WIFO-Chef: Lohnentwicklung an Euro-Zonen-Schnitt binden

Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), Gabriel Felbermayr, ortet im Kampf gegen die hohe Inflation einen fehlenden „Stabilitätsanker“. So müsse man überlegen, „ob wir langfristig die Lohnentwicklung in Österreich an den Durchschnitt der Euro-Zone oder an Deutschland binden“, sagte Felbermayr in einem Interview mit der „Presse“. Lohnerhöhungen könnten nicht konstant höher sein, „weil bei uns die Produktivität auch nicht so viel höher ist“.

„Wir sind ja Gott sei Dank noch nicht in einer Griechenland-Situation, sondern haben noch viele Möglichkeiten umzusteuern. Man muss aber bedenken, dass sich die EZB um den Durchschnitt kümmert. Das ist ohnehin schon schwierig genug. Wir liegen aber noch mehr als 2,5 Prozentpunkte darüber. Diese Differenz müssen wir wegbekommen“, sagte Felbermayr. Dafür brauche es das Zusammenwirken aller konstruktiven Kräfte im Land.

Felbermayr sieht Wettbewerbsfähigkeit bedroht

Bliebe die Inflation so wie derzeit länger deutlich höher als in anderen Euro-Ländern, drohe Österreich an Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren, warnte Felbermayr einmal mehr. „Und da das ein schleichender Prozess ist, kann es leicht übersehen werden.“ Zudem sei es für Österreich ein neues Phänomen. Ein Problem seien auch die automatischen Preisanpassungen bei Mieten und vielen anderen Verträgen. „Wenn wir alle Preise immer mit der Inflation der vergangenen zwölf Monate indexieren, dann ist das Zwei-Prozent-Inflationsziel Geschichte“, so der Wirtschaftsforscher.

Felbermayr erinnerte an die Wirtschaftskrise in den südeuropäischen Ländern im vergangenen Jahrzehnt und deren Ursachen. „Diese hatten zwischen Mitte der 1990er Jahre und Ende der Nullerjahre konstant höhere Inflationsraten als der Durchschnitt der Euro-Zone. In einer Welt mit eigener Währung hätte das zu Abwertungen geführt. Durch den Euro geht das nicht mehr.“ Das treffe, so Felbermayr, vor allem die exportierende Industrie, aber auch den für Österreich wichtigen Tourismus.

SPÖ-Kritik an Vorschlag

SPÖ-Sozialsprecher und Gewerkschafter Josef Muchitsch erteilte Felbermayrs Vorschlag, sich bei den Lohnforderungen an der Euro-Zone zu orientieren, eine Absage. Dass die Inflation in Österreich um 44 Prozent höher liege als in Deutschland, liege daran, dass die Regierungsparteien ÖVP und Grüne nicht in die Preise eingegriffen hätten, so Muchitsch gegenüber der APA.

Nach aktuellsten Werten von Juni ist die Inflation in Österreich (zuletzt 8,7 Prozent, HVPI) um knapp 30 höher als in Deutschland (6,1 Prozent, Schnellschätzung).