Der Siegeszug des Tonfilms in den USA Anfang der 1930er änderte auch das Kinoerlebnis grundlegend. War es bis dahin üblich, mit Livemusik und Variete-Programm die Menschen in die Kinos zu locken, etablierte sich ein kostengünstigerer Ablauf als neuer Standard. Der Wochenschau folgte oft ein Zeichentrick- und ein Kurzfilm, ehe man ein „Double Feature“ vorführte – zwei Filme hintereinander.
Vor allem in kleineren Filmtheatern – in Kleinstädten oder sozial schwächeren Gegenden – setzte sich das Programm schnell durch, was nicht zuletzt auch mit den Umständen der damaligen Zeit zusammenhängt. Mit der Ende der 1920er ausgelösten Weltwirtschaftskrise war die Arbeitslosigkeit in den USA enorm – viele Menschen hatten damit also viel Zeit, aber nur wenig Geld zur Verfügung.
Billigproduktionen gegen die Wirtschaftskrise
Das „Double Feature“ war die Antwort der Kinos auf die Krise: So konnte man Besucherinnen und Besucher zwei Filme zu einem niedrigen Preis anbieten. Das Highlight des Abends war meist eine aufwendige Filmproduktion, mit Stars vor und hinter der Kamera, davor zeigte man einen normalerweise kürzeren Film, fortan etablierte sich dafür der Begriff B-Movie. Die Viennale widmet diesen Filmen heuer die Retrospektive „The B-Film“ in Zusammenarbeit mit dem Filmmuseum.
B-Movies waren häufig Western, später dann auch Horror- und Science-Fiction-Filme. Es gab Komödien ebenso wie Abenteuerfilme, die stets darauf ausgelegt waren, ein möglichst breites Publikum anzusprechen. So unterschiedlich sie sich also thematisch präsentierten, einte sie vor allem ein Merkmal: das kleine Budget.
Dreh am selben Ort mit weniger Geld
Möglich wurde das durch das Studiosystem, das Hollywood bis in die 1960er prägte. Die Filmbranche wurde von fünf großen („Big Five“) und drei kleinen („Little Three“) Studios dominiert, die ihr Personal mit langjährigen Verträgen an sich banden. Zwischen den großen Produktionen schob man daher B-Movies ein, die in kürzester Zeit, ab und zu auch auf dem selben Set wie eine andere Produktion, gedreht wurden.
Hinweis
Die Viennale-Retrospektive „The B-Film“ in Zusammenarbeit mit dem Filmmuseum findet von 26. Oktober bis 5. Dezember 2018 statt.
Damit fehlte nicht nur das Geld, sondern auch die Zeit, was sich oft in der Qualität dieser Filme widerspiegelte. Auf Weisung der Studios wurde so etwa auf mehrere Takes verzichtet. Auch aufwendige Spezialeffekte waren den großen Produktionen vorbehalten.
Das Studiosystem erzwang letztlich auch die Aufführung dieser Produktionen. Kinos mussten bis zu einem wegweisenden Gerichtsurteil im Jahr 1948 Filme in Paketen kaufen. Wollte man einen Blockbuster aufführen, musste man gleichzeitig auch eine Reihe B-Movies erwerben. Das machte praktisch jede Billigproduktion profitabel.
Auch unbequeme Themen auf der Leinwand
Die vielen Facetten der B-Movies zeigt nun auch die von US-Filmhistoriker Haden Guest kuratierte Retrospektive. Aufgeführt werden Filme aus den Jahren 1935 bis 1959, darunter etwa „Plan 9 from Outer Space“: Ende der 1950er unter der Regie von Low-Budget-Filmemacher Ed Wood entstanden, wurde der Science-Fiction-Film oft als „schlechtester Film aller Zeiten“ bezeichnet.
Schräges Highlight des Films, der längst Kultstatus erreicht hat, sind wohl die Szenen mit „Dracula“-Darsteller Bela Lugosi, der drei Jahre vor der Veröffentlichung verstarb. Die Szenen wurden für einen anderen, nie fertiggestellten, Film aufgenommen und als zusammenhanglose Hommage an Lugosi in „Plan 9“ verwendet.
Neben Trash zeigt die Retrospektive aber auch, dass in B-Movies Platz für Themen vorhanden war, die sonst nicht in Hollywood behandelt wurden. Die einzige Regisseurin der 1950er, Ida Lupino, setzte sich etwa in „Outrage“ (1950) mit sexueller Gewalt auseinander.
Sprungbretter und Ruhestätten
Trotz eingeschränkter Budgets gibt es jedoch genug Beispiele für große Namen in den kleinen Produktionen. Western-Star John Wayne spielte in zahlreichen Low-Budget-Filmen, ehe er mit „Stagecoach“ im Jahr 1939 den Sprung in die A-Produktionen schaffte, während vor allem Horroschauspieler wie Vincent Price und Boris Karloff ihre Karriere in B-Movies ausklingen ließen. Oft war der Wechsel nicht freiwillig: So wurden dem „Dracula“-Darsteller Lugosi nach Bekanntwerden eines Drogenproblems nur noch Rollen in Billigproduktionen angeboten.
Auch Peter Lorre, der in der heutigen Slowakei (damals Österreich-Ungarn) geboren wurde und in Fritz Langs Klassiker „M“ und auch Alfred Hitchcocks „Der Mann, der zu viel wusste“ spielte, trat in einigen B-Movies auf. Im Rahmen der Retrospektive wird etwa ein Teil der „Mr. Moto“-Reihe mit Lorre in der Hauptrolle gezeigt – wie der Großteil der Aufführungen im Filmmuseum ganz stilgerecht als „Double Feature“ mit „The Stranger on the Third Floor“, in dem Lorre ebenfalls mitwirkte.
Später Imagewandel einer Ära
Mit dem Urteil gegen das Filmstudio Paramount, das den Studios untersagte, ihre B-Movies den Kinos aufzuzwingen, ging auch das Interesse an den Low-Budget-Filmen zurück. Übrig blieb der Begriff, der auch heute oft noch negativ konnotiert ist: B-Movies wird automatisch mit „zweitklassig“ gleichgesetzt.
Von Jean-Luc Godard bis zu Quentin Tarantino wurden B-Movies aber immer wieder aufgegriffen, die die Einordnung als Trash gerne in Frage stellten. Häufig gab es auch Bewunderung für die Bedingungen, unter denen vor und hinter der Kamera gearbeitet wurde.
Comedy-Reihe haucht Filmen neues Leben ein
Veranstaltungshinweis
Zur Eröffnung der Retrospektive „The B-Film“ findet am 26. Oktober ein „Kick-Off“ im Festivalzentrum der Kunsthalle Wien statt.
Trotz berühmter Unterstützung ist jedoch auch das Trashige fixer Bestandteil der B-Movie-Ära. Nicht zuletzt dadurch erreichte sie in den vergangenen Jahren auch bei jüngerem Publikum Kultstatus. Dazu trug unter anderem die US-Comedy-Reihe „Mystery Science Theater 3000“ bei: Diese zeigte pro Episode ein B-Movie und unterlegte diesen mit einer neuen Tonspur, die das Geschehen kommentierte – und sich darüber lustig machte. Liveauftritte der Komiker sorgten häufig für volle Kinosäle.
Filmgeschichte vor dem Vergessen bewahren
Die 51 nun in der Retrospektive gezeigten Filme sind ein repräsentativer Querschnitt von fast drei Jahrzehnten Low-Budget-Filmgeschichte. Das Spektrum der ausgesuchten B-Movies reicht von anspruchsvoll bis bizarr – und fängt damit den schrägen Charme ein, der diese Ära des Kinos maßgeblich prägte. Von der Filmkritik in der Vergangenheit oft übersehen, liefen die Produktionen Gefahr, in Vergessenheit zu geraten – nicht nur Fans des „So schlecht, dass es schon wieder gut ist“-Genres soll bei der Viennale gezeigt werden, dass das ein herber Verlust gewesen wäre.