Der neue SPÖ-Chef Hans Peter Doskozil im ZIB2-Interview
ORF
„Wählerwille“ zählt

Doskozil relativiert Koalitionsabsage an ÖVP

Nach der Kür von Hans Peter Doskozil zum neuen SPÖ-Chef stehen in der Partei große Entscheidungen an. Spannend wird, wie Doskozil die Partei personell neu aufstellt und welche Außenwirkung das hat. Und auch die viel beschworene Einigkeit zwischen den Lagern ist eine Baustelle für den neuen Chef. Die Absage an eine Koalition mit der ÖVP relativierte Doskozil im ZIB2-Interview wieder ein wenig: wenn es um die Verhinderung von Schwarz-Blau gehe, zähle der „Wählerwille“.

Nach der Ankündigung, die FPÖ auszuschließen und „in einem zweiten Schritt in Angriff zu nehmen“, keine Koalition mit der ÖVP einzugehen, sprach Doskozil in der ZIB2 von einem „bewussten Schritt aus seiner Komfortzone einer ‚Absoluten‘ im Burgenland heraus“. Er wolle die SPÖ an die Spitze führen, seine Vorstellung sei eine Koalition mit NEOS und den Grünen. Mit der Festlegung solle die Bevölkerung merken, dass er ein „berechenbarer Politiker“ sei.

Wenn es aber im Zuge der Sondierungsgespräche nach den Nationalratswahlen dann (angenommenerweise) darum gehe, etwa Schwarz-Blau zu verhindern und im Zuge dessen auch andere Koalitionen zu suchen (also etwa eine Koalition zwischen SPÖ und ÖVP), könne er sich „dem Wählerwillen natürlich nicht verwehren“, so Doskozil. Dennoch sei sein klares Ziel jedenfalls eine Dreierkoalition.

Mitgliederbefragung zu Regierungsübereinkommen

Gefragt zu den unterschiedlichen Sichtweisen auf Themen innerhalb der Partei hielt Doskozil fest, dass die Mitgliederbefragung etabliert werden solle. Etwa solle auch ein künftiges Regierungsübereinkommen („dort sind ja viele Themen drinnen“) einer solchen Befragung unterzogen werden soll. Parteigremien dürften hiermit aber nicht übergangen werden, so Doskozil.

Doskozil über seine Pläne für die SPÖ

Der neue SPÖ-Bundesparteivorsitzende Hans Peter Doskozil spricht im ZIB2-Studio über seine Pläne und Visionen für die Sozialdemokratie und darüber, wie er die Parteilager versöhnen will.

In der SPÖ hatte Doskozils Quasi-Absage an die ÖVP zu unterschiedlichen Reaktionen geführt. Während SPÖ-Frauenchefin Eva-Maria Holzleitner diese Linie angesichts der frauenpolitischen Positionen der ÖVP-FPÖ-Koalitionen in den Ländern „nachvollziehen und auch unterstützen“ konnte, hatten sich der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig und die scheidende Vorarlberger Landesvorsitzende Gabriele Sprickler-Falschlunger skeptisch gezeigt.

„Massives Zugehen aufeinander“ nötig

In der ZIB2 betonte Doskozil einmal mehr seine Bemühungen, nach den Grabenkämpfen der vergangenen Wochen und Monate die Partei einen zu wollen. Es werde ein „massives Zugehen aufeinander“ nötig sein, so Doskozil. „Die Mitglieder wollen ein Miteinander“, meinte der SPÖ-Chef – jetzt liege es auch an ihm, dieses Miteinander „nicht nur plakativ“ wie beim Parteitag, sondern auch hinsichtlich Themen und Personen „zu leben“, so Doskozil.

Bezüglich Mindestlohn zeigte sich Doskozil zuversichtlich, in Gesprächen mit der Gewerkschaft eine Lösung finden. Wichtig sei ihm nicht die Frage, wie wir zum Mindestlohn kommen, sondern „dass wir zum Mindestlohn kommen“. Man müsse dabei „Vergangenes bis zu einem gewissen Grad hinter sich lassen“, so Doskozil. Nun sei ein „neues Kapitel aufgeschlagen worden“, er wolle die Hand ausstrecken.

Landeshauptmann bis zum Intensivwahlkampf

Zu neuen Personalien in der Partei wollte er nicht sagen, bis Mittwoch werde man Namen nennen können, sagte der neue SPÖ-Chef. Er habe schon eine Vorstellung, aber das sei noch „durchzubesprechen“, so Doskozil. „Einerseits mit Mitstreitern“, andererseits „weit in die Partei hinein“. Die Funktion des Landeshauptmanns im Burgenland wolle er – sollte regulär im Herbst 2024 gewählt werden – bis zum Beginn des Intensivwahlkampfs im kommenden Juli ausführen, so Doskozil. „Das geht sich beides aus.“

Dem Appell von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) an den neuen SPÖ-Chef, die Blockade von Regierungsvorhaben, die eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat erfordern, zu beenden, erteilte Doskozil eine Abfuhr. „Diese Koppelung bleibt mit Sicherheit.“ Er betonte zwar seine grundsätzliche Gesprächsbereitschaft, vermisste allerdings eine ernsthafte Einbindung der Sozialdemokratie bei den betreffenden Gesetzesvorhaben.

