In China müssen Unternehmen ab 1. August eine Lizenz für die Ausfuhr von Gallium- und Germaniumprodukten beantragen, teilte das Handelsministerium in der Nacht auf Dienstag in Peking mit. Damit sollten die strategischen Interessen und die Sicherheit der Volksrepublik gewahrt werden. Die Maßnahmen kamen just, nachdem die USA den Export von Hochleistungschips an China beschränkt hatten.
Gallium und Germanium sind wie die Metalle der seltenen Erden wichtig für die Herstellung einer Reihe von Technologieprodukten. Die Volksrepublik sei der dominierende Lieferant, so der Chef des Verbands Global Mining Association of China (GMAC), Peter Arkell. „Es ist Wunschdenken zu glauben, dass ein anderes Land China kurz- oder selbst mittelfristig ersetzen kann.“ Die Beschränkungen träfen die USA, wo es wehtue.

An anderer Stelle warnte man allerdings vor Panikreaktionen. Für Gallium und Germanium gebe es anders als bei Seltenerdmetalle durchaus Anbieter außerhalb Chinas, hieß es von der dänischen Beratungsfirma Strand Consult. Zwar trieben Beschränkungen die Preise. „Aber für den Rest der Welt sind sie keineswegs so schmerzhaft wie die US-Restriktionen der Chipexporte für China.“
Steigende Nachfrage und Preise
In der Branche schlug die Ankündigung allerdings bereits Wellen: Einem Manager eines chinesischen Germaniumproduzenten zufolge meldeten sich bei ihm bereits mehrere Kunden aus Japan, Europa und den USA.
China im „Chipkrieg“ mit den USA
Man benötigt sie für künstliche Intelligenz, für autonome Autos, aber auch für Hightech-Waffen: Hochleistungscomputerchips. China will seinen Rückstand bei der Entwicklung solcher Chips unbedingt aufholen, die USA wollen China daran hindern.
Sie wollten bis zum Stichtag am 1. August so viele Rohstoffe wie möglich bunkern, weil sie damit rechneten, dass die Bearbeitungszeit für die Exportanträge bis zu zwei Monate in Anspruch nehmen werde. Die gestiegene Nachfrage habe zuletzt auch die Germaniumpreise in die Höhe getrieben und die Aktien einiger chinesischer Bergbaufirmen steigen lassen.

Warnung an USA und ihre Verbündeten
Der frühere stellvertretende chinesische Handelsminister Wei Jianguo sah in der regierungsnahen Zeitung „China Daily“ am Mittwoch in den Exportkontrollen eine Warnung an die USA und ihre Verbündeten: „Chinas Kontrolle von Materialien zur Halbleiterherstellung war ein gut durchdachter harter Schlag.“ Falls die Beschränkungen für Chinas Hochtechnologiesektor fortgeführt würden, werde China mit weiteren Gegenmaßnahmen reagieren.
Schon am späten Dienstagabend hatte die staatliche chinesische Zeitung „Global Times“ einen Leitartikel veröffentlicht, in dem die Exportkontrollen für einige Gallium- und Germaniumprodukte als praktischer Weg gelobt werden, den USA und ihren Verbündeten zu zeigen, dass es sich bei ihren Bemühungen, China von der Beschaffung fortschrittlicher Technologien abzuhalten, um eine Fehlkalkulation handele.
Japan rüstet auf
Bei den großen Chipherstellern in der Region – vorneweg Samsung in Südkorea und Taiwan Semiconductor Manufacturing Company Limited (TSMC) in Taiwan – rechnet man nach eigenen Angaben vorerst allerdings nur mit begrenzten Auswirkungen der chinesischen Exportkontrollen. In Japan und der EU prüft man zunächst die möglichen Effekte auf die eigene Wirtschaft – wobei man in Japan zuletzt mit einer Ankündigung versuchte, sich als größerer Player in der Halbleiterindustrie zu etablieren.
Mehrere internationale Medien hatten letzte Woche über eine milliardenschwere Übernahme in der Halbleiterindustrie berichtet. Der Staatsfonds Japan Investment Corporation (JIC) soll diesen zufolge den Chemie- und Technologiekonzern JSR, der in der Halbleiterindustrie eine globale Rolle spielt, kaufen und damit eine Schnittstelle in den internationalen Lieferketten besetzen.
Deal „scheint praktisch fix“
Am Montag widmeten sich „Financial Times“ und „Asia Times“ den strategischen Seiten des Geschäfts. Bei diesem geht es im Kern darum, dass der Fonds JSR für umgerechnet knapp sieben Milliarden Euro kaufen und später von der Börse nehmen will. Das Unternehmen kontrolliere ein „kritisches Glied“ in der globalen Lieferkette für Halbleiter, schrieb die „Financial Times“.
Der Deal solle „das japanische Arsenal im Chipkrieg zwischen den USA und China stärken“. Dieser scheint laut unterschiedlichen Medienberichten praktisch fix, JSR habe das Angebot, hinter dem das japanische Ministerium für Wirtschaft, Handel und Industrie (METI) steht, letzte Woche angenommen. Der „Chipkrieg“ habe „primär“ geopolitische Gründe.
Weit weg vom Ziel Autarkie
In der „Asia Times“ war am Montag die Rede von einer „Verstaatlichung“ des Konzerns. Diese zeige, dass Tokio in diesem kritischen Technologiesektor privatem Kapital nicht mehr traue. Kritisch ist der Sektor vor allen deshalb, weil er von einigen wenigen, hochspezialisierten Unternehmen kontrolliert wird.
Autarkie in der Versorgung haben inzwischen mehrere Länder als Ziel ausgegeben, sie sind davon aber noch weit weg. Selbst den Autarkiegrad der USA hatte das „Wall Street Journal“ in einem Artikel 2021 bei etwa zwölf Prozent angesetzt, Tendenz seit den 1990er Jahren sinkend.
An kritischer Schnittstelle
Im Fall von JSR wolle die Regierung in Tokio mit der Übernahme, die Anfang 2024 über die Bühne gehen soll, auch verhindern, dass ausländische Investoren nach dem Unternehmen greifen, schrieb die „Asia Times“. Auch der US-Wirtschaftsnachrichtensender CNBC strich zuletzt den Aspekt Autarkie hervor und sah JSR an einer Schaltstelle der globalen Lieferkette für Halbleiter.

Das Unternehmen, gegründet 1957 als Japan Synthetic Rubber Corporation, ist in der Sparte Mikrochips auf die lichtempfindlichen Beschichtungen der Leiterplatten spezialisiert. JSR ist auch in den Bereichen Chemie und Biopharmazie aktiv, hat knapp 8.000 Beschäftigte und erzielt laut eigenen Angaben einen Jahresumsatz von rund 409 Milliarden Yen (rund 2,6 Mrd. Euro).
Laut „Financial Times“ hält JSR einen Weltmarktanteil von 30 Prozent bei Fotolacken, lichtempfindlichen Chemikalien, auf die das Schaltungsdesign von Chips gedruckt wird. Kunden sind etwa auch die erwähnten Branchenriesen Samsung und TSMC sowie der amerikanische Chiphersteller Intel.
Eskalation im „Chipkrieg“
Japans Ambitionen für eine stärkere Industrie für Halbleitermaterialien hätten sich in den letzten Monaten klarer abzuzeichnen begonnen, schrieb die britische Wirtschaftszeitung, nämlich nachdem der Handelskonflikt zwischen den USA und China eskaliert war.
Im Bereich der Halbleiterindustrie (und nicht nur dort) will Washington mit allen möglichen Mitteln verhindern, dass die Volksrepublik bestimmte Produkte selbstständig herstellen bzw. weiterentwickeln kann, und versucht daher unter anderem, einen Technologietransfer zu unterbinden.
Alle gegen China
Diesem US-Versuch schloss sich neben anderen Ländern auch Japan an und schränkte laut „Financial Times“ im März den Export von Technologie, die zur Herstellung von Chips benötigt wird, deutlich ein. Die Niederlande wollen in einem nächsten Schritt praktisch dasselbe tun. Sie zählen in der Halbleiterindustrie insofern zu den Großmächten, als das Unternehmen ASML Holding N. V. der weltweit größte Anbieter von Lithografiesystemen für die leistungsstärksten Chips ist.

Schon der damalige US-Präsident Donald Trump hatte in den Niederlanden für Exportverbote in Richtung China lobbyiert, unter seinem Nachfolger Joe Biden erreichte der „technologische Kalte Krieg“, wie ihn die „New York Times“ nannte, einen neuen Höhepunkt.
Zuletzt vereinbarten Japan und die EU, ihre Zusammenarbeit für einen unterbrechungsfreien Nachschub mit Chips zu verstärken. „Es ist äußerst wichtig, die Halbleiterlieferkette zu sichern“, sagte EU-Industriekommissar Thierry Breton am Montag in Tokio. Dort vereinbarte er unter anderem eine gemeinsame Überwachung der Lieferkette sowie einen Austausch von Wissenschaftlern und Technikerinnen. Darüber hinaus stellt die EU japanischen Chipherstellern staatliche Hilfen für den Ausbau der Produktion in Europa in Aussicht.