Ukrainische Soldaten auf einem gepanzerten Fahrzeug
Reuters/Viacheslav Ratynskyi
Selenskyj

„Gegenoffensivaktionen“ in Ukraine

Die ukrainische Armee geht laut Präsident Wolodymyr Selenskyj derzeit mit Gegenangriffen entlang der Front gegen die russischen Truppen vor. Es fänden derzeit „Gegenoffensiv- und Defensivaktionen“ statt, er werde dazu aber „keine Einzelheiten“ nennen, sagte Selenskyj am Samstag. Er werde nicht sagen, in welcher Phase sich die Aktionen befinden.

Auf die Frage nach einem Kommentar zu Äußerungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin vom Freitag, wonach die Gegenoffensive der Ukraine begonnen habe, zuckte Selenskyj bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem kanadischen Premier Justin Trudeau in Kiew mit den Schultern und zog die Augenbrauen hoch.

„Es ist interessant, was Putin über unsere Gegenoffensive gesagt hat. Es ist wichtig, dass Russland immer spürt, dass es meiner Meinung nach nicht mehr viel Zeit hat.“ Selenskyj ergänzte, er sei „täglich“ in Kontakt mit Kommandanten. „Alle sind positiv eingestellt, sagen Sie das Putin“, sagte er weiter. Die ukrainische Seite hatte Stillschweigen über ihre Großoffensive verkündet.

Ukraine: Gegenangriffe an Frontlinie

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat am Samstag von „Gegenoffensivaktionen“ in der Ukraine gesprochen.

In seiner allabendlichen Ansprache dankte Selenskyj am Samstag den ukrainischen Truppen. „Dank all jenen, die ihre Positionen halten, und jenen, die vorrücken“, sagte er und verwies auf die Front im Osten und im Süden der Ukraine, wo es die schwersten Kämpfe gibt. Vizeverteidigungsministerin Hanna Maliar erklärte auf Telegram, es werde keine Mitteilungen geben, solange keine Klarheit auf dem Schlachtfeld herrsche. Sie deutete an, dass die Befreiung einer Stadt noch nicht beim Einrücken der Soldaten, sondern erst bei der Festigung der Position gemeldet werde.

ISW: Ukrainische Angriffe an vier Frontabschnitten

Putin hatte am Freitag erklärt, für den Beginn der Gegenoffensive spreche der Einsatz der strategischen Reserve. Die ukrainischen Streitkräfte hätten bisher aber keinen Erfolg. Das russische Verteidigungsministerium erklärte am Samstag, ukrainische Soldaten hätten in den südlichen Regionen Donezk und Saporischschja sowie in der Gegend um Bachmut im Osten vergeblich versucht vorzustoßen.

Die Angaben aus der Ukraine unterscheiden sich. Laut Militär sind die ukrainischen Truppen an einigen Stellen bis zu 1,4 Kilometer vorgerückt. „Wir versuchen, den Feind anzugreifen, wir machen Gegenangriffe“, hatte der Sprecher des Kommandos Ost am Samstag gesagt. Die russischen Truppen starteten ebenfalls Angriffe, hätten aber keinen Erfolg gehabt. Angaben zum Kriegsverlauf lassen sich größtenteils nicht unabhängig überprüfen.

Nach Angaben des US-Instituts für Kriegsstudien (ISW) führte die Ukraine an mindestens vier Frontabschnitten Gegenangriffe durch. Gefechte hätten in der Nähe der Stadt Bachmut, bei der Stadt Kreminna, im Südwesten der Region Donezk und im Westen der Region Saporischschja stattgefunden, hieß es im jüngsten Lagebericht vom Freitag (Ortszeit) unter Berufung auf Angaben aus Kiew, Moskau und von russischen Militärbloggern.

London sieht ukrainische Fortschritte

Auch Großbritannien geht von militärischen Fortschritten der Streitkräfte des angegriffenen Landes aus. In den vergangenen 48 Stunden habe es wichtige ukrainische Militäroperationen im Osten und Süden des Landes gegeben, teilte das britische Verteidigungsministerium am Samstag mit. Während in einigen Gegenden gute Fortschritte erzielt und die erste russische Verteidigungslinie durchbrochen worden seien, gehe es für die ukrainische Armee anderswo langsamer voran.

Auf russischer Seite hätte es wohl einige glaubwürdige Verteidigungseinsätze gegeben. Andere Einheiten hingegen hätten sich in einiger Unordnung zurückgezogen. Dabei häuften sich Berichte über Opfer unter den russischen Truppen beim Rückzug durch eigene Minenfelder.

Tote bei Luftangriff auf Odessa

Bei einem russischen Luftangriff auf die Schwarzmeer-Hafenstadt Odessa wurden unterdessen nach ukrainischen Angaben drei Zivilpersonen getötet. Trümmer einer abgeschossenen Drohne seien in der Nacht auf Samstag auf einen Wohnblock gestürzt und hätten einen Brand ausgelöst, teilte das ukrainische Militär mit. Den Rettungskräften zufolge wurden 27 Menschen verletzt, darunter drei Kinder.

Die ukrainische Luftwaffe teilte später mit, dass Russland insgesamt 35 Drohnen und acht Raketen auf Ziele in der Ukraine gelenkt habe. 20 Drohnen des iranischen Typs Shahed und zwei ballistische Raketen seien abgeschossen worden.

Die russischen Angriffe richteten sich laut ukrainischer Luftwaffe neben Odessa auch gegen Ziele in der Region Poltawa und in Charkiw. Dabei sei es zu „einigen Schäden an Infrastruktur und Ausrüstung“ auf dem Militärflugplatz Myrhorod gekommen, teilte Regionalgouverneur Dmytro Lunin mit.

Prekäre Lage in überfluteten Gebieten

Nach der teilweisen Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Süden der Ukraine bleibt die Lage in den überfluteten Gebieten prekär. Ukrainische Behörden orteten am Samstag angesichts sinkender Pegelstände zwar eine leichte Verbesserung – nach wie vor stünden jedoch Dutzende Orte und damit Tausende Häuser teils metertief unter Wasser.

Menschen evakuieren Kühe aus überschwemmten Gebiet in Mykolaiw
Reuters/Alina Smutko
In den überfluteten Gebieten in der südlichen Ukraine ist die Lage weiter prekär

Auch das Ausmaß der Schäden ist weiter schwer abschätzbar. „Städte, Infrastruktur, ganze Industrien müssen wieder aufgebaut werden“, wie der ukrainische Botschafter in Deutschland, Olexij Makejew, dazu sagte.

„Die Gesamtschäden werden erst sichtbar, wenn das Wasser abgelaufen ist“, merkte Makejew im Interview mit deutschen Medien dazu an. Der Chef der ukrainischen Militärverwaltung, Olexandr Prokudin, meldete am Freitag zwar allmählich rückgängige Pegelstände. Allein auf der von der Ukraine kontrollierten Seite des Flusses Dnipro seien aber weiter 35 Siedlungen unter Wasser. Mehr als 3.700 Häuser seien überflutet, wie Prokudin weiter ausführte.