Aktivisten: Schüsse auf Demonstranten im Iran

Bei neuen Protesten in der iranischen Kurdenregion haben Sicherheitskräfte das Feuer auf Demonstrantinnen und Demonstranten eröffnet, wie Aktivisten berichteten. Mindestens 25 Protestteilnehmende seien verletzt worden, wie die in Norwegen ansässige Organisation Hengaw heute mitteilte. Die Proteste fanden in der Stadt Abdanan in der Provinz Ilam statt. Die Berichte ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Auf Videos der Menschenrechtsorganisation waren Polizeiwagen, Rauch und Menschen zu sehen, die Protestslogans riefen. Es war die erste größere bekanntgewordene Eskalation zwischen Sicherheitskräften und Demonstrierenden seit Monaten. Nach der Protestwelle im Herbst, ausgelöst vom Tod der jungen iranischen Kurdin Mahsa Amini, war in den vergangenen Monaten zunehmend Alltag eingekehrt.

Amini wurde Mitte September wegen angeblicher Verstöße gegen die islamischen Kleidungsregeln festgenommen und starb in Polizeigewahrsam, enorme Proteste folgten. Der Staat reagierte mit äußerster Härte und ließ inzwischen sieben Protestteilnehmer hinrichten. In den Metropolen leisten viele Frauen zivilen Ungehorsam, etwa durch das Ignorieren der Kopftuchpflicht. Inzwischen kontrollieren die Behörden die Kopftuchpflicht mit Videoüberwachung.

Mehr als 300 Hinrichtungen heuer

Die Menschenrechtslage im Iran bleibt prekär. Einer Menschenrechtsorganisation zufolge wurden seit Beginn des Jahres mehr als 300 Menschen hingerichtet. Mindestens 142 von ihnen seien allein im Mai exekutiert worden, so die ebenfalls in Norwegen ansässige Organisation Iran Human Rights (IHR). So viele Hinrichtungen in einem Monat habe es seit 2015 nicht mehr gegeben. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International kritisieren unter anderem undurchsichtige Verfahren und häufig durch Folter erzwungene Geständnisse, die zu den Todesstrafen führen.

Die Gesamtzahl der im Zusammenhang mit den Protesten Hingerichteten liegt mittlerweile bei sieben Menschen. „Die Intensivierung willkürlicher Hinrichtungen durch die Islamische Republik soll Angst in der Gesellschaft schüren, um Proteste zu verhindern“, und die Herrschaft der Führung in Teheran verlängern, sagte Mahmud Amiry-Moghaddam, der Direktor der Organisation IHR.

Kritik an Gefangenenaustausch

Kritik von NGOs gibt es auch in Zusammenhang mit dem Gefangenenaustausch, den der Iran im Mai mit Belgien durchführte. Dabei wurde der Belgier Olivier Vandecasteele gegen den wegen Terrorismus verurteilten iranischen Diplomaten Asadollah Assadi getauscht. Assadi soll einen – letztlich vereitelten – Anschlag auf eine Versammlung von Exiliranern bei Paris im Jahr 2018 geplant haben. Er war damals als Diplomat an der iranischen Botschaft Wien stationiert. Der Mann wurde im Juli 2018 in Deutschland verhaftet und nach Belgien überstellt. Er wurde dort im Mai 2021 rechtskräftig zu 20 Jahren Haft verurteilt. Vandecasteele, Mitarbeiter einer Hilfsorganisation, wurde 2022 wegen Spionagevorwürfen festgenommenen.

„Das Kapitulieren des belgischen Staates gegenüber den Erpressungsversuchen der Islamischen Republik Iran (IRI) macht ihre eklatantesten Menschenrechtsverletzungen straffrei“, so die zwei in Österreich ansässigen Exilgruppen „Komitee zur Verteidigung der Menschenrechte im Iran, Österreich“ sowie „Medical Professionals for Human Rights in Iran – Austria“ in einer Aussendung.