*** Local Caption ***  It Must Be Heaven, Elia Suleiman, F/Katar/D/Kanada/Türkei 2019, V’19, Features
© Viennale
„It Must Be Heaven“

Komödie ohne Hoffnung

In seinem Film „It Must Be Heaven“ (Dt.: „Vom Gießen des Zitronenbaums“) stellt Elia Suleiman Fragen nach den Mechanismen von Identitätssuche im Bezug auf den Heimatbegriff. Ausgehend von Nazareth über Paris, New York und wieder zurück begibt sich ein stummer Beobachter für den Film in absurde Situationen und fragt: Wie viel Palästina steckt in der Welt?

Großen politischen Fragen begegnet der palästinensische Regisseur Suleiman immer mit einer großen Portion Humor. Unüberbrückbar geglaubte Konflikte und gesellschaftliche Spannungen stellt er dar, indem er zuerst ihre Absurdität herausarbeitet, sie dann filmisch nachzeichnet und ihnen so schließlich auf den Grund geht. Die klassische kömediantische Burleske ist sein filmisches Genre: Suleiman ist ein Meister darin, zutiefst komische Aspekte gesellschaftlicher Widersprüche in Angriff zu nehmen – ohne dabei jemals undifferenziert spöttisch zu werden.

Was macht die Heimat aus? Und ab wann ist ein Zuhause ein Zuhause? Ist es der Ort, wo man geboren wurde und aufgewachsen ist? Jener Ort, an dem sich ein Gefühl der Geborgenheit einstellt? Ein Ort, den man ausreichend zu kennen glaubt und an dem man sich zugehörig fühlt? Ist dieser Ort immer im eigenen Geburtsland zu finden? Kann dieser Ort überhaupt neu gefunden werden, wenn man ihn verliert, weil er zu einem Kriegsschauplatz wurde, von dem man fliehen musste? Oder kann Heimat auch eine „Wahlheimat“ sein, die am besten zur eigenen Persönlichkeit und Einstellung passt?

Wird man von seiner ursprünglichen nationalen oder konfessionellen Zugehörigkeit überallhin verfolgt und an diese erinnert, auch wenn man sie längst abgelegt hat und sie eigentlich nie leben wollte? Solcherlei fundamentale Fragen sind normalerweise Teil eines mühsamen akademischen Diskurses. Suleimans humoristischer Ansatz ist da eine wohltuende Abwechslung.

Stiller Beobachter mit Hut

Anders als in seinen früheren Werken „Divine Intervention“ und „Chronicle of a Disappearance“ stellt sich diesmal die Identitätsfragen nicht der vom Regisseur selbst gespielte Hauptprotagonist. Der ist stiller Beobachter. Die Fragen stellen diesmal die anderen. Und noch einen Unterschied gibt es. In „It Must Be Heaven“ beschäftigt sich Suleiman nicht vorrangig mit dem Leben der Bewohner in seiner Heimatstadt Nazareth, sondern verlässt die Krisenregion und hinterfragt politische Spannungen abwechselnd in West und Ost.

Filmhinweis

„It Must Be Heaven“ läuft bei der Viennale noch am Dienstag um 16.00 Uhr in der Urania.

Der Film startet in Österreich am 17. Jänner 2019 regulär in den Kinos.

Dafür lässt er seinen Protagonisten von Nazareth nach Paris, dann nach New York und schließlich zurück nach Nazareth reisen – an alle Orte, die Suleiman sehr gut kennt. Das merkt man seiner Hauptfigur (die er selbst spielt), die immer Hut trägt und im ganzen Film auch nur ein paar Worte sagt, an. „It must Be Heaven“ ist also eine Art semibiographischer Film, der diesmal nicht versucht, zwischen weltlichen Missverständnissen und Umständen zu vermitteln, sondern er stellt diese nur zur Schau – manchmal auf stille Art und Weise, manchmal überzeichnet.

Auch wenn es nur ein Porträt von Suleimans Hauptdestinationen ist, scheint es so, als ob es am Ende doch ein Film über einen Beobachter und Hoffnungsträger ist, der versucht zu sagen, dass die Welt eine friedlichere sein könnte. Der ständig Reisende schöpft nirgends Hoffnung und sagt wohl absichtlich nichts, weil die anderen sowieso immer für einen sprechen und egal, was man sagen würde, die anderen wissen ohnehin am Ende besser, was man eigentlich sagen wollte und sagen hätte sollen. „It must Be Heaven“ behandelt die Fremdheit zwischen einem selbst und der Welt.

It Must Be Heaven, Elia Suleiman
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Der Mann mit Hut in Paris

Das Absurde im Alltäglichen

Dass inhumanen Überzeugungen und politischer Agitation, die auf Feindbildsuche ist, mit Satire und Sarkasmus am ehesten zu begegnen ist, weiß Suleiman allzu gut, seine filmischen Essays fügen sich zu einem großen Ganzen zusammen. Suleimans satirischer Protest für eine friedlichere Welt ist aber im Gegensatz zu den vielen satirischen Beiträgen in TV-Serien sehr leise – und das macht seinen Zugang zu Satire und Humor spannender und tiefgründiger und zeigt auf, was Film als Medium weiterhin so besonders macht.

Ist man tatsächlich ohne klar definiertes Heimatgefühl auf der ganzen Welt zuhause oder ist das ein Mythos? Ist die Heimatsuche eines Heimatlosen im Grunde ein hilfloser Schrei nach einem Dialog, der im Stillen stattfinden soll – und inwiefern kann Stille im Diskurs bedrohlich und aufklärend wirken in einer Welt voller Dialoge und Vermittlungsversuche auf globaler Ebene? Nazareth, Paris und New York stehen dabei als Beispielschauplätze für Kritik an problemorientierten Dialogen.

It Must Be Heaven, Elia Suleiman
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Sogar das Vogerl bekommt einen leicht skeptischen Blick ab

Der neue Stummfilm

Suleiman schafft es nicht erst seit seinem neuesten Film, unterschiedliche Stile und Tugenden von Regisseuren wie Buster Keaton und Charlie Chaplin zu vereinen. Seine Charaktere sind jenen der Helden der Stummfilmzeit verwandt. Hier treffen einander Keatons Verlorenheit und Chaplins Tiefgründigkeit. Wenn Suleimans Figuren, die er meist selbst spielt, protestieren, dann eben still – von der Körpersprache her teilweise stiller als die berühmtesten Stummfilm-Charaktere.

Und wenn sie das Absurde in Angriff nehmen, dann nicht um zu spotten, sondern ausschließlich um auf die Absurdität an sich hinzuweisen. Suleiman geht dabei induktiv vor: Wenn er Gesellschaftskritik übt, dann nimmt er sich nicht die Gesellschaft an sich vor, sondern nur ausgewählte Aspekte, die sich gut dazu eignen, auf große aktuelle politische und gesellschaftliche Problematiken hinzuweisen.