Antrittsbesuch in der Löwelstraße

Bereits am Montag wird Doskozil sich (nicht medienöffentlich) in der Parteizentrale in der Löwelstraße vorstellen. Anders als von der scheidenden SPÖ-Führung vorgesehen will er den Standort ja erhalten.

Die Reden der Kandidaten

Die Reden der Kandidaten sind in voller Länge in der TVthek abrufbar.

Zwei Tage davor hatte sich Doskozil beim Parteitag in Linz gegen Babler knapp durchgesetzt. Wie schon bei der Mitgliederbefragung wurden die unterschiedlichen Lager deutlich. Doskozil erhielt rund 53 Prozent der Delegiertenstimmen, Babler knapp 47 Prozent. Die scheidende Chefin, Pamela Rendi-Wagner, hatte sich bereits nach der Befragung aus dem Rennen genommen.

Schlüsselposten zu besetzen

Mit Rendi-Wagner hat auch Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch seinen Posten geräumt. Wer seine Nachfolge antritt, wird demnächst zentrales Thema sein. Als chancenreichster Anwärter wird der Steirer Max Lercher gehandelt – er hatte die Kampagne Doskozils zum Parteichef koordiniert und war auch schon unter dem ehemaligen Kanzler Christian Kern Bundesgeschäftsführer.

Auch im Klub braucht Doskozil eine Vertrauensperson – idealerweise ist diese auch unter den Abgeordneten respektiert, schließlich wird der Klubvorsitz geheim gewählt. Auch hier werden Lercher Chancen eingeräumt, doch könnte Doskozil mit der Personalauswahl dem Babler-Lager ein Zugeständnis machen. Julia Herr, die seit ihrer Zeit als SJ-Chefin als Talent gehandelt wird, gilt als chancenreich. Sie würde auch in die Wiener SPÖ hineinwirken, die ja Doskozil ins Boot holen muss.

Zugehen auf das Babler-Lager?

Herr hat sich nach dem Parteitag durchaus offen gezeigt, in führender Rolle mitzuwirken – aber nur dann, wenn das Doskozil-Lager auch auf Babler zugeht. Die zweite Person, die eine Alternative sein könnte, ist SPÖ-Frauen-Chefin Eva-Maria Holzleitner. Für Babler selbst scheint hingegen momentan kein Platz an der Parteispitze. Ihm könnte aber – so er überhaupt will – im kommenden Nationalratswahlkampf mit Blick auf die nächste Bundesregierung eine größere Rolle eingeräumt werden.

Andere haben sich als Unterstützer Doskozils in dessen Vorsitzkampagne verdient gemacht und können, wenn schon nicht auf Posten, auf mehr Gewicht hoffen. An erster Stelle steht da der stellvertretende Klubobmann und Gesundheitssprecher Philip Kucher, der gegebenenfalls auch für den Fraktionsvorsitz infrage käme. Aus der eigenen Landespartei als Zukunftshoffnung gilt Sportsprecher Maximilian Köllner.

„Im Zentrum“: SPÖ-Showdown: Neustart oder Untergang?

Der SPÖ-Parteitag am Samstag hat mit dem neuen Parteichef Hans Peter Doskozil auch eine Weichenstellung für die Zukunft gebracht. Wohin geht die SPÖ? Kehrt nun die vielzitierte Ruhe in der Partei ein? Knackpunkt für den neuen Chef ist die Frage, ob er die Unterstützer seines Gegners einbinden und hinter sich vereinen kann und ob er die Lager befrieden kann. Wie wird die Partei neu aufgestellt? Was bedeutet das für den SPÖ-Klub? Vor allem am Thema Migration scheiden sich die Geister. Wird hier eine einheitliche Linie gelingen? Wie wird die Frauenpolitik des künftigen SPÖ-Vorsitzenden aussehen? Das nächste Ziel ist ein Sieg bei der nächsten Nationalratswahl. Mit welcher Strategie kann das gelingen und geht der neue Parteichef auch tatsächlich als Spitzenkandidat in die nächste Nationalratswahl?

Eine Stimme fehlt

Unterdessen ist am Sonntag eine Panne bei der Transkription des Wahlergebnisses vom Sonderparteitag bekanntgeworden. So wurden laut Wahlkommission zwar 596 gültige Stimmen abgegeben. Addiert man das Ergebnis von Doskozil (316) und seinem Kontrahenten Babler (279), ergibt das allerdings nur 595 gültige Stimmen. Für den dritten Kandidaten der Vorsitzwahl Berthold Felber wurden null Stimmen ausgewiesen. Es sei zurzeit nicht feststellbar, wem die fehlende Stimme gehöre, so Leiterin Michaela Grubesa.