Filmstill aus „A Hidden Life“
Viennale
„A Hidden Life“

Jägerstätters Widerstand in bergiger Idylle

Franz Jägerstätter, oberösterreichischer Bauer, hat im Zweiten Weltkrieg den Wehrdienst verweigert und ist dafür 1943 vom Regime der Nationalsozialisten hingerichtet worden. Regisseur Terrence Malick macht Jägerstätter zur Hauptfigur in „A Hidden Life“, ein Film über Gut und Böse, Religion und Glauben, der weder bei Bildgewalt noch Pathos spart.

Der Titel des Films ist dem viktorianischen Roman „Middlemarch“ der Autorin George Eliot entnommen, in dem es heißt, dass das Gute in der Welt auch von denen abhängt, die ein „verborgenes Leben führten und in unbesuchten Gräbern ruhen“. Das Zitat, das ganz am Ende des Films eingeblendet wird, erklärt Jägerstätter zum unbekannten Helden. In Cannes, wo der Film im Mai Premiere feierte, wurde das wahrscheinlich ganz anders aufgenommen als bei seiner Wien-Uraufführung am Tag vor dem Nationalfeiertag.

Denn Jägerstätter ist hierzulande gar nicht unbekannt, wenngleich der Imagewandel des Katholiken, der aus Glaubensgründen den Kriegsdienst verweigerte, ein langwieriger Prozess war. Erst viele Jahre nach dem Krieg wurde seine Geschichte richtig aufgearbeitet. Es gibt mittlerweile mehrere Bücher über ihn, Felix Mitterer brachte sein Leben auf die Bühne, Axel Corti schon in den 1970ern auf den Fernsehschirm. 2007 wurde er vom damaligen Papst seliggesprochen.

„Triumph des Willens“ zur Einleitung

Malick („The Tree of Life“) öffnet mit einem Hinweis, dass die folgenden drei Stunden auf wahren Begebenheiten basieren, ehe er Bilder aus „Triumph des Willens“ zeigt – auch im weiteren Verlauf wird als geschichtlicher Unterbau auf Schwarz-Weiß-Material zurückgegriffen. Dann wird nach St. Radegund – eigentlich im Bezirk Braunau, wohl aus produktionstechnischen Gründen aber mit Südtiroler Bergkulisse – übergeleitet, der Heimat von Franz (August Diehl) und seiner Frau Fanny (Valerie Pachner).

Filmstill aus „A Hidden Life“
Viennale
Franz (Diehl) und Fanny (Pachner) sehen ihre Liebe zueinander durch den Krieg in Gefahr

Die Angst vor der Einberufung

Das St. Radegund in Malicks Film ist nahezu idyllisch, sattes Grün trifft auf steile Berge, die vom extremen Weitwinkelobjektiv so eingefangen werden, dass die Motive am Bildrand verzerrt sind und die Bilder damit schon fast an Fischaugenoptik erinnern. Akustisch wird die romantische Berglandschaft aber bald von der Realität eingeholt, Vogelgezwitscher und das Rauschen des Wasserfalls weichen dröhnendem Flugzeuglärm – ein Hinweis darauf, dass der Krieg auch nicht vor St. Radegund Halt macht.

Dadurch wird auch die Liebe der zwei Jägerstätters zueinander bedroht, die Malick über weite Strecken in den Mittelpunkt stellt. Erst wird Franz zur Ausbildung der Wehrmacht der Nazis eingezogen, an der er noch teilnimmt und unversehrt zurückkommt. Doch mit fortschreitendem Krieg wächst die Angst vor dem Einberufungsbefehl.

Der Hass der Dorfgemeinde

Franz wehrt sich inständig gegen das NS-Regime – und zieht damit den Ärger der gesamten Dorfgemeinschaft auf sich und seine Familie. Der Bürgermeister (Karl Markovics) bezeichnet ihn als Verräter und selbst der Pfarrer (Tobias Moretti) zeigt wenig Verständnis für Jägerstätters Festhalten an seinem Gewissen in einer Zeit, in der der Rest des Dorfes längst am Krieg der Nationalsozialisten teilnimmt.

Filmstill aus „A Hidden Life“
Viennale
Franz ist bereit, alles für seine Überzeugung zu opfern

Ungewohntes Sprachwirrwarr

Ein Detail sticht vor allem in den Szenen in Radegund heraus: Die deutschsprachige Starbesetzung spricht in „A Hidden Life“ fast ausschließlich englisch – vor allem Gespräche im Hintergrund sind hingegen deutsch (bei denen Hochdeutsch auf die verschiedensten Dialekte trifft). Für das heimische Publikum ist das zumindest ungewohnt – fügt sich aber in den Blick aus Hollywood auf Begebenheiten im Innviertel ein.

Dem US-Publikum angepasst sind dann aber eben einige deutschsprachige Passagen, etwa dann, als Franz auf der Straße mit „Heil Hitler“ gegrüßt wird und er „Pfui Hitler“ entgegnet. In Cortis Fernsehfilm antwortet Franz in einer ähnlichen Szene wesentlich passender mit „Grüß Gott“.

Filmhinweis

„A Hidden Life“ wird bei der Viennale noch am 27. Oktober um 14.30 Uhr im Gartenbaukino gezeigt.

Der Film startet am 31. Jänner 2020 in den österreichischen Kinos.

Briefwechsel statt Dialog

Vor allem die erste Hälfte, in der Malick die Bildgewalt der Berglandschaft auf der Leinwand wirken lässt, ist stellenweise langatmig. Dann gewinnt der Film mit dem unvermeidlichen Einberufungsbefehl für Franz, dessen Ablehnung und letztlich der daraus resultierenden Verhaftung an Substanz und Fahrt.

Das Paar kommuniziert von da an nur noch per Brief – eingesprochen aus dem Off. Fanny kümmert sich um den Bauernhof und wird von der Dorfgemeinde angefeindet, Franz ist bereit, für seine Überzeugung bis ans Äußerste zu gehen – und schließlich dafür zu sterben. Der dramaturgische Höhepunkt ist wohl ein Gespräch mit dem Richter des Tribunals, vor dem sich Franz verantworten muss. Gespielt wird dieser von dem im Februar verstorbenen Bruno Ganz.

Filmstill aus „A Hidden Life“
Viennale
Franz muss seine Beweggründe vor Gericht (der Richter wird von Bruno Ganz gespielt) rechtfertigen

Glaube gegen Religion

Dass sich Malick an einer wahren Vorlage orientiert, hilft dem Film im Vergleich zu den letzten Werken des Filmemachers. Damit ist eine Handlung schon allein durch Jägerstätters Leben zumindest in den Grundzügen vorgeschrieben. Franz wird zum überzeugten Kriegsgegner, ohne dessen Beweggründe genau darzulegen – klar ist nur, dass er sich von der Religion – in Form der Kirche – abwendet, seinen Glauben aber nie verliert. Keine Zweifel gibt es auch daran, dass er das wahre Gute verkörpert – und durch das Stellungbeziehen gegen totalitäre Systeme gleich die Moral für die Gegenwart mitbringt.

Letztlich ist „A Hidden Life“ ein handwerklich eindrucksvoller Film, der auf Bildgewalt setzt und durch die schauspielerische Leistung der hierzulande bekannten Darstellerinnen und Darsteller gewinnt. Am besten funktioniert die Reduktion auf eine zentrale Glaubensfrage dann, wenn man Malicks Film als Einzelkapitel in der Geschichte sieht – denn der große Blick auf die verheerenden Ausmaße des Zweiten Weltkriegs fehlt in „A Hidden Life“.