„Les Martyrs“: Viel Beifall für selten gespielten Donizetti

Gaetano Donizettis selten gespielte Oper „Les Martyrs“ hat dem Theater an der Wien in seinem Ausweichspielort im MuseumsQuartier heute einen erfolgreichen Einstand beschert. Das Publikum feierte große sängerische Leistungen, allen voran Roberta Mantegna in der weiblichen Hauptrolle, und nicht zuletzt den Arnold Schoenberg Chor und ein groß aufspielendes Radio-Symphonieorchester Wien unter Jeremie Rhorer.

Nicht zuletzt die Vielzahl an Ballettnummern in dieser Oper machen „Les Martyrs“ eigentlich zu einem der komplettesten Donizetti-Werke in dessen Kanon. Statt in den Wahnsinn zieht das Schlüsselpaar des Stücks am Ende in den Glaubenstod und lässt sich von allen Umstimmungsversuchen nicht abhalten.

Szenenbild aus Les Martyrs
Werner Kmetitsch

Der polnische Regisseur Cezar Tomaszewski wollte Donizettis romantisch ausschraffierte Auseinandersetzung mit den Christenverfolgungen des dritten Jahrhunderts unbedingt politisieren. Und weil alles in Armenien angesiedelt ist, um das Martyrium des orthodoxen Heiligen Polyeuctus, war dem Regisseur der Bezug zum Genozid der Türkei an den Armeniern naheliegend. Wer gern dreimal ums Eck dachte, war in dieser Inszenierung gut bedient. Das wollten allerdings nicht viele.

Junge Römer tanzen anders als die andern

Auf der Bühne lagen große Stofftorsi, die wohl die Leichenberge des Genozids repräsentieren sollten. Über diese hopste dann aber die Römerherrschaft drüber, die als „gay carnival“ in das Politsetting hereinbrach. Die Römer, sie verstehen die Ernsthaftigkeit der Sinnsuche dieser Christen nicht und sind bei Tomaszewski glücklich als die Pfaue der Geschichte.

Zur Erlösung aller emanzipiert sich der Abend im zweiten Teil von der Bildsprache der Regie. Pauline (Roberta Mantegna) begegnet darin ihrem ehemaligen, totgeglaubten Liebhaber (Mattia Olivieri) wieder, der sich als Prokonsul nach Armenien schicken ließ. Doch die einstige Liebe lässt sich nicht erneuern, ist Pauline doch ihrem Mann Polyeucte (John Osborn), der sich heimlich zum Christen taufen ließ, treu. Die Frau möchte den Mann umstimmen und ihn zur Lebensrettung den Abfall vom Glauben schmackhaft machen.

Doch das Gegenteil passiert: Der Gatte überredet seine Frau zum Gang ins gemeinsame Martyrium. Es ist eine Tat aus Liebe – so die romantische Deutung Donizettis und seines Librettisten zur historischen Vorlage.

Diese Arbeit Donizettis verdient tatsächlich größere Beachtung, ist sie nicht nur die Summe der Leistungen dieses zu jung verstorbenen Komponisten, der beinahe 70 Werke für die Opernbühne hinterlassen hat. Es ist der Fingerzeig für den Weg von Verdi – und ebenso in der tonalen Anlage bei den Bläsern ein Stück weit auch in Richtung Wagner. Zu Recht bejubelte das Publikum diese drei Stunden an Musikerlebnis, die dieser Abend eröffnete.