Demonstration gegen den Kurs der rechtsgerichteten polnischen Regierung in Warschau
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Warschau

Massendemo gegen Polens PiS-Regierung

In Polen sind am Sonntag Hunderttausende Menschen gegen die Politik der nationalkonservativen Regierungspartei PiS auf die Straße gegangen. Dicht gedrängt zogen die Teilnehmer des Protestmarsches durch das Zentrum von Warschau. Die Demonstrierenden trugen Plakate mit der Aufschrift „Europa, wir entschuldigen uns für die PiS“, „Abrakadabra – weg ist das PiS-Makaber“ und „PiS ins Pissoir“.

Zum Protest aufgerufen hatte der frühere Regierungschef und EU-Ratschef und jetzige Oppositionsführer Donald Tusk von der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO). Aber auch andere Oppositionsparteien schlossen sich an. Regierungskritiker und -kritikerinnen aus dem ganzen Land waren mit Hunderten Bussen in die Hauptstadt gereist.

Auch der Friedensnobelpreisträger und der einstige Chef der Gewerkschaft Solidarnosc, Lech Walesa, nahm an der Demo teil. Die Organisatoren sprachen von der größten Demonstration seit dem Ende des Kommunismus im Jahr 1989. Laut Stadtverwaltung und den Veranstaltern nahmen rund eine halbe Million Menschen daran teil. Die Menschenmengen in der Innenstadt bildeten eine Schlange von mehr als eineinhalb Kilometern.

„Die Demokratie stirbt in der Stille“

Zwar hat sich das EU- und NATO-Land seit Beginn des russischen Angriffskrieges als verlässlicher Partner und Unterstützer der Ukraine erwiesen. Doch im Inneren sehen viele autoritäre Tendenzen bei der PiS-Regierung. Die Sorge um den Fortbestand der Demokratie wächst. Transparente mit der Aufschrift „Freies, europäisches Polen“ und „Europäische Union ja, PiS nein“ waren zu sehen.

Donald Tusk bei der Demonstration gegen den Kurs der rechtsgerichteten polnischen Regierung in Warschau
APA/AFP/Wojtek Radwanski
Zur Demo aufgerufen hatte Donald Tusk, Vorsitzender der größten Oppositionspartei und früherer EU-Ratspräsident

Einige zeigten Masken des PiS-Chefs Jaroslaw Kaczynski, auf denen das Wort „Schande“ stand. Die liberale Opposition hat die Kundgebung zum Test dafür erklärt, ob PiS nach fast acht Jahren an der Regierung noch in diesem Jahr abgewählt werden kann. „Die Demokratie stirbt in der Stille, aber Sie haben heute Ihre Stimme für die Demokratie erhoben, das Schweigen ist vorbei, wir werden schreien“, sagte Tusk.

Protest gegen polnische Regierung

In Warschau haben Hunderttausende Menschen gegen den Kurs der rechtsgerichteten polnischen Regierung protestiert. Die Organisatoren bzw. Organisatorinnen sprachen von der größten Demonstration seit dem Sturz des Kommunismus im Jahr 1989. Ein Sprecher der Veranstalter bezifferte unter Berufung auf Angaben der Stadtverwaltung die Teilnehmerzahl auf eine halbe Million.

„Eine halbe Million Menschen sind auf den Straßen Warschaus, das ist ein absoluter Rekord“, rief er zu der Menschenmenge, die den Schlossplatz in der Hauptstadt füllte. Er rief zur Einigkeit trotz politischer Differenzen in der Opposition auf und versprach einen Sieg bei den im Herbst geplanten Wahlen.

Datum mit großer Symbolkraft

Der 4. Juni ist in Polen ein Datum mit großer Symbolkraft: 1989 fanden an diesem Tag die ersten teilweise freien Wahlen statt. Während 65 Prozent der Mandate für die kommunistische Partei reserviert waren, konnten die Wähler über den Rest der Abgeordneten frei entscheiden – es wurde ein Triumph der Demokratiebewegung und der Gewerkschaft Solidarnosc. Die Wahlen in Polen leiteten zugleich den Beginn des politischen Wandels in Europa bis zum Fall der Mauer ein.

180-Grad-Panorama-Bild von der Demonstration gegen den Kurs der rechtsgerichteten polnischen Regierung in Warschau
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180-Grad-Panorama von der Versammlung in der Warschauer Altstadt

Im Herbst steht in Polen die nächste Parlamentswahl an, und viele befürchten, dass sich die seit 2015 regierenden Nationalkonservativen an die Macht klammern und die Weichen so stellen könnten, dass sie nach der Wahl nicht von der Opposition abgelöst werden können. Die Angst vor einer Wahlmanipulation hat die PiS gerade mit einem umstrittenen Gesetz befeuert, das von Präsident Andrzej Duda am Montag unterzeichnet wurde.

„Lex Tusk“

Das Gesetz sieht die Einsetzung einer Untersuchungskommission zur russischen Einflussnahme vor. Es scheint wie maßgeschneidert, um Oppositionsführer Tusk im Wahlkampf zu diskreditieren oder sogar aus dem politischen Leben zu verbannen. Polnische Medien sprechen von einer „Lex Tusk“ – einem auf Tusk zielenden Gesetz. Denn die Kommission soll prüfen, ob Amtsträger in den vergangenen 15 Jahren unter dem Einfluss Moskaus Entscheidungen getroffen haben, die die Sicherheit des Landes gefährden.

Tusk war von 2007 bis 2014 polnischer Regierungschef und gilt als schärfster politischer Gegner des mächtigen PiS-Chefs Kaczynski. Der 66-jährige aus der Ostseestadt Danzig pflegte enge Kontakte zur ehemaligen deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und versuchte auch, Polens Verhältnis zu Russland zu verbessern. Die PiS unterstellt ihm daher abwechselnd, er sei ein Lakai Deutschlands oder des Kreml.