Nigerias Präsident Mohamed Bazoum auf einem Plakat
AP/Sophie Garcia
Niger

Sorge um Präsidenten vor ECOWAS-Gipfel

Die Lage in Niger bleibt auch kurz vor Beginn eines Sondergipfels der Staaten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) angespannt. Die Partei des gestürzten Präsidenten Mohamed Bazoum rief am Mittwoch zu dessen Befreiung auf. Die Besorgnis über Bazoums Zustand ist groß.

Das ganze Land müsse mobilisiert werden, hieß es in einer Erklärung der Partei PNDS-Tarayya vom Mittwoch. Bazoum und seine Familie würden unter unmenschlichen Bedingungen in ihrer Residenz festgehalten. Es gebe kein fließendes Wasser und keinen Strom, hieß es in der Erklärung weiter. Außerdem würden dem Präsidenten eine ärztliche Betreuung und frische Lebensmittel verweigert.

Zuvor hatte bereits ein ehemaliger Rebellenführer zu Widerstand gegen die Militärregierung aufgerufen. Rhissa Ag Boula rief am Mittwoch eine Bewegung gegen die Junta ins Leben, die am 26. Juli durch einen Staatsstreich an die Macht gekommen ist. Der Widerstandsrat für die Republik (CRR) strebt die Wiedereinsetzung des gestürzten Präsidenten Bazoum an, der seit der Machtübernahme in seiner Residenz in Hausarrest sitzt.

USA um Bazoum besorgt

Die US-Regierung hat sich unterdessen besorgt über die Gesundheit von Bazoum geäußert. „Wir sind äußerst besorgt über seine Gesundheit und seine Sicherheit und die Sicherheit seiner Familie“, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, am Mittwoch nach einem Telefonat von Außenminister Antony Blinken mit Bazoum.

Nähere Angaben wollte Miller nicht machen. Er sagte aber, Sorge um Bazoums Gesundheit sei einer der Gründe gewesen, warum die geschäftsführende stellvertretende US-Außenministerin Victoria Nuland bei einem unangekündigten Besuch in Niger zu Wochenbeginn vergeblich versucht habe, den gestürzten Präsidenten zu treffen. „Während die Zeit vergeht und er isoliert festgehalten wird, ist das eine Situation, die für uns zunehmend besorgniserregend ist“, sagte Miller.

Strategischer Verbündeter des Westens

Das 26 Millionen Einwohner zählende Land Niger war ein wichtiger strategischer Verbündeter des Westens und die letzte demokratisch gewählte Regierung im Inneren der von islamistischen Terrorgruppen überrannten Sahelzone. Am 26. Juli hatten Offiziere der Präsidialgarde den demokratisch gewählten Präsidenten Bazoum entmachtet.

Der Kommandeur der Eliteeinheit, Abdourahamane Tiani, ernannte sich im Anschluss zum neuen Machthaber. Kurz nach Tianis Machtübernahme setzten die Putschisten die Verfassung außer Kraft und lösten alle verfassungsmäßigen Institutionen auf. Bazoum war der erste Staatschef des seit dem Ende der französischen Kolonialherrschaft im Jahr 1960 unabhängigen Landes, der durch eine friedliche Machtübergabe ins Amt gelangt war.

Spannung vor ECOWAS-Gipfel

Mit Spannung wird nun der ECOWAS-Sondergipfel in der nigerianischen Hauptstadt Abuja erwartet. Die ECOWAS hatte das nigrische Militär aufgefordert, Bazoum bis vergangenen Sonntagabend wieder einzusetzen, und ein militärisches Eingreifen als „letzte Option“ in Aussicht gestellt. Die Frist verstrich, ohne dass es zunächst zu einem Militäreinsatz kam. Deutschland, die USA und Russland betonten am Mittwoch erneut ihre Hoffnung auf eine gewaltlose Lösung des Konflikts.

Machthaber mit Vorwürfen gegen Frankreich

Die Machthaber im Niger ließen unterdessen vor Gipfelstart am Donnerstag mit Vorwürfen gegen Frankreich aufhorchen. Der Nationale Rat für den Schutz des Vaterlandes (CNSP) hatte den französischen Streitkräften am Mittwoch im nigrischen Staatsfernsehen vorgeworfen, den geschlossenen Luftraum verletzt zu haben. Ein französisches Militärflugzeug sei im benachbarten Tschad aufgebrochen und habe beim Eintritt in den nigrischen Luftraum „absichtlich allen Kontakt zur Flugverkehrskontrolle“ abgebrochen.

Der CNSP erklärte überdies, dass Frankreich „gefangene Terroristen einseitig befreit“ habe. „Terroristen“ bezeichnet in diesem Fall bewaffnete Dschihadisten, die seit Jahren in dem Land einen blutigen Aufstand führen. Die französische Regierung dementierte: Der Flug am Morgen sei mit der nigrischen Armee vereinbart und „schriftlich bestätigt“ worden, hieß es am Mittwoch in einer gemeinsamen Erklärung von Verteidigungs- und Außenministerium. Zudem sei „kein Terrorist durch französische Streitkräfte befreit worden“.

Frankreich ortet Ablenkungsversuch

Die rund 1.500 in Niger stationierten französischen Soldaten kämpften auf Bitten der „legitimen nigrischen Behörden“ gegen die Gruppen von Terroristen, die die Sahelzone destabilisierten, hieß es weiter. Die Ministerien betonten, die Vorwürfe der nigrischen Machthaber seien ein neuer Ablenkungsversuch, während die ECOWAS versuche, die verfassungsmäßige Ordnung im Niger wiederherzustellen.

Seit dem Staatsstreich Ende Juli hat Frankreich seine Abkommen über militärische Zusammenarbeit mit dem Land ausgesetzt. Das in Niamey regierende Militär kündigte diese Abkommen in der vergangenen Woche auf, was Paris mit der Begründung zurückwies, dass sie von den rechtmäßigen nigrischen Behörden unterzeichnet worden seien.