Die Demokraten im Repräsentantenhaus unterstützten dabei zähneknirschend den Gesetzesentwurf der Republikaner, die die knappe Mehrheit der Sitze halten. 335 Abgeordnete stimmten dafür, 91 dagegen. Die Entscheidung solle etwas Zeit geben, um sich auf einen langfristigen Bundeshaushalt zu einigen. Der Übergangshaushalt soll McCarthy zufolge Geld für Katastrophenschutz und die Sicherung der Grenze, aber keine Haushaltskomponente für die Ukraine enthalten.
Zuvor forderte McCarthy Republikaner und Demokraten auf, ihre „politischen Differenzen“ im Sinne der US-Bürgerinnen und -Bürger beizulegen. Für McCarthy geht es dabei auch um sein eigenes politisches Überleben. Rechte Hardliner unter den Konservativen hatten damit gedroht, McCarthy seines Amtes zu entheben. „Wenn jemand mich absetzen will, weil ich mich wie ein Erwachsener verhalten will, dann soll er es ruhig versuchen“, sagte McCarthy dazu.
Zwischenfall: Abgeordneter löste Feueralarm aus
Unterdessen kam es zu einem schrägen Zwischenfall im Kongress: Der demokratische Abgeordnete Jamaal Bowman löste Berichten zufolge in einem Gebäude den Feueralarm aus. „Der Kongressabgeordnete Bowman war sich nicht bewusst, dass er einen Gebäudealarm auslösen würde, als er sich beeilte, an einer dringenden Abstimmung teilzunehmen“, zitierten US-Medien am Samstag eine Sprecherin des Demokraten.
Republikaner reagierten erbost auf den Vorfall und warfen Bowman vor, dass er mit dem Auslösen des Feueralarms die Abstimmung über den Übergangshaushalt im Repräsentantenhaus verzögern wollte. Die Demokraten hatten zuvor moniert, nicht genug Zeit zum Lesen des Textes zu haben.
„Das sollte nicht ungestraft bleiben. Das ist eine Blamage“, sagte McCarthy. Etliche Republikaner forderten eine Untersuchung des Vorfalls – einige sprachen sich US-Medien zufolge dafür aus, dass Bowman des Kongresses verwiesen werde. Für eine derartige Maßnahme dürfte es allerdings keine Mehrheit im Repräsentantenhaus geben.
Befürwortung des Senats fraglich
Jedenfalls fraglich ist, ob der jetzt vom Repräsentantenhaus abgesegnete Entwurf der Überbrückungsfinanzierung auch den Senat passiert. Dort haben die Demokraten die Mehrheit. Hinzu kommt, dass die Zeit eigentlich zu knapp ist. McCarthys neuer Entwurf könnte auch einfach nur dazu dienen, am Ende den Demokraten die Schuld für einen Shutdown in die Schuhe zu schieben.

Die Laufzeit des Ende vergangenen Jahres vom US-Kongress beschlossenen Haushalts endet in der Nacht auf Sonntag (Ortszeit). Bis dahin müsste also ein neuer Bundeshaushalt oder ein Übergangshaushalt beschlossen werden, um die Zahlungsunfähigkeit abzuwenden. Ein Shutdown bedeutet, dass Millionen Angestellte der Regierung kein Gehalt mehr bekommen. Viele Ministerien und Behörden haben Notfallpläne für diesen Fall. So arbeiten die meisten Militärangehörigen dennoch weiter – jedoch vorerst ohne Bezahlung. Wie heftig sich ein Shutdown auf den Alltag und die Wirtschaft in den USA auswirkt, hängt von seiner Länge ab.
Schuldenobergrenze von Budget abgekoppelt
1917 wurde die Schuldenobergrenze in den USA eingeführt – sie war ursprünglich eine Erleichterung für die Regierung, die sich zuvor für jede einzelne Staatsanleihenbegebung die Bewilligung des Kongresses holen musste. Budgeterstellung und Schuldendeckel sind dabei legistisch voneinander getrennte Prozesse. Die Ausgaben werden in eigenen Gesetzen, insbesondere im Budgetgesetz, geregelt. Die Schuldenobergrenze beschränkt daher auch nicht direkt das Budgetdefizit, sondern die Bedienung bereits bestehender Schulden.

Erst wenn die vom Kongress festgelegte Obergrenze an Ausgaben erreicht ist, greift dieser Schuldendeckel – und das Finanzministerium kann keine neuen Anleihen begeben, um damit durch frühere Gesetze genehmigte Regierungsausgaben weiter zu ermöglichen. Seit Jahren gibt es einen Streit zwischen Fachleuten, ob die Obergrenze überhaupt verfassungsgemäß ist.
Nummer 15 droht
Bereits 14 Mal hat der Kongress seit 1981 die Arbeit des Bundes zum Erliegen gebracht, meist aber nur kurz. Diesmal sollte das alles – hektische und nächtliche Verhandlungen und die Warnungen vor den Folgen bis hin zu einer internationalen Finanzkrise – gar nicht passieren. US-Präsident Joe Biden und McCarthy hatten sich im Mai auf die Ausgaben für das Fiskaljahr ab dem 1. Oktober geeinigt. Das Haushaltsjahr in den USA läuft immer vom 1. Oktober eines Jahres bis zum 30. September des Folgejahres.
Allerdings lehnen rechtsradikale Republikaner aus der Gruppe House Freedom Caucus das ab und verlangen – auch mit Blick auf ihre radikale Klientel – Kürzungen von 120 Milliarden US-Dollar (113 Mrd. Euro) bei politisch besonders strittigen Themen. Die Summe selbst mutet vergleichsweise klein an, verglichen mit einem Gesamthaushalt von 6,4 Billionen US-Dollar (rund sechs Billionen Euro).
Jedoch soll etwa der Zugang zu Abtreibungen erschwert, Klimamaßnahmen rückgängig gemacht und der Bau der Mauer zu Mexiko wiederaufgenommen werden – ein zentrales Projekt des republikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump, der nächstes Jahr wiedergewählt werden will.
Schmaler Grat zwischen Sieger- und Verliererstatus
In den USA werden im November 2024 nicht nur der Präsident, sondern auch das gesamte Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neu gewählt. Politisch geht es daher auch darum, wer bei einem Shutdown als Schuldiger dasteht. Als Faustregel gilt, dass jene, die für einen Shutdown verantwortlich sind, bei Wahlen abgestraft werden. All jene republikanischen Abgeordneten, die aus Wahlbezirken mit knapper oder wechselnder Mehrheit stammen, müssen wegen des Starrsinns des radikalen Flügels um ihre Wiederwahl bangen. Entsprechend gereizt ist die Stimmung mittlerweile innerhalb der republikanischen Fraktion.
McCarthy kann aber die Abweichler nicht ignorieren, obwohl es in den USA keinen Fraktionszwang gibt. Denn die Mehrheit der Republikaner in der Kongresskammer ist mit 221 zu 212 Sitzen denkbar knapp. McCarthy steckt auch aus einem weiteren Grund im Dilemma: Nimmt er auf den Freedom Caucus nicht Rücksicht, droht ihm die Amtsenthebung. Für die Wahl zum Speaker hatte McCarthy der radikalen Fraktion nämlich ein erleichtertes Amtsenthebungsverfahren zugestanden. Es reicht nun eine einfache Mehrheit in der Abgeordnetenkammer.