredi Caltagirone, Leiter der UNO-Umweltprogramms IMEO, gegenüber dem „Guardian“. „Turkmenistan ist ein wichtiges Schwerpunktland für globale Maßnahmen gegen Methanemissionen, aber das sind auch andere große Emittenten wie Russland, die USA, Iran, Irak, China, Libyen, Algerien, Venezuela und Kanada.“

„Geopolitisch schwieriges Ziel“

Mit Blick auf das Einsparpotenzial der Emissionen sei Turkmenistan ein logisches, aber gleichzeitig geopolitisch schwieriges Ziel für eine Kooperation, so Bloomberg. Denn das Regime der Familie Berdimuhamedow unterhalte nur wenige diplomatische Beziehungen zur Außenwelt und stehe ausländischen Hilfsangeboten misstrauisch gegenüber.

Zudem unterhält die ehemalige Sowjetrepublik enge Beziehungen nach China: Peking gilt als einer der wichtigsten Gönner des Landes und ist größter Abnehmer für turkmenisches Gas. Das turkmenische Außenministerium reagierte Bloomberg zufolge nicht auf eine Anfrage, in der um eine Stellungnahme zu den US-Gesprächen gebeten wurde.