Andreas Babler
APA/Georg Hochmuth
Abstimmung doch gewonnen

Babler will Auszählung neu prüfen

Andreas Babler ist nun doch Chef der SPÖ. Grund: Bei der Auszählung am Parteitag in Linz am Sonntag wurden die Stimmen vertauscht. So kam nicht Hans Peter Doskozil auf 52,66 Prozent der Stimmen, sondern Babler. Doskozil kam auf 46,51 Prozent. Das verkündete die Leiterin der Wahlkommission, Michaela Grubesa, in einer Pressekonferenz Montagnachmittag. Nachdem darauf Doskozil seinen Rückzug aus der Bundespolitik verkündet hatte, trat am Abend Babler vor die Kameras – er will die nochmalige Überprüfung der Stimmen.

Er sei am Nachmittag von Grubesa informiert worden, sagte Babler in einem kurzen Statement zu den neuen Entwicklungen. Er wolle die Wahlkommission ersuchen, die Stimmen noch einmal zu überprüfen – ein Prozess, der schon im Gange sei. Man sei an einem Punkt, an dem keine Fragezeichen mehr bleiben dürften. Er erwarte sich absolute Transparenz und Wahrheit: „Jetzt ist die Wahlkommission am Zug.“ Sollte das Ergebnis so stimmen, werde er den Parteivorsitz übernehmen.

Babler sprach von einem „Tiefpunkt“ durch die falsche Auszählung. Dieser sei nicht nur für Doskozil schmerzhaft, sondern für die ganze Partei. Das Geschehen sei nicht zu rechtfertigen. „Ich möchte mich für das Bild, das Teile unseres Apparats abgegeben haben, entschuldigen. Das ist durch nichts zu rechtfertigen und zu relativieren. Aber ich werde jetzt am vollen Comeback der Sozialdemokratie arbeiten.“ Fragen waren nach dem kurzen Statement keine zugelassen.

Babler will nochmalige Auszählung

Babler sprach sich in einem kurzen Statement für eine nochmalige Auszählung der Delegiertenstimmen aus, bevor er weitere Schritte setzt.

Weiter Unklarheit

Laut der Leiterin der Wahlkommission, Grubesa, wurden nicht die Stimmen falsch ausgezählt, sondern die Ergebnisse vertauscht. Es handle sich daher um einen technischen Fehler. Der Fehler sei bei der Übertragung in eine Excel-Tabelle passiert. Die Listen aus den Wahlurnen seien zusammengeführt und in das System eingespeist worden. Der Fehler sei dabei geschehen: „Das Ergebnis wurde umgedreht“, so Grubesa.

Dass es überhaupt zur Neuauszählung Montagnachmittag kam, hängt damit zusammen, dass beim offiziell verkündeten Ergebnis eine Stimme fehlte. Diese wurde gefunden und war ungültig. Gleichzeitig wurde entdeckt, dass die Stimmen falsch zugeordnet worden waren. Laut dem Ergebnis von Montag erhielt Doskozil 280 Stimmen und Babler 317 Stimmen. Ungereimtheiten gibt es allerdings weiterhin: Denn die SPÖ fand zwar eine Stimme, insgesamt sind es aber um zwei mehr als am Samstag. Das wurde in der Pressekonferenz nicht geklärt.

Babler ist doch SPÖ-Vorsitzender

Grubesa geht laut eigenen Angaben nicht davon aus, dass der Parteitag wiederholt werden muss: „Aus meiner Sicht ist der ganze Prozess belegbar.“ Das sei letztlich aber Sache der Gremien. Die Vorsitzende der Wahlkommission entschuldigte sich, die Wahlkommission habe es verabsäumt, persönlich eine Kontrolle vorzunehmen – auch Grubesa selbst. Allen voran richtete sie ihre Entschuldigung an Doskozil.

Doskozil will Ergebnis akzeptieren

Der burgenländische Landeshauptmann will das Ergebnis akzeptieren, wie er am Nachmittag in Eisenstadt bei einer Pressekonferenz sagte. „Es ist nun das Ergebnis, das am Tisch liegt, es ist das Ergebnis des Parteitags, und das ist zu akzeptieren“, so Doskozil weiter. Über das Debakel sagte er: „Bis zu einem gewissen Grad ist das ein Tiefpunkt der österreichischen Sozialdemokratie.“ Der Landeshauptmann legte sich auch gleich für die Zukunft fest: Die Bundespolitik sei für ihn Geschichte.

Gratulation von Parteikollegen

Parteikolleginnen und -kollegen gratulierten Babler bereits auf Twitter. Allen voran der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ). „Ich gratuliere Andi Babler. Er ist ein engagierter, dynamischer Sozialdemokrat“, so Ludwig – mehr dazu in wien.ORF.at.

Leichtfried: „Tiefpunkt für Sozialdemokratie“

Der stellvertretende Klubchef der SPÖ, Jörg Leichtfried, schrieb auf Twitter von einem „Tiefpunkt für die Sozialdemokratie“. Man könne „nur um Entschuldigung bitten für das Bild, das die SPÖ abgibt“. Leichtfried gratulierte Babler zur Wahl. „Auf ihn und auf uns alle wartet viel Arbeit. Österreich braucht eine starke Sozialdemokratie!“

Auch andere zeigten sich überrascht bis fassungslos. „Ich gratuliere Andreas Babler herzlich“, twitterte Altkanzler Christian Kern (SPÖ). Jedoch bestätige das alles, „dass man es in der Politik nicht so dumm denken kann, wie es hinterher kommt“.

Niederösterreichs SPÖ-Chef Sven Hergovich appellierte an eine „geeinte SPÖ“ und gratulierte Babler ebenfalls herzlich. Anders Vorarlbergs SPÖ-Vorsitzende Gabriele Sprickler-Falschlunger zum ORF in Vorarlberg: „Ich schäme mich. (…) Ich bin entsetzt, ich möchte mich bei allen Menschen in Österreich für diese Dilettanz (sic), mit der offenbar ausgezählt wurde, entschuldigen. (…) Es ist mir schleierhaft, wie das passieren konnte“, so die Vorarlberger SPÖ-Chefin weiter – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Häme von übrigen Parteien

Die politischen Mitbewerber der Sozialdemokraten reagierten teils mit Häme. Die SPÖ versinke im Chaos, hieß es von der ÖVP. Generalsekretär Christian Stocker will mit einer Bewertung aber noch abwarten, „ob dieses Ergebnis endgültig ist“. „Womöglich kommt es zu weiteren Auszählungen oder Wahlwiederholungen oder Untersuchungen zu möglichen Manipulationen“, so Stocker. Trotzdem teilte er kräftig aus: „Wenn die SPÖ nicht einmal in der Lage ist, eine ordnungsgemäße und korrekte Wahl auf einem Parteitag abzuhalten, dann ist sie mit Sicherheit nicht in der Lage, ein Land zu führen.“

Kogler: „Nicht kommentierbar“

Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) fehlten die Worte. „Ich bin ja schon länger in der österreichischen Politik unterwegs. Das ist immer noch nicht kommentierbar“, meinte Kogler am Rande einer Veranstaltung.

Grünen-Generalsekretärin Olga Voglauer schickte kurzerhand eine Korrektur der OTS vom Samstag aus. Darin war lediglich der Name Hans Peter Doskozil durch Andreas Babler ersetzt. Der restliche Text blieb inklusive Gratulation zum Parteivorsitz und Aufruf an die Sozialdemokratie, wieder zur Sachpolitik zurückzukehren, gleich. Die SPÖ müsse die Blockade von Zweidrittelmaterien im Nationalrat beenden und „an den Verhandlungstisch zurückkehren“, so Voglauer.

NEOS: „Farce“

NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger sprach in einem auf Twitter veröffentlichten Video von einer „Farce“. Meinl-Reisinger wunderte sich über das Bild, das die „Altpartei SPÖ“ derzeit abgebe. „Wie kann die SPÖ erwarten, dass man ihr ein Land anvertraut, wenn sie nicht einmal in der Lage ist, intern eine Wahl zu organisieren?“

„Wer keine Wahlen organisieren kann, wird auch keine gewinnen“, meinte NEOS-Generalsekretär Douglas Hoyos via Twitter. Für NEOS hat sich die SPÖ mit der Auszählungspanne „völlig disqualifiziert“. Die Österreicher und Österreicherinnen hätten sich „Besseres verdient“, schrieb Hoyos.

Kickl: „Bild desaströs“

Nicht an der Häme beteiligen will sich nach eigenem Bekunden FPÖ-Chef Herbert Kickl. Das in der Öffentlichkeit entstandene Bild sei „ohnehin für jeden erkennbar desaströs“. Kickl fürchtet einen Schaden und schweren Vertrauensverlust weit über die SPÖ hinaus. Den enttäuschten Wählern und Mitgliedern der Sozialdemokratie möchte er ein Angebot machen, „ein Stück des Weges mit uns Freiheitlichen zu gehen, um eine wirkliche Veränderung herbeizuführen“, so der FPÖ-Chef.

Babler wird wohl 13. SPÖ-Parteichef

Der Traiskirchner Bürgermeister Babler ist durch diese Korrektur wohl der 13. Parteichef der SPÖ. Vor Babler gab es bisher elf männliche und mit Pamela Rendi-Wagner eine weibliche Vorsitzende. Rendi-Wagner trat beim Sonderparteitag am Sonntag, dem 3. Juni, nicht mehr an, nachdem sie in der Mitgliederbefragung um Obfrauschaft und Spitzenkandidatur nur auf Platz drei hinter Doskozil und Bürgermeister und Bundesrat Babler gelandet war.

Am längsten im Amt in der Geschichte der österreichischen Sozialisten bzw. Sozialdemokraten war Bruno Kreisky mit mehr als 16 Jahren. Dahinter folgt Adolf Schärf, der nach dem Zweiten Weltkrieg zwölf Jahre an der Spitze stand. Kürzestdienender SPÖ-Vorsitzender war Christian Kern mit seinen gut zwei Jahren im Amt. Unter einer vierjährigen Periode blieb sonst nur noch Viktor Klima.