Filmstill aus „Bergmann Island“
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„Bergman Island“

Szenen einer Kinoehe

Die französische Regisseurin Mia Hansen-Love zeigt ihrer letzten Arbeit „Bergman Island“ eine Mischung aus Beziehungsdrama und Kinohommage. In der Geschichte um ein Filmemacherpaar geht es um die Emanzipation von Vorbildern, Rollenaufteilung und unter welchen Bedingungen weibliche künstlerische Arbeit entsteht.

Es ist eine beunruhigende Paaridylle, die Hansen-Love da in den ersten Minuten von „Bergman Island“ entwirft. Die Regisseurin Chris (Vicky Krieps) und ihr Filmemachermann Tony (Tim Roth) reisen auf die schwedische Insel Farö, um dort an ihren neuen Drehbüchern zu arbeiten. Alles an der Insel erinnert an Kultregisseur Ingmar Bergman, den beide verehren.

Wo das nordische Licht gar zu hell scheint und die Landschaft gar zu sehr nach Sommerfrische für geistige Arbeit aussieht, tun sich schon bald Konflikte auf. Während der gut zwanzig Jahre ältere Tony gut vorankommt, im Rahmen der Bergman-Woche auf der Insel einen Film vorstellt und überhaupt vom allgegenwärtigen Erbe seines Regie-Säulenheiligen inspiriert ist, blockiert die Umgebung Chris’ Kreativkräfte sichtlich.

Eine Kinoehe als Zweckgemeinschaft?

Tonys Selbstgenügsamkeit irritiert Chris, sie vermisst die gemeinsame Tochter, die Zeit bei der Oma verbringt und die allgegenwärtige Bergman-Verherrlichung lässt sie das Regieidol anzweifeln. Wer wohl seine neun Kinder erzogen hat, während er hier auf seiner Lieblingsinsel Filmklassiker schuf und nebenbei die Zeit fand das Königliche Dramatische Theater in Stockholm zu leiten?

Dass Tony in sein Skizzenbuch mit Bildern von Sadomaso-Fantasien füllt und das Bett im Bergmanhaus, das sie bewohnen, ausgerechnet als Ehebett in dessen Trennungsdrama „Szenen einer Ehe“ zu sehen war, erzählt in geschickten Andeutungen, was hier fehlt. Zwischen den beiden gibt es viel Einverständnis, viel Vertrauen, aber wohl keine Leidenschaft mehr: Eine Kinoehe zweier Filmemacher als Zweckgemeinschaft.

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Chris (Vicky Krieps) und Tony (Tim Roth) arbeiten als entspanntes Regiepaar an ihren Drehbüchern, aber hält die Beziehung?

Film-im-Film als Pointe

Den eigentlichen dramatischen Höhepunkt – ob diese Ehe in Bergmanscher Manier zum Scheitern verurteilt ist – erzählt Hansen-Love nicht. Dafür findet Chris trotz der anfänglichen Blockade in ihr Projekt, das als Film-im-Film eine semi-autobiografische Geschichte der jungen Filmemacherin Amy (Mia Wasikowska) erzählt, die zu einem mehrtägigen Hochzeitsfest auf Farö eingeladen wird und dort eine komplizierte Affäre mit einem früheren Geliebten eingeht.

Filmhinweis

„Bergman Island“ wird im Rahmen der Viennale im Gartenbaukino noch am 25.10. um 14.00 Uhr gezeigt. Österreichweit startet der Film am 29. 10.

Diese Meta-Ebene, die zeigt, wie Versatzstücke der Umgebung und Persönlichkeit Chris’ in ihren Film Eingang finden, ist die große Pointe des Films, verweist sie doch aus der Filmhandlung ins reale Leben. Lang braucht man nicht suchen, um in Hansen-Loves Biographie in „Bergman Island“ verhandelte Versatzstücke zu finden: Von ihrer Beziehung zum fünfundzwanzig Jahre älteren Regisseur Olivier Assayas über ihre Arbeitssommer auf Farö und den Umstand, dass sie wie ihre Figur Chris das Schreiben immer als schwierigen Prozess empfand.

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Der Film-im-Film um die Regisseurin Amy (Mia Wasikowska) zeigt, wie Fiktion und Realität beim Drehbuchschreiben ineinander fließen

„Magische“ Landschaft als Anstoß

Bei „Bergman Island“ war das anders, Hansen-Love schreibt im Presseheft, dass der Film sich aus der Landschaft Farös ergeben, die sie als „magischen Ort“ bezeichnet. Das Thema der Emanzipation vom Vorbild Bergmann, das auch in der künstlerischen Emanzipation Chris’ von Tony behandelt wird, hat die Regisseurin auch formal umgesetzt.

Der Film ist im Breitbildformat gedreht, ein Format „das von Bergman nie verwendet wurde“. Hansen-Love eignete sich Bergmans Insel auf eigene Weise an: „Es war das Format, das dem, was mich am meisten beeindruckte, am besten gerecht wurde: die Weite des Meeres und des Himmels, die Abwesenheit von Häusern, Menschen, manchmal auch von Vegetation, kurz gesagt, die Leere.“

Das Ergebnis ist ein pointierter und visuell überzeugender Film über Beziehungen, das Filmemachen und das oft schwere Erbe, das auf jungen Künstlerinnen und Künstlern lastet, wenn sie antreten, um den Größen ihres Fachs nachzueifern.