Andreas Babler und Hans Peter Doskozil
IMAGO/SEPA.Media
Babler statt Doskozil

SPÖ stolpert zum Vorsitzenden

Es sollte eigentlich der Abschluss einer langen Vorsitzsuche werden. Mehr als 600 Delegierte versammelten sich am Samstag in Linz, um den künftigen SPÖ-Chef zu küren. Am Ende erhielt Hans Peter Doskozil offiziell die meisten Stimmen. Doch am Montag wurde nochmals gezählt. Die Erkenntnis: Die Stimmen waren vertauscht gewesen. Der Wahlsieger ist nicht Doskozil, sondern Andreas Babler. Die SPÖ stolperte zum neuen Chef.

Die Groteske hatte am Montagnachmittag ihren Lauf genommen, als erste Gerüchte in Umlauf kamen, wonach bei einer Nachzählung Ungereimtheiten aufgefallen seien. Dass überhaupt noch einmal nachgezählt wurde, hängt damit zusammen, dass beim am Parteitag verkündeten Ergebnis eine Stimme gefehlt hatte. Selbst beim neuen Ergebnis sind längst nicht alle Fragen ausgeräumt.

Die Leiterin der SPÖ-Wahlkommission, Michaela Grubesa, beraumte am Montag kurzfristig einen Pressetermin ein und verkündete, dass man sich beim Befüllen einer Excel-Tabelle geirrt habe und die Babler-Stimmen Doskozil und umgekehrt zugeordnet hatte. Eine Nachprüfung am Parteitag habe es nicht gegeben, weil sie niemand verlangt habe, nahm die Kommissionsleiterin die Schuld auf sich.

Weitere Ungereimtheiten

Dass Babler nicht in Jubel verfiel, sondern die Kommission aufforderte, noch einmal nachzuzählen, hat Gründe. Denn ganz so, wie es Grubesa verkündet hat, dürfte es auch nicht gewesen sein. Die fehlende und nun wiedergefundene Stimme ordnete sie nämlich den ungültigen Stimmen zu – doch hat sich deren Zahl gegenüber dem Wahltag nicht geändert. So blieben fünf Stimmen weiter ungültig. Auch wenn die Leiterin meinte, dass es am Samstag vier gewesen seien, in einer Aussendung von Samstag war noch von fünf die Rede gewesen. Dafür gibt es bei den Sieger- und den Verliererstimmen plötzlich jeweils eine mehr.

Grubesa hatte auch erklärt, dass sie am Nachmittag nachgezählt habe. Doskozil hatte aber schon davor Termine überraschend abgesagt, weil er am Vormittag von Ungereimtheiten erfahren habe. Babler wurde wiederum erst am Nachmittag von der Kommissionsleiterin informiert, nun doch Sieger zu sein. Ein neuer Parteitag ist laut Grubesa nicht nötig: „Aus meiner Sicht ist der ganze Prozess belegbar“, so die Kommissionsleiterin, die sich bei Doskozil entschuldigte.

Babler will nochmalige Auszählung

Babler sprach sich in einem kurzen Statement für eine nochmalige Auszählung der Delegiertenstimmen aus, bevor er weitere Schritte setzt.

Statt zu strahlen, war der vermutlich neue SPÖ-Chef bei einem kurzfristig anberaumten Medientermin eher wütend. Babler sprach von einem „Tiefpunkt“ durch die falsche Auszählung. Dieser sei nicht nur für Doskozil schmerzhaft, sondern für die ganze Partei. Das Geschehen sei nicht zu rechtfertigen: „Ich möchte mich für das Bild, das Teile unserer Apparate in den vergangenen Wochen abgegeben haben, aus tiefstem Herzen entschuldigen.“

Babler: Ergebnis muss bestätigt werden

Das Amt will der Traiskirchner Bürgermeister natürlich annehmen, sollte sich das Ergebnis diesmal bestätigen. Die Wahlkommission wird dazu am morgigen Vormittag zusammentreten. Wie es personell an den weiteren Schalthebeln der Partei weitergeht, wollte Babler angesichts der Situation noch nicht verkünden. Dass die Gremien wie erwartet schon am Mittwoch zusammentreten, ist nunmehr unsicher.

Expertenanalyse: Folgen für die SPÖ

Politikwissenschaftler Peter Filzmaier und Petra Stuiber, stellvertretende Chefredakteurin des „Standard“, analysieren die Folgen des Debakels bei der Wahl des neuen SPÖ-Vorsitzenden.

Der Fehler sei bei der Übertragung in eine Excel-Tabelle passiert, so Grubesa. Die Listen aus den Wahlurnen seien zusammengeführt und in das System eingespeist worden: „Das Ergebnis wurde umgedreht.“ Fassungslos über die Vorgangsweise beim Sonderparteitag zeigte sich der ehemalige Leiter der Wahlabteilung im Innenministerium, Robert Stein.

Die Auszählung einer Wahl zwischen zwei Kandidaten mit rund 600 Stimmberechtigten sei eine „sehr einfache Aufgabe“ und innerhalb von 45 Minuten bzw. einer Stunde bewältigbar, so Stein im ORF-Radio. „Bis zum Ergebnis hat Elektronik überhaupt nichts verloren.“

Statement von Hans Peter Doskozil

Hans Peter Doskozil nimmt zum Auszählungsdebakel seiner Partei Stellung. Er nimmt das Ergebnis zur Kenntnis und schließt das Kapitel Bundespolitik für sich damit ab.

Doskozil legt Bundespolitik ad acta

Wenig später trat Doskozil in Eisenstadt vor die Presse und gestand seine Niederlage ein. „Es ist unbestritten, das Wahlergebnis so zur Kenntnis zu nehmen“, sagte er. Er wolle Babler „zum Gewinn der Wahl und zum Vorsitz der Bundespartei recht herzlich gratulieren“. Seine eigenen Ambitionen erklärte Doskozil für beendet, er wolle auch keinen neuerlichen Sonderparteitag: „Für mich ist das Kapitel Bundespolitik damit ein für alle Mal abgeschlossen.“ Ob er selber bei der Landtagswahl 2025 noch einmal antreten werde, ließ er offen.

Die jüngsten Ereignisse wertete Doskozil als „Tiefpunkt“ für die österreichische Sozialdemokratie. „Es wird Häme geben, es wird Spott geben, aber es wird wieder schönere Zeiten für die Sozialdemokratie geben“, zeigte er sich nach knapp 48 Stunden, in denen er sich fälschlicherweise als Vorsitzender der SPÖ gewähnt hatte, überzeugt.