S/W-Porträt Johanna Dohnal
Elfie Semotan
„Die Dohnal“

Von Männern gefürchtet, von Frauen geliebt

„Die Dohnal“ – unter diesem fast ehrfürchtigen Titel hat Sabine Derflinger SPÖ-Frauenministerin Johanna Dohnal porträtiert: als Politikerin mit Haltung und Menschen mit Herz. Im Gespräch mit ORF.at erklärt die Regisseurin, warum eine wie Dohnal heute wieder gebraucht würde.

Vor genau vierzig Jahren, im Oktober 1979, schlug Bundeskanzler Bruno Kreisky die Wiener Gemeinderatsabgeordnete Johanna Dohnal als Staatssekretärin für Frauenfragen vor. 1990 wurde sie Österreichs erste Frauenministerin und blieb es – bis Franz Vranitzky sich der Ministerin 1995, wenig elegant, wieder entledigte.

In einer Zeit, in der Jörg Haider mit rechtem Populismus Meter machte, schien auch in der SPÖ kein Platz mehr für progressive, aber durchaus polarisierende Kräfte wie Dohnal. „Die Männer sind in die Furcht hineingekommen: Werden wir jetzt unsere Rechte, Klammer auf (Vor-)Rechte verlieren?“, erinnert sich Altkanzler Vranitzky vor der Kamera. Und meint wohl nicht zuletzt sich selbst.

„In der Frauenfrage hat mich der Film radikalisiert“

„Ich habe mir immer gedacht, mich kann gar nix mehr radikalisieren, was die Frauenfrage betrifft“, sagt Regisseurin Derflinger im Gespräch mit ORF.at über ihre Arbeit an diesem Projekt. „Aber das war eindeutig noch möglich.“ Dabei spielte Dohnal ohnehin schon eine Rolle in Derflingers Leben: „Mit Anfang 20 war ich nicht Vormund meines eigenen Kindes – obwohl ich damals in einer Lebensgemeinschaft war“, erzählt die Regisseurin. „Wenn man nicht verheiratet war, kam zuerst das Jugendamt ins Haus.“ Die „Amtsvormundschaft“, die „ledige Mütter“ diskriminierte und demütigte, wurde erst Anfang der 1990er Jahre abgeschafft. Auf Betreiben von Dohnal.

Ehem. Mitarbeiterinnen im Büro Ballhausplatz
Viennale
Ehemalige Mitarbeiterinnen im Büro Ballhausplatz kommen in „Die Dohnal“ zu Wort

Derflinger war entsprechend leicht zu begeistern, als ihr das Johanna-Dohnal-Archiv vorschlug, die 2010 verstorbene Politikerin zu porträtieren. Die Zusammenarbeit mit dem Archiv, in Kombination mit der Tatsache, dass Derflinger schon früher feministische Stoffe verfilmt hatte („Vollgas“), öffneten der Regisseurin und ihrem vorwiegend weiblichen Team auch die Türen zu Weggefährten der Protagonistin: Ferdinand Lacina, Emmi Werner, Elfie Semotan, Dohnals Enkelin Helen, ihr Chauffeur und ihre Lebensgefährtin, die ehemalige SPÖ-Gemeinderätin Annemarie Aufreiter, deren Interviewpassagen eine private, durchaus verletzliche Dohnal auferstehen lassen.

Ministerin versus Macho im „Club 2“

Um die konservative Kulisse der siebziger, achtziger und neunziger Jahre, in denen Dohnal politisch aktiv war, auch für das Publikum spürbar zu machen, vor allem für Junge, die diese Zeit nicht selbst erlebt haben, hat Derflinger tief in den ORF-Archiven gegraben. Zutage gefördert hat sie alte „Prisma“- und ZIB-Beiträge – und den Auszucker des „Krone“-Kolumnisten „Staberl“ im legendären Talkformat „Club 2“. Sendungsthema war die „Vergewaltigung in der Ehe“, die Dohnal damals unter Strafe stellen lassen wollte. Eine junge Frau berichtet unter Tränen von der Vergewaltigung durch ihren Mann. Talkgast Richard Nimmerrichter alias „Staberl“ attackiert daraufhin Dohnal persönlich. Das Gehörte berührt ihn kaum.

Helen, Enkelin von Johanna Dohnal
Viennale
Auch für ihre Enkelin Helen ist Johanna Dohnal ein Vorbild

Die Dohnal blieb trotzdem cool und setzte sich wenig später auch politisch durch: 1989 wurde die Vergewaltigung in der Ehe mit der Vergewaltigung außerhalb der Ehe gleichgestellt. Dohnal, die schon Ende der Siebziger an der Gründung der Frauenhäuser beteiligt war, sorgte als Ministerin auch dafür, dass Frauen bei häuslicher Gewalt ein Betretungsverbot gegen den Mann verfügen konnten und initiierte, dass „sexuelle Belästigung“ zum Straftatbestand wurde.

„Beschimpft, angeschissen, angespuckt“

Im Gegenzug musste sie einstecken. „Jede Menge Bullshit“ habe sie hinnehmen müssen, erinnert sich sichtlich bewegt Elisabeth Rosenmayr, Dohnals Pressereferentin, in Derflingers Film – und ergänzt dann doch auf Deutsch: „Angeschissen“ habe man ihre Chefin. Ständig. Unbekannte hätten sie auf der Straße bespuckt. Und nach persönlich besonders belastenden Parlamentsdebatten, erzählt ihre Lebensgefährtin, hätte sich Dohnal zu Hause nur noch erbrochen.

Annemarie mit Bild von Johanna Dohnal
Viennale
Dohnals Lebensgefährtin Annemarie Aufreiter zeigt ein Porträt, fotografiert von Elfie Semotan: „So habe ich sie wirklich erlebt“

Ja, sagt Aufreiter, es sei nicht leicht gewesen. Auch, dass die Partnerin sich nicht öffentlich geoutet hätte. Aber „die Johanna“ habe überzeugend die Ansicht vertreten, dass es dann vorbei sei mit der politischen Funktion: „Das verstehen meine Frauen nicht.“ So war das eben. Damals.

Wobei: „Von einer Gendergerechtigkeit sind wir auch heute weit entfernt“, sagt Derflinger: „Ich persönlich finde, dass das Patriarchat tot ist. Es verursacht zwar noch Leid und Ärger. Aber die Einschüchterung funktioniert ja nicht mehr. Trotzdem weiß man nicht, wie lang es noch dauert, bis wirklich Veränderung kommt. Es ist erstaunlich, dass Frauen nicht mehr Zutrauen haben in die eigene Solidarität.“

Filmhinweis

„Die Dohnal“ hat auf der Viennale am 1.11. um 18.00 Uhr im Gartenbaukino Österreich-Premiere und wird außerdem am 3.11. im Metro Kino gezeigt.

Der mit Unterstützung des ORF-Film/Fernseh-Abkommens hergestellte Film startet am 14.2.2020 in den österreichischen Kinos.

Chor der starken Frauen: Dohnal, Gustav, Herbst

Auch und gerade 2019 wirken viele Aussagen von Dohnal visionär. Problemlos fügen sie sich mit heutigen Stimmen starker Frauen, wie der Musikerinnen Gustav und Yasmo sowie der feministischen Journalistinnen Julia Pühringer, Magdalena Miedl und Hanna Herbst, die im Film zu hören sind, in einen Chor.

Und nicht nur was die Frauenfrage, sondern auch was die Rolle der Sozialdemokratie in Österreich betrifft, wirkt Dohnal hellsichtig. Wohl nicht zufällig haben Derflinger und Cutterin Niki Mossböck ein Dohnal-Zitat zentral im Film montiert: „Wir müssen das soziale Regulativ sein und verhindern, dass Führerparteien hier mehrheitsfähig werden. Das ist die große, historische Aufgabe der Sozialdemokratie.“