Forscher fordern Moratorium für Tiefseebergbau

Angesichts des wachsenden kommerziellen Interesses am Tiefseebergbau warnen europäische Wissenschaftsakademien vor den katastrophalen Folgen des Abbaus von Bodenschätzen in der Tiefsee für die Meeresökosysteme. Die Forscherinnen und Forscher bestreiten in einem Bericht, dass der Tiefseebergbau für die Erreichung der Klimaziele unverzichtbar sei. Sie fordern ein Moratorium für den Tiefseebergbau und plädieren dafür, Recyclingmöglichkeiten und terrestrische Ressourcen zuerst zu erforschen.

Hintergrund des heute veröffentlichten Berichts der Dachorganisation der europäischen Wissenschaftsakademien EASAC, der auch die Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW) angehört, ist eine bevorstehende Entscheidung der International Seabed Authority (ISA) über den industriellen Tiefseebergbau. Dieser internationalen Organisation gehören 167 Staaten und die EU an, sie wurde durch die UN Convention on the Law of the Sea (UNCLOS) 1982 ins Leben gerufen.

Gefahr „erheblicher Sekundäreffekte“

Die EASAC zeigt sich in ihrem Bericht skeptisch gegenüber Argumenten der Befürworter des Tiefseebergbaus, wonach der steigende Bedarf an seltenen Mineralien für „grüne Technologien“ wie Windkraft, Solarenergie und Batterien nicht aus terrestrischen Quellen gedeckt werden könne. „Die Behauptung, der Tiefseebergbau sei für die Erreichung unserer Klimaziele unverzichtbar und daher eine grüne Technologie, ist irreführend“, erklärte Michael Norton, Umweltdirektor der EASAC, in einer Aussendung.

Nach Ansicht der Wissenschaftler könnte der Abbau von Ressourcen in der Tiefsee viele der kritischen Materialien, die für die grüne Transformation und andere Hightech-Sektoren benötigt werden, gar nicht liefern. Darüber hinaus könnten die Recyclingraten erheblich verbessert werden.

Von einer Zulassung des kommerziellen Bergbaus in der Tiefsee durch die ISA könnten Millionen Quadratkilometer des Meeresbodens betroffen sein. Wissenschaftler verweisen außerdem auf die Gefahr erheblicher Sekundäreffekte durch große Mengen an freigesetztem Sediment. „Die Meeresböden haben Tausende von Jahren gebraucht, um sich zu bilden, und die Schäden werden in ähnlichen Zeiträumen irreparabel sein“, heißt es.