Die zentrale Frage ist, ob und wie Doskozil jene fast 47 Prozent der Delegierten (bzw. zwei Drittel der SPÖ-Parteimitglieder – diese hatten ja bei der Befragung für Babler bzw. Ex-Chefin Pamela Rendi-Wagner votiert) davon überzeugen kann, dass seine Ansätze die richtigen sind, um die Partei regierungsfähig bzw. – wie von vielen in der SPÖ erhofft – zu einer Kanzlerpartei zu machen. Konkret geht es vor allem um die Wiener SPÖ, die SPÖ-Frauen, die Gewerkschaft und die Parteijugend.
Das Shakehands und die Umarmung zwischen Doskozil und Babler bei Doskozils Siegesrede könne nur ein erster symbolischer Schritt gewesen sein, da waren sich viele Anwesende einig. Und dazu kommt noch der Auftritt Bablers in den letzten Wochen und auch beim Parteitag, der – wie sich ebendort auch zeigte – von vielen Beobachterinnen und Beobachtern als weit mitreißender empfunden wurde als Doskozils pragmatische Rede. Später in seiner Siegesrede lieferte Doskozil immerhin Ansagen – auch in Richtung Babler-Lager.
Koalitionsabsage an FPÖ und an ÖVP
Doskozil zeigte sich da „überwältigt“ und bezeichnete es als „Lebenstraum, an der Spitze der Sozialdemokratie stehen zu dürfen“. Dann lieferte er Hinweise, dass er es auf einen Lagerwahlkampf anlegen wird: Einerseits schloss er die FPÖ klar als Koalitionspartner aus („Es wird, sollten wir die Wahl gewinnen, möglicherweise Erster werden, es wird keine Koalition mit der Freiheitlichen Partei geben“). Die FPÖ habe die Bevölkerung gespalten, ob bei Asyl oder Corona („Das geht sich nicht aus“).
Hohe Erwartungen an neuen SPÖ-Chef
Die Partei einen, Wahlen gewinnen, die SPÖ wieder in Regierungsverantwortung bringen. Das erwarten die rote Basis und die Parteiprominenz nun. Die Babler-Unterstützer wünschen sich auch eine stärkere Einbindung des Traiskirchner Bürgermeisters.
Aber auch für die Volkspartei gab es eine Absage. „Auch das will ich in Angriff nehmen: Keine Koalition mit der ÖVP.“ Er habe diese im Burgenland und im Bund erlebt, sie sei mit allen Tricksereien immer nur am Machterhalt interessiert. „Wir öffnen ihnen jetzt nicht mehr die Tür. Wir müssen so stark werden, dass wir diese Dreierkoalition (SPÖ, Grüne und NEOS, Anm.) schaffen“, sagte er. Kritik an Doskozils Absage in Richtung ÖVP kam von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und Vorarlbergs SPÖ-Chefin Gabriele Sprickler-Falschlunger.
Babler als fairer Verlierer
Babler zeigte sich als fairer Verlierer. Er sei Demokrat und akzeptiere das Ergebnis natürlich, meinte er im Gespräch mit Journalisten. Er werde der Partei auch in Zukunft überall zur Verfügung stehen, wie er es in den vergangenen 35 Jahren gehalten habe. An die mit der Mitgliederbefragung neu eingetretenen Mitglieder, die zum Großteil ihn unterstützt haben dürften, appellierte der Traiskirchner Bürgermeister, sich weiter in der Partei zu engagieren.
Die Reden der Kandidaten
Die Reden der Kandidaten sind in voller Länge in der TVthek abrufbar.
Der Wahlgang hatte rund eine Stunde in Anspruch genommen. Davor waren die jeweils 45-minütigen Reden der beiden Anwärter auf den Vorsitz mit großem Beifall und teils Standing Ovations aufgenommen worden.
Besonders Babler gelang es, mit einer pathetischen, lautstark vorgetragenen Rede die Delegierten zu begeistern. Beide referierten noch einmal ihre aus der Kampagne zur Mitgliederbefragung bekannten Positionen und versuchten gezielt, vor allem Gewerkschafter und Frauen zu adressieren.
Rendi-Wagner-Abschied per Video
Die bisherige Amtsinhaberin hatte infolge von Platz drei bei einer Mitgliederbefragung ihren Rückzug erklärt. Sie war am Parteitag nicht anwesend, die Delegierten bedankten sich jedoch mit kräftigem Applaus bei ihr. Rendi-Wagner verabschiedete sich über ein Facebook-Posting, in dem sie noch einmal indirekt ihre Demontage beklagte. Dem neuen Vorsitzenden wünschte sie „Kraft“ für dessen Aufgabe und der SPÖ, zur führenden politischen Kraft im Land zu werden.
Als dritter Anwärter auf den Chefsessel hatte sich das „einfache“ Parteimitglied Berthold Felber beworben. Wer ihn wählen wollte, musste die beiden anderen Namen auf dem Stimmzettel durchstreichen und Felbers Namen dazuschreiben. Laut SPÖ erhielt er allerdings keine Stimmen. Von insgesamt 609 Delegierten waren 603 am Parteitag anwesend.
Personelle Fragen zu klären
Geklärt werden müssen nun noch weitere personelle Fragen, hat doch Christian Deutsch mit dem Parteitag seinen Job als Bundesgeschäftsführer zurückgelegt. Die Nachfolge dürfte Anfang kommender Woche geklärt werden. Danach muss der Klub noch über einen neuen Vorsitz entscheiden, zieht sich doch Rendi-Wagner mit Ende des Monats auch aus dem Parlament zurück.