Als der Mond ins Wohnzimmer kam

Es mag nur ein „kleiner Schritt“ für den US-Astronauten Neil Armstrong gewesen sein, als er vor 50 Jahren als erster Mensch den Mond betrat, doch die Landung auf dem Erdtrabanten war zweifellos ein großer Sprung für die Medien - und die Politik. Schon der Start von Apollo 11 am 16. Juli 1969 wurde von Millionen Menschen im Fernsehen verfolgt, die Landung zog die ganze Welt in den Bann. Nicht zuletzt deshalb steht der Mond ein halbes Jahrhundert später erneut im Mittelpunkt.
Am 20. Juli 1969, kurz nach 21.17 Uhr, vermeldet Armstrong die erfolgreiche Landung der Mondlandefähre per Funk: „The Eagle has landed.“ Schon Stunden vor dem Ausstieg aus dem engen Gefährt ist das „Space Race“, das Rennen ins All zwischen der Sowjetunion und den USA inmitten des Kalten Kriegs, damit entschieden.
Landefähre "Eagle" auf dem Mond AP/NASA
„The Eagle has landed“: Am 20. Juli, dreieinhalb Tage nach dem Start in Florida, setzte die Mondlandefähre auf der Oberfläche auf
Im Missionsablauf von Apollo 11 der US-Raumfahrtbehörde (NASA) ist für Armstrong und die Nummer zwei auf dem Mond, Edwin „Buzz“ Aldrin, nach der Landung eigentlich eine mehrstündige Schlafpause eingeplant, doch dazu kommt es nicht: Stattdessen bereiten die beiden ihren Ausstieg aus der Fähre vor. Die Luke der Landefähre „Eagle“ wird um 3.39 Uhr geöffnet, durch die sich Armstrong in seinem Raumanzug anschließend mit viel Anstrengung zwängt.
Armstrong, der nur noch wenige Sprossen einer Leiter von der Mondoberfläche entfernt ist, öffnet zunächst eine Klappe des Mondlandemoduls. Dahinter ist neben Instrumenten für die bevorstehenden Forschungsarbeiten auf dem Mond auch eine Kamera angebracht, damit der Ausstieg auf der Erde live mitverfolgt werden kann.
Neil Armstrong beim Verlassen der Mondlandefähre AP/NASA
Eine Kamera war an der Seite der Mondlandefähre angebracht, um Armstrong und Aldrin beim Ausstieg zu filmen
Buzz Aldrin verlässt die Mondlandefähre NASA
Buzz Aldrin beim Verlassen der Mondlandefähre, fotografiert von Neil Armstrong mit einer Mittelformatkamera
Buzz Aldrin auf der Mondoberfläche
Auf der Oberfläche wurden zahlreiche Experimente durchgeführt
Experimente auf dem Mond
Insgesamt zweieinhalb Stunden verbrachten die Astronauten auf der Oberfläche
Die Erde aus Sicht von Apollo 11 NASA
Auch zahlreiche Fotos wurden geschossen und zur Erde zurückgebracht
Flugplan von Apollo 11 AP/Ted Shaffrey
Der Flugplan von Apollo 11 enthält den genauen Ablauf der Mondmission
Simulation eines Mondspaziergangs NASA
Vor dem Abflug trainierten Armstrong und Aldrin die Abläufe auf der Oberfläche
Dann steigt der Astronaut die Leiter hinab: Vor der letzten Stufe testet Armstrong noch, ob er auch wieder hinaufklettern kann, dann pausiert er kurz, um der Zentrale in Houston und dem versammelten internationalen Fernsehpublikum die Beschaffenheit des Mondsandes zu beschreiben. Schließlich, um 3.56 Uhr MEZ, pünktlich zur besten Sendezeit in den USA, betritt Armstrong als erster Mensch den Mond.
AP/NASA

„One small step ...“

AP/NASA
In dem Moment, als er den Mond betritt, übermittelt Armstrong in Richtung Erde wohl eine der bekanntesten Aussagen des 20. Jahrhunderts: „That's one small step for (a) man, one giant leap for mankind“ - „ein kleiner Schritt für den Menschen, ein großer Sprung für die Menschheit“. Knapp zwanzig Minuten später folgt ihm Kopilot Aldrin, der den Mond als „großartige Trostlosigkeit“ beschreibt.

Armstrongs erste Schritte

Zweieinhalb Stunden dauerte der Spaziergang auf dem Mond insgesamt, das Programm war dicht: So hüpfte Aldrin etwa über die Oberfläche, um die Bewegungsabläufe im Hinblick auf die geringere Schwerkraft einerseits, die größere Last durch den Raumanzug andererseits zu testen. Medienwirksam erklärte er vor laufender Kamera jeden Schritt. Auch das Sammeln von Gesteinsproben, insgesamt rund 25 Kilo, war Teil der Mission, genauso wie ein Experiment zur Untersuchung des Sonnenwindes.
Buzz Aldrin auf der Mondoberfläche Reuters/NASA
Eines der bekanntesten Fotos der Raumfahrtgeschichte zeigt Buzz Aldrin, Neil Armstrong spiegelt sich in dessen Visier
(A) Man

Armstrong bestand lange Zeit nach der Mondlandung darauf, dass er „a man“ und nicht nur „man“ in seinen berühmten Worten gesagt hatte - auf der Erde wurde jedoch nur „One small step for man“ empfangen. Analysen der Tonaufnahmen geben bis heute keine eindeutige Antwort - die NASA selbst setzt das A deshalb in Klammer, auch wenn es keinen direkten Hinweis gibt, dass Armstrong es tatsächlich gesagt hat.
Aber vor allem die politischen Statements von der Mondoberfläche blieben über die Jahrzehnte im Gedächtnis. Schon beim Verlassen des „Eagle“ wurde eine Gedenktafel enthüllt: „An dieser Stelle betraten erstmals Menschen vom Planeten Erde den Mond. Juli 1969. Wir kamen in Frieden für die gesamte Menschheit“, stand auf ihr geschrieben. Aldrin und Armstrong verlasen die Botschaft. Es wird vermutet, dass sie in diesem Moment über eine halbe Milliarde Menschen hören konnten, die das Ereignis im Fernsehen verfolgten.
Als ikonisch gilt auch das Bild der US-Flagge auf der Mondoberfläche. Laut NASA eineinhalb mal einen Meter groß, angebracht an einem Mast aus Aluminium, an der Oberseite verstärkt, damit sie im „Vakuum des Mondes ausgerollt“ bleibt, heißt es im Missionsbericht. Sie ist ebenso Motiv auf Filmaufnahmen wie auf zahlreichen Fotos, die auf dem Mond von den Astronauten gemacht wurden. Die Botschaft ist klar: Was den Russen bisher verwehrt geblieben war, hatten die USA nun erreicht.
US-Fahne und Buzz Aldrin auf der Mondoberfläche AP/NASA
Buzz Aldrin neben der amerikanischen Flagge
Unterstrichen wurde die Botschaft von einem Anