Colin Farrell im Film THE BANSHEES OF INISHERIN
Jonathan Hession/Searchlight Pictures/20th Century Studios
„The Banshees of Inisherin“

Eine Männerfreundschaft auf Abwegen

Was bedeutet es, wenn einem der beste Freund von einem Tag auf den anderen die Freundschaft kündigt? „The Banshees of Inisherin“ ist eine schwarze Komödie über männlichen Schmerz mit einem großartigen Colin Farrell in der Hauptrolle. Der Film startet im Jänner 2023 in den österreichischen Kinos.

Jeden Tag, pünktlich um 14 Uhr, holt der Milchbauer Padraic (Colin Farrell) seinen besten Freund Colm (Brendan Gleeson) von zu Hause ab, um ins Pub zu gehen. Die jahrelangen Kumpels leben auf der abgelegenen, fiktiven Insel Inisherin vor der irischen Westküste. Es ist das Jahr 1923, und auf dem Festland tobt der irische Bürgerkrieg. Hie und da schallt Kanonendonner herüber, die Insel bleibt aber unberührt.

Padraic und Colm sind ein Freundespaar, das unterschiedlicher nicht sein könnte: Ersterer hat das, was man als schlichtes Gemüt bezeichnen würde. Er ist sanft, unschuldig und kann sich stundenlang über „Eselkacke“ unterhalten, der andere hingegen ist ein Denker: Er spielt Geige, komponiert Musik und wird immer wieder von existenziellen Verzweiflungsschüben geplagt.

Brendan Gleeson und Colin Farrell im Film THE BANSHEES OF INISHERIN
Jonathan Hession/Searchlight Pictures/20th Century Studios
Von einem Tag auf den anderen kündigt Colm (Brendan Gleeson) die Freundschaft zu seinem langjährigen Freund Padraic (Colin Farrell)

„Gestern mochtest du mich noch“

Eines Tages beschließt Colm aus heiterem Himmel, dass er Padraic einfach nicht mehr mag. Dieser versteht die Welt nicht mehr und sagt fassungslos: „Gestern mochtest du mich noch.“ Von nun an will Colm weit weg von Padraic in der Kneipe sitzen und kein Wort mehr mit ihm wechseln. Der Grund ist allen im Ort zunächst ein Rätsel, die Erklärung schließlich ebenso: Ihm sei bewusst geworden, so Colm, dass der Tod nahe, und er seine letzten Jahre mit Komponieren verbringen wolle (das Lied, das er schreibt, trägt den Titel „The Banshees of Inisherin“), statt sie mit sinnlosen Gesprächen mit Padraic im Pub zu verschwenden.

Padraic ist am Boden zerstört und kann das Aus nicht akzeptieren – verzweifelt versucht er, die Freundschaft zu Colm wiederzubeleben. Unterstützung bekommt er dabei von seiner Schwester Siobhan (umwerfend: Kerry Condon), mit der er sich ein Haus teilt. Sie, eine intelligente und starke Frauenfigur im Film, leidet unter dem tristen Leben auf der isolierten Insel. Sie liebt ihren Bruder, verzweifelt aber gleichzeitig an dessen einfältiger Art – trotzdem hält sie zu ihm. Als Colm ihr sagt, dass er Padraic langweilig finde, antwortet sie: „Das war er immer schon, was ist jetzt anders?“

Kerry Condon im Film THE BANSHEES OF INISHERIN
Jonathan Hession/Searchlight Pictures/20th Century Studios
Siobhan (Kerry Condon) leidet unter dem tristen Leben auf der Insel

Tragikomischer Balanceakt

Regisseur Martin McDonaghs Film ist eine schwarzhumorige, philosophische Studie über Einsamkeit und das Verlassenwerden, der es hervorragend gelingt, zwischen tragikomisch, schockierend und herzzerreißend zu balancieren. Farrell und Gleeson standen schon 2008 in McDonaghs Spielfilmdebüt „Brügge sehen … und sterben?“ gemeinsam vor der Kamera. Die Dynamik zwischen den beiden Charakterdarstellern und die pointierten Dialoge aus der schwarzen Komödie über ein ungleiches, irisches Auftragskillerduo hat sich in „The Banshees of Inisherin“ bewahrt.

Filmhinweis

Die Viennale zeigt „The Banshees of Inisherin“ am 29. Oktober um 13.00 Uhr im Gartenbaukino.

Der Film startet im Jänner 2023 in den österreichischen Kinos.

Bei den Filmfestspielen von Venedig im September 2022 feierte der Film als Wettbewerbsfilm Premiere. Der 46-jährige Ire Farrell wurde als bester Darsteller für seine Rolle geehrt, der Film bekam außerdem den Preis für das beste Drehbuch.

Im echten Leben sind Farrell und sein irischer Kollege Gleeson gute Freunde. Die Dreharbeiten waren für die Schauspieler daher nicht einfach, wie Farrell der französischen Nachrichtenagentur AFP in Venedig verriet. Die Spannungen im Film hätten auch auf die Stimmung am Set „abgefärbt“. „Es war sowohl sehr vertraut als auch völlig einzigartig“, berichtete Farrell über die Dreharbeiten. „In ‚Brügge sehen … und sterben?‘ ging es um eine sich aufbauende Freundschaft.“ Der neue Film erzähle das Gegenteil: „Eine schmerzhafte, gewaltsame Auflösung einer Freundschaft.“