Vera Gemma in „Vera“
© Viennale
„Vera“

Eröffnung mit Heldin in High Heels

Die Viennale startet heuer mit dem einfühlsamen Porträt einer tragischen Heldin. Das Wiener Regieduo Tizza Covi und Rainer Frimmel folgt „Vera“ bis in den letzten Winkel ihres widersprüchlichen Daseins und zeigt eine Frau in High Heels und Cowboyhut, die man einfach ins Herz schließen muss. Österreichweit kommt der Film im Jänner 2023 ins Kino.

Das Leben als Tochter einer Leinwandlegende kann ganz schön frustrierend sein. Davon kann Schauspielerin und Titelfigur Vera (Vera Gemma) ein Lied singen. Im Schatten ihres berühmten verstorbenen Vaters Giuliano Gemma, ein weltweit gefeierter Italowestern-Schönling, lässt sie sich durch die römische High Society treiben, doch besonders glamourös sind weder die Red-Carpet-Events noch die Castings, die sie besucht.

Beim Vorsprechen für ein Kostümdrama etwa wird sie bereits nach wenigen Sekunden zurückgewiesen. Ihr von zu vielen Schönheitsoperationen geprägtes Gesicht sei zu „modern“, um ins 19. Jahrhundert zu passen. Trotz der unangenehmen Situation zögert der Regisseur nicht, ein Selfie mit der Tochter von Giuliano Gemma einzufordern.

Vera Gemma in „Vera“
© Viennale
Veras unverwechselbarer Style: High Heels, Cowboyhut und Schönheitsoperationen

Auf Augenhöhe mit den Ausgestoßenen

Zeitlebens verunsichert, nicht schön und talentiert genug zu sein, fühlt sich Vera unter den Ausgestoßenen, den Lebenskünstlerinnen und -künstlern am Rande der Gesellschaft inzwischen wohler als im Rampenlicht. Egal, ob die Barfrau in einer kleinen Spelunke oder der Taxifahrer, der ihre Avancen dankend ablehnt, Vera begegnet allen auf Augenhöhe.

Auch ihrem Geliebten, einem erfolglosen Jungregisseur, greift die einst wohlhabende Tochter aus gutem Hause immer wieder finanziell unter die Arme. Alle wollen ein Stück von Vera, die trotz ihrer Zerrissenheit stets bei sich bleibt und mit ihrer entwaffnenden Ehrlichkeit zur Heldin ihrer eigenen Geschichte wird.

Als sie eines Tages am Stadtrand von Rom in einen Autounfall verwickelt wird, schließt sie den dabei verletzten Sohn einer Arbeiterfamilie ins Herz und gerät infolgedessen an die Grenzen ihrer Selbstlosigkeit.

Vera Gemma und Sebastian Dascalu in „Vera“
© Viennale
Vera freundet sich mit dem neunjährigen Manuel (Sebastian Dascalu) an

Feinfühlige Charakter- und Milieustudien

Tizza Covi und Rainer Frimmel sind bekannt für ihre semidokumentarischen Filmprojekte, die meist auf jahrelangen Recherchen aufbauen. Durch die gewachsene Nähe zu ihren Protagonistinnen gelingen feinfühlige Charakter- und Milieustudien, die zugleich ungeschminkt und poetisch daherkommen.

Filmhinweis

„Vera“ wird zur Eröffnung im Gartenbaukino am 20.10. um 19.00 Uhr gezeigt, im Stadtkino im Künstlerhaus um 20.30 Uhr und in der Urania und im Metro Kino im Historischen Saal um 21.00 Uhr, außerdem am 21.10. um 12.30 Uhr im Gartenbaukino.

Der im Rahmen des ORF-Film-/Fernsehabkommens geförderte Film startet am 6.1.2023 in den österreichischen Kinos.

Auch der Beginn der Auseinandersetzung mit „Vera“ liegt einige Jahre zurück. Dass man ein Buch nicht nach seinem Cover beurteilen sollte, mussten Covi und Frimmel bald nach ihrer ersten Begegnung mit der Italienerin im Jahr 2015 erkennen. Die Frau, die sich durch plastische Chirurgie und provokanten Kleidungsstil eine eigene Version von sich selbst erschaffen hat, entpuppte sich auf den zweiten Blick als witzige, aber vor allem kritische Person, die die Dinge gnadenlos ehrlich beim Namen nennt. Grund genug für das Regieduo, Vera im Lauf der Jahre näher kennenzulernen und ihr ein Drehbuch auf den Leib zu schreiben, das auf ihrer facettenreichen Lebensgeschichte basiert.

Viennale-Direktorin Eva Sangiorgi über ihren Eröffnungsfilm: „‚Vera‘ ist tiefgründig, offen und erfrischend, weit entfernt von jeglicher Überheblichkeit oder Manieriertheit. Es ist ein aufrichtiger, echter, wahrer Film und er gehört zu den unverzichtbaren dieses Jahres.“ Der bei den Filmfestspielen in Venedig in der Orizzonti-Nebenschiene für die beste Regie und für die beste Schauspielerin zweifach ausgezeichnete Film wird am Eröffnungsabend gleich in vier Festivalkinos gespielt.