Banknoten und Münzen
ORF.at/Christian Öser
„Vernünftig“, „Trostpflaster“

Gemischte Reaktionen auf Steuerpläne

Mit der Abschaffung der kalten Progression seit Anfang des Jahres hat sich die Regierung vorbehalten, bei einem Drittel noch selbst über den Einsatz der Mittel zu entscheiden. Am Freitag legte die ÖVP-Grünen-Koalition das Paket dafür vor. Die Opposition spricht von einem „Trostpflaster“ und fragt, wann die Entlastung nun komme. Für den Ökonomen Christoph Badelt ist die Verteilung auf „den ersten Blick vernünftig“.

Zu zwei Dritteln werden die Steuerstufen jährlich automatisch an die Teuerung angepasst. Die Entscheidung für das dritte Drittel unterscheide sich davon, so Badelt im Ö1-Mittagsjournal: „Die niedrigen Einkommensstufen werden stärker entlastet aufgrund einer stärkeren Anpassung.“ In der ersten Steuerstufe erfolgt die Anpassung um 9,9 Prozent – das reduziert sich bis zur vierten Tarifstufe.

Auch durch andere Maßnahmen etwa bei der Anpassung der Absetzbeträge, der Erhöhung der Negativsteuer und des Kindermehrbetrags auf 700 Euro würden Bedürftige stärker gefördert, so der Präsident des Fiskalrats. Er warnte aber erneut davor, dass die Regierung durch die Abschaffung der kalten Progression weniger finanzielle Spielräume im kommenden Haushalt haben werde. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) hatte bei der Präsentation ausgeschlossen, dass ein Sparpaket kommen werde, aber festgehalten, dass die Setzung von Schwerpunkten notwendig sei.

Sozialer Ausgleich „sehr beschränkt“

Als „sehr beschränkt“ bezeichnete hingegen das Arbeiterkammer-nahe Momentum Institut die Maßnahmen für den sozialen Ausgleich. Von der Anpassung der dritten und vierten Tarifstufe würden hauptsächlich Besserverdienende profitieren. Dass die Regierung den Kurs der sozialen Ausgestaltung vom letzten Jahr (es wurden die beiden ersten Tarifstufen angepasst) nicht beibehalte, sei eine „vergebene Chance“, die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen mit geringeren Einkommen zu entlasten, kritisierte Jakob Sturn, Ökonom am Momentum Institut.

Auch die Caritas begrüßte die Erhöhung des Kindermehrbetrags auf 700 Euro und die vollständige Inflationsbereinigung der Absetzbeträge, bemängelte aber, dass anders als im Vorjahr der Fokus auf die allerniedrigsten Einkommen verloren gegangen sei. Es sei „keine Frage des Leistungsansporns, wenn Mindestpensionisten und Mindestpensionistinnen oder Alleinerziehende mit ihren Kindern in Österreich in Armut leben“, kritisierte Michael Landau, Präsident der Caritas Österreich.

Grüne argumentieren mit „sozialem Drittel“

Positiv bewertet das Momentum Institut die Erhöhung des Kindermehrbetrags, da das eine Entlastung für all jene bringe, die aufgrund geringer und nicht vorhandener Lohn- oder Einkommenssteuerabgaben nicht für den Familienbonus anspruchsberechtigt sind.

Hilfsorganisationen hatten schon im Vorfeld gefordert, dass besonders geringe Einkommen bei der Verteilung des dritten Drittels berücksichtigt werden. Auch die Grünen betonten, dass dieser finanzielle Spielraum denjenigen, „die es gerade am dringendsten brauchen“, zugutekomme. Bei der Präsentation der Maßnahmen zeigte sich der grüne Sozialminister Johannes Rauch überzeugt, dass es sich um ein ausgewogenes Paket handle. Es sei ein „soziales Drittel“.

„Wer arbeitet, wird entlastet“

Mit Jahresbeginn wurde die kalte Progression abgeschafft. Zwei Drittel der daraus resultierenden 3,65 Mrd. Euro werden automatisch an Erwerbstätige zurückgegeben, die verbliebenen 1,2 Mrd. Euro gehen laut Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) an Erwerbstätige und Familien.

Für SPÖ nur „Trostpflaster“

Für die SPÖ ist das zu wenig. SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer bezeichnete das Paket als „Trostpflaster“, das die zusätzlichen Belastungen der Menschen aufgrund der Inflation nicht annähernd ausgleiche.

Kritisch gibt sich auch NEOS-Wirtschafts- und -Sozialsprecher Gerald Loacker. Die Maßnahmen seien keine steuerliche Entlastung, sie seien „nur der Verzicht auf eine zusätzliche Belastung durch die schleichende Steuererhöhung“. Ein Durchschnittsverdiener werde weiterhin für jede Gehaltserhöhung 18 Prozent Sozialversicherung und 40 Prozent Lohnsteuer zahlen. Die Höhe des Einkommens des Durchschnittsverdieners nannte Loacker nicht. Bei dem von der Statistik Austria berechneten Brutto-Durchschnittsverdienst von 3.542 Euro würde der Grenzsteuersatz bei 30 Prozent liegen.

Die Steuern auf Arbeit seien in Österreich nach wie vor viel zu hoch, kritisierte auch die FPÖ und sprach von einem „Taschenspielertrick“ der Regierung. Die kalte Progression sei nicht abgeschafft, sondern nur um zwei Drittel reduziert worden. „Das verbleibende Drittel nimmt sich der Staat nach wie vor vom Steuerzahler, um es umzuverteilen“, so der oberösterreichische Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner (FPÖ).

„Belohnung“ für Arbeit

Maßnahmen wie die Ausweitung steuerlich begünstigter Überstunden passten gut in die Situation des Arbeitskräftemangels, so Badelt: „Wenn der Mangel groß ist, ist es gut, wenn es Anreize gibt, Überstunden zu leisten und diese zu belohnen.“

Wirtschaftskammer Österreich (WKO), Industriellenvereinigung (IV) sowie der Wirtschaftsbund befürworten die Maßnahmen wie die geplante Anhebung des Freibetrags von Überstunden, den Zuschuss der Kinderbetreuung und die Erhöhung des Gewinnfreibetrags für Selbstständige. WKO-Präsident Harald Mahrer hob die Stützung der Kaufkraft und die bessere Planbarkeit für Betriebe hervor. ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Kocher freut sich über eine verbesserte Vereinbarkeit von Familie und Beruf und einen Beitrag gegen den Arbeitskräftemangel.

Kleine und mittlere Einkommen profitieren

Die Abschaffung der kalten Progression bringt den Steuerzahlern und Steuerzahlerinnen im kommenden Jahr 3,65 Mrd. Euro. Bei einem Drittel davon, knapp 1,2 Mrd. Euro, konnte die Regierung entscheiden, wer damit entlastet werden soll.

„Wenig Licht und viel Schatten“ sieht allerdings der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB), Wolfgang Katzian. Bei fast 50 Millionen unbezahlten Mehr- und Überstunden pro Jahr mache es wenig Sinn, über eine Ausweitung der steuerlichen Begünstigung zu reden. ÖGB-Ökonomin Miriam Fuhrmann kritisierte die fehlende Anpassung an die Inflation bei Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Außerdem fordert der ÖGB die Inflationsanpassung auch bei den steuerfreien Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen.

Arbeiterkammer-Präsidentin Renate Anderl lobte die Erhöhung des Kindermehrbetrags, die Ausweitung des begünstigten Kinderbetreuungszuschusses und die Überführung der Homeoffice-Pauschale ins Dauerrecht, kritisierte aber die Anhebung des Gewinnfreibetrages für Selbstständige und die Ausweitung der Anzahl an steuerfrei auszahlbaren Überstunden.