Filmstill aus „The House That Jack Built“
Viennale

Lars von Trier auf Tarantinos Spuren

Lars von Trier hat sich für seine Verhältnisse recht lange Zeit gelassen. Fünf Jahre sind vergangen, seit er mit seinem expliziten Sexdrama „Nymphomaniac“ die Welt der Cineasten mehr oder weniger schockierte. Jetzt lässt er mit „The House That Jack Built“ grausige Gewalt sprechen, ganz in Tarantino-Manier – und das macht durchaus Spaß.

Von Trier ist ja immer wieder für Aufregung gut. In „Idioterne“ (1998) ließ er Studenten als Menschen mit Behinderung beim Gruppensex antreten. In Cannes war er 2011 nach wirren Aussagen bei der Premiere von „Melancholia“ über Adolf Hitler zur Persona non grata erklärt worden. Heuer sollen, ebenfalls in Cannes, wegen der saubrutalen Gewalt in „The House That Jack Built“ ganz schön viele Besucher regelrecht davongelaufen sein. Und außerdem sehen manche Kritiker in dem Film ein Anti-„#MeToo“-Statement.

Das hat vor allem mit der Rolle von Uma Thurman zu tun. Aber der Reihe nach. Matt Dillon spielt Jack, einen kaltblütigen Serienmörder, der aus Lust und Laune tötet, sich nicht einmal besonders anstrengt, seine Taten zu vertuschen, und dennoch stets davonkommt – vor allem, weil die Welt rundherum so desinteressiert und unempathisch ist. Während des Films lauscht man einem Gespräch aus dem Off: Jack spricht mit dem Fährmann Chiron (Bruno Ganz) über sein Leben und Morden; ein mitunter philosophischer Kommentar, bei dem Moral und Reue keine große Rolle spielen.

Filmstill aus „The House that Jack Built“
Viennale
Uma Thurman neben Matt Dillon: Noch lächelt sie

Lachen, wenn das Blut spritzt

Auf diese Weise lässt Von Trier Jack exemplarisch über fünf „Vorfälle“ berichten. Und gleich beim ersten tritt Thurman als Opfer an. Sie hat eine Reifenpanne und bittet Jack um Hilfe. Dabei verhält sie sich so nervig und bezeichnet Jack – ein Zufallstreffer – auch noch als potenziellen Serienkiller, dass er ihr schließlich tatsächlich mit dem Wagenheber den Schädel perforiert. Kritiker stellen die Frage, ob das heißen soll, dass man „lästige Frauen“ ruhig (er)schlagen darf.

Filmhinweis

„The House That Jack Built“ läuft bei der Viennale noch am 3.11. um 21.00 Uhr in der Wiener Urania.

Der Film läuft in Österreich am 30. November regulär in den Kinos an.

Jack hat Allmachtsfantasien und ist ein Psychopath, aber er tötet auch Männer. Ähnlich wie Quentin Tarantino befreit Von Trier nicht nur sein Personal, sondern auch gleich sich selbst in seiner Rolle als Regisseur von jedem moralischen Anspruch. Hier darf man lachen, wenn das Blut spritzt: Zuerst Angst, dann Lachen als Triebabfuhr – schon Sigmund Freud hatte den Humor so definiert. Das mag geschmacklos sein, aber darin eine Rechtfertigung für Gewalt in der Familie zu sehen, scheint weit hergeholt. Da zementiert jeder Fernsehkrimi, in dem die gelangweilte Millionärsgattin außer an Yoga nur an den Haushalt denkt, bestehende Missverhältnisse viel eher.

Filmstill aus „The House That Jack Built“
Viennale

Eine Komposition der Gewalt

Fünf Episoden sind es also, in denen Jack mordet. Das Publikum in Cannes ist dem Vernehmen nach nicht gleich beim ersten Schlachtfest aus dem Kino gelaufen, sondern erst, als Von Trier ein Leinwandtabu bricht: Jack ermordet zwei Kinder, stopft sie aus und macht sich lustig über sie. Man sieht alles, detailliert. Dabei kann es einem schon einmal den Magen umdrehen. Von Trier liebt Geschmacklosigkeiten.

Aber er ist auch ein begnadeter Kompositeur und Arrangeur von Bildern. Man mag die exzessive Darstellung von ebensolcher Gewalt aus den verschiedensten Gründen ablehnen – und Von Trier dennoch zugestehen, dass er mit „The House That Jack Built“ einen seiner besten Filme abgeliefert hat. Das ist Tarantino ohne Pop, dafür mit Kunst. Das Viennale-Publikum hat das offenbar so ähnlich gesehen. Wer rauslief, kam wieder rein – und es wurde viel gelacht.