Autos auf einem Parkplatz vor von den Schließungen betroffene nLeiner-Filiale in Steyr
APA/Kerstin Scheller
Kika/Leiner

Schnäppchen und Gutscheine sorgen für Andrang

Angesichts der absehbaren Filialschließungen hat am Freitag ein wahrer Ansturm von Kundinnen und Kunden auf die kika/Leiner-Einrichtungshäuser eingesetzt. Das Unternehmen hatte einen Abverkauf angekündigt und damit Schnäppchenjäger angesprochen. Zudem wurde versprochen, dass alle Gutscheine ihre Gültigkeit behalten. Immer klarer wird inzwischen, dass kika/Leiner seit 2017 – jedenfalls aber seit der Übernahme durch Rene Benko im Jahr 2018 – durchgehend Verluste schreibt und von Jahr zu Jahr weniger Umsatz erwirtschaftet.

Einen Abverkauf mit „massiven Preisreduktionen“ versprach das Unternehmen bei den zu schließenden Filialen, das sind die Leiner-Häuser in Judenburg, Wels, Linz, Steyr, Amstetten, Vöcklabruck, Villach und Wien-Nord, die kika-Häuser in Lienz, Mistelbach, Liezen, Ried, Feldbach, Leoben, Saalfelden, Horn, Unterwart, St. Johann im Pongau, Wörgl, Stockerau, Imst, Eisenstadt und Wien-Ottakring und die Eskole-Küchenstudios in Graz und Wien.

Aus den Filialen wurden lange Warteschlangen vor den Kassen berichtet, auch auf den Parkplätzen war der Andrang deutlich zu bemerken. Regelrecht überrannt wurde das Möbelhaus in Steyr am Freitagvormittag. Schnäppchenjäger waren genauso unterwegs wie verunsicherte Kunden. Zu Mittag herrschte bereits Blockabfertigung beim Einlass – mehr dazu in ooe.ORF.at.

Einen Kundenandrang, wie er wohl seit der Eröffnung Mitte der 1990er Jahre kaum jemals vorgekommen war, erlebte am Freitagvormittag auch die von der Schließung betroffene kika-Filiale in Horn. Bereits bei der Anfahrt kämpften sich zahllose Schnäppchenjäger mit ihren Autos durch den Stau.

Kunden in einer von den Schließungen betroffene Kika-Filiale in Wörgl
APA/ZOOM.TIROL
Lange Schlangen an den Kassen

Gutscheine sollen Gültigkeit behalten

Den Andrang verschärft haben dürfte der Wunsch, noch vorhandene Gutscheine zu verwerten. Wegen der angekündigten Insolvenzanmeldung hatte der Verein für Konsumenteninformation (VKI) Mitte der Woche geraten, Gutscheine rasch einzulösen.

Kika/Leiner wiederum verspricht, dass alle Bons ihre Gültigkeit behalten. Möglich werden soll das, weil der neue Eigentümer, Hermann Wieser, über seine Gesellschaften die Haftung dafür übernehme, sagte ein kika/Leiner-Sprecher am Freitag zur APA. Denn im Rahmen der Insolvenzmasse dürfen Gutscheine eigentlich nicht bessergestellt werden als andere Forderungen, wie Anwalt Michael Poduschka im Gespräch mit der APA erinnerte – mehr dazu in noe.ORF.at.

Schnäppchenjäger in kika/Leiner-Filialen

Der neue Eigentümer von kika/Leiner wird 23 der 40 Filialen schließen und die Hälfte des Personals kündigen. In den betroffenen Filialen wird ausverkauft, und das wollen sich viele nicht entgehen lassen. In Steyr (OÖ) kam es sogar zur Blockabfertigung: Kunden wurden nur alle halben Stunden eingelassen.

Experten raten zur Vorsicht

Auch Anzahlungen für künftige Lieferungen gehören zu den Forderungen. Allerdings soll im Zuge des Fortführungsplans sichergestellt werden, dass alle offenen Aufträge erfüllt und die geleisteten Anzahlungen zur Gänze angerechnet werden, so der Sprecher. Damit würden Kunden auch nicht um ihre Anzahlungen umfallen. Experten raten trotzdem dazu, Gutscheine noch vor der für Dienstag erwarteten Insolvenzeröffnung einzulösen. Poduschka dazu: „Wenn ich einen Gutschein hätte, würde ich sofort hinlaufen und ihn einlösen.“

Ähnlich vorsichtig äußerte sich Anja Mayer von der Konsumentenschutzabteilung der Arbeiterkammer (AK). Im Falle einer Insolvenz dürfe das Unternehmen keine Gutscheine mehr annehmen, und es bleibe den Konsumentinnen und Konsumenten nur die Möglichkeit, sich als Gläubiger am Verfahren zu beteiligen. Dabei falle aber eine Anmeldegebühr von 25 Euro an, so Mayer.

Garantien „wirtschaftlich plausibel“

Gerhard Weinhofer, Geschäftsführer des Gläubigerschutzverbandes Creditreform, hält eine Umsetzung des Versprechens, dass die Gutscheine weiter ihre Gültigkeit behalten, durchaus für realistisch. So zeige sich in der Praxis, dass Masseverwalter im Rahmen von Sanierungsverfahren üblicherweise eng mit der Geschäftsführung zusammenarbeiten – und zwar unabhängig davon, ob eine Eigenverwaltung vorliegt oder nicht.

Auch für den WU-Rechtsexperten Martin Spitzer ist das Versprechen, dass Gutscheine oder Anzahlungen über Dritte garantiert werden, „wirtschaftlich plausibel“, da das Unternehmen mit Blick auf die Weiterführung ein Interesse daran habe, seine Kunden zu behalten. Wie Poduschka gibt Spitzer aber zu bedenken, dass die Garantie von der haftenden Gesellschaft abhängt.

Kunden in einer von den Schließungen betroffene Kika-Filiale in Horn
APA/Christopher Eckl
Filialen locken mit Preisnachlässen

Seit 2018 in den roten Zahlen

Aus Sicht von Branchenbeobachtern kommen der Kahlschlag bei kika/Leiner und die prompte Ankündigung eines Sanierungsverfahrens wenig überraschend. Immerhin schrieb die Möbelkette seit der Übernahme durch die Signa Holding im Jahr 2018 durchgehend rote Zahlen, während der Umsatz gleichzeitig immer weiter zurückging.

Wieser, der das operative Geschäft übernommen hat, kannte die Bilanzzahlen, erinnern Insider, und wusste, dass er bei laufenden Verlusten hohe Verbindlichkeiten übernimmt.

Das Unternehmen wurde nach Einschätzung verschiedener Experten durch Zuschüsse des Eigentümers am Laufen gehalten. Das wäre aber auch zulässig und würde keine Insolvenzverschleppung bedeuten, sagten Spitzer und Weinhofer. Der Bilanzverlust hatte sich bis 2021 auf knapp 84 Mio. Euro summiert, Zahlen für 2022 liegen noch nicht vor. Der „Standard“ schreibt sogar von 300 Mio. Euro an Verbindlichkeiten.

Undurchsichtige Summen bei Immodeals

Der Wert von kika/Leiner lag jedenfalls schon lange nur mehr in seinen Immobilien. Benko erwarb das operative Geschäft um einen symbolischen Euro und verkaufte es an Wieser um ebenfalls einen symbolischen Euro. Weniger klar ist die Wertentwicklung der Immobilien, da dazu die Details nie veröffentlicht wurden und Benko einen Teil der Immobilien zwischenzeitlich verkauft hat – nach APA-Informationen um 350 Mio. Euro.

Zwar wurden 2018 die Immobilien zunächst mit 490 Mio. Euro bewertet, ein direkter Vergleich mit dem damaligen Wert ist allerdings kaum möglich, denn es wurden nie Details dazu veröffentlicht. Benko verkaufte jedenfalls 2018 kurz nach seinem Einstieg die 22 kika-Standorte in Osteuropa an den Mitbewerber XXXLutz. Die „Presse“ schrieb vor Kurzem, der Verkaufspreis habe damals 200 Mio. Euro betragen.

Unklare Investitionen

In Österreich übernahm Signa 2018 46 Standorte. Von diesen hat Benko zwischenzeitlich einige veräußert, laut „Presse“ ebenfalls um 200 Mio. Euro. Zu kika/Leiner gehören jedenfalls jetzt in Österreich 40 Standorte. Signa stellt das Investment gerne als Erfolg dar: „Aus Signa-Gruppensicht war die Übernahme von kika/Leiner trotz schwierigen Marktumfeldes ein sehr gutes Investment“, so das Unternehmen kürzlich.

Offen bleibt dabei, wie viel Geld Signa in das Unternehmen gesteckt hat. Signa verpflichtete sich beim Kauf, „einen dreistelligen Millionenbetrag einzuschießen“, damals hieß es, es gehe um etwas mehr als 100 Mio. Euro. Wie viel Geld tatsächlich geflossen ist, wurde nicht kommuniziert. Zudem halfen auch die CoV-Hilfen nicht: Laut der Transparenzdatenbank der EU, die Auskunft über die Höhe der Zuschüsse der einzelnen Länder gibt, erhielt kika/Leiner vom Staat 5,7 Millionen Euro an CoV-Hilfen.

Schwierige Marktlage

Einer der Gründe der Turbulenzen ist jedenfalls die schwierige Marktlage: Der Markt für Möbel sei in Österreich „überbesetzt“, meint die WU-Expertin Cordula Cerha in einem Interview mit der „Kleinen Zeitung“ (Freitag-Ausgabe). „Die Flächenproduktivität ist zu gering: zu viel Handelsfläche pro Einwohner.“ Bei der Möbelkette kika/Leiner, die kommende Woche Insolvenz anmelden will, seien in den vergangenen Jahren „diverse strategische Entscheidungen“ falsch gelaufen, so Cerha.

Zu den Fehlentscheidungen gehöre auch das gemeinsame Marketing für die beiden Marken kika und Leiner – eine Entscheidung, die später rückgängig gemacht wurde. In der gleichen Zeit wäre der Wettbewerb im Accessoire-Bereich härter geworden. Zudem hätten Konkurrenten wie Ikea und XXXLutz expandiert.