Werner Herzog
© Viennale
Werner Herzog

„Guter Soldat“ des Kinos

Über 70 Filme hat Werner Herzog in den letzten sechs Jahrzehnten realisiert, im September feierte er 80. Geburtstag: Grund genug für die Viennale, ihren ehemaligen Direktor zu ehren. In den nächsten Tagen sind zwei neue Dokus des Altmeisters und ein Porträt zu sehen, das Volkstheater feiert den Jubilar am Freitag mit einem Abend mit Filmen und Texten Herzogs.

„Cannes: 90 Prozent Schrott. Berlinale: 95 Prozent Schrott. Venedig: 90 Prozent Schrott“, so qualifizierte Herzog kürzlich in der Deutschen Kinemathek die Kollegenschaft ab. So sei es auch mit den Serien. „Aber der Unterschied ist, dass meine Filme anders sind und auch besser.“

Für harte Urteile ist der in München als Werner Stipetic geborene Herzog ebenso bekannt wie für einen Hang zum Extremen – ganz gleich, ob man dabei an seine legendären Dreharbeiten mit Klaus Kinski („Fitzcarraldo“) denkt oder an seine Dokumentarfilme, in denen er schon einmal die Antarktis durchquert („Begegnungen am Ende der Welt“).

Unbescheiden schreiben: „Nicht schlechter als Büchner“

Eine gewisse Unbescheidenheit zeichnet den Großregisseur dabei nicht nur im Bezug auf seine Filme aus: Er wolle nicht schlechter schreiben als Kafka oder Kleist, meinte er über seine Bücher. „Das heißt, wenn ich ein Buch publiziere – zum Beispiel ‚Eroberung des Nutzlosen‘ oder die Wanderung nach Paris ‚Vom Gehen im Eis‘ – das darf nicht schlechter sein, als Büchner es geschrieben hätte.“

Veranstaltungshinweise

Die Viennale zeigt noch am 26.10. und 29.10. Herzogs „Theater Of Thought“ und am 26.10. Thomas von Steinaeckers Doku „Radical Dreamer“.

Das Volkstheater zeigt am 28.10. „Halluzinationen“, einen Abend von und mit Werner Herzog.

Menschen, Geschichten und Landschaften der Extreme verfolgt er seit Jahrzehnten. „Ich versuche, ein guter Soldat zu bleiben. Ein guter Soldat des Kinos“, sagt der Regisseur in dem Künstlerporträt „Werner Herzog – Radical Dreamer“ von Regisseur Thomas von Steinaecker, das im Rahmen der Viennale läuft. „Mein Leben hat einen Sinn, wenn ich eine Geschichte erzähle, von der ich weiß, dass sie tief in uns schlummert“, resümiert der Filmemacher in der Doku.

Tanz mit dem Vulkan

Einer solchen Geschichte versucht er auch in seiner Doku „The Fire Within“ auf die Spur zu kommen – einem „Requiem“ für Katia und Maurice Krafft, ein französisches Vulkanologenpaar, das 1991 starb. Aus ihren Aufnahmen destilliert Herzog eine Geschichte von deren Leidenschaft für die Naturgewalten der Vulkane – und erklärt die Kraffts ex post zu Künstlern. Sie hätten aufgehört, Wissenschaftler zu sein, und seien Filmemacher geworden – und damit zu Komplizen des Erzählers Herzog, der die Bilder zu einem rauschhaften Musical montiert.

The Fire Within: A Requiem for Katia and Maurice Krafft
© Maurice and Katia Krafft & Titan Films
Aufnahmen der Kraffts in Herzogs suggestiver Montage: „The Fire Within“

Sendungshinweise

ORF III zeigt am 28.10. einen Herzog-Schwerpunkt: In einem „Kultur Heute Spezial“ lässt Herzog seine Karriere Revue passieren. Danach gibt es „Königin der Wüste“, den Dokumentarfilm „Mein liebster Feind“ sowie die beiden Arbeiten mit Klaus Kinski, „Fitzcarraldo“ und „Aguirre, der Zorn Gottes“, zu sehen.

„Es gibt keine Wahrheit in der Erinnerung“ lautet ein zentraler Satz Herzogs in „Radical Dreamer“ – ein Satz, der sich auch wie ein ironischer Kommentar anhört, der vorführt, wie er fremde Bilder und Geschichten in seinen eigenen Werkkosmos einfügt. Mit der Doku „Theater Of Thought“ begibt sich Herzog, ebenfalls im Rahmen der Viennale, auf eine Spurensuche nach den Leistungen und Fehlleistungen des menschlichen Hirns.

Prägend für den Neuen Deutschen Film

Mit Kollegen wie Wim Wenders, Rainer Werner Fassbinder und Volker Schlöndorff prägte Herzog den Neuen Deutschen Film. Er suchte starke Persönlichkeiten und extreme Geschichten. Mit Klaus Kinski, dem exzentrischen Star gemeinsamer Filme wie „Aguirre, der Zorn Gottes“ und „Fitzcarraldo“, drehte er in den 1970er und 1980er Jahren unter schwierigsten und gefährlichen Bedingungen im südamerikanischen Dschungel. Das tobsüchtige Schauspielgenie holte er auch für „Nosferatu – Phantom der Nacht“ und „Woyzeck“ vor die Kamera. In der Doku „Mein liebster Feind“ ließ er sich über ihre Hassliebe aus.

„Man spürt diese Wildheit, die nur sehr wenige Regisseure erzeugen können“, bescheinigt Schauspieler Robert Pattinson dem Filmemacher in der Doku „Radical Dreamer“. Es habe sie enorm gereizt, sich in diese „Werner-Welt“ zu begeben und Dinge zu wagen, erzählt Nicole Kidman. In Herzogs „Königin der Wüste“ verkörpert die Oscar-Preisträgerin die britische Forscherin Gertrude Bell, die Anfang des 20. Jahrhunderts entlegene Wüstenregionen des Nahen Ostens erkundete. „Twilight“-Star Pattinson spielt an ihrer Seite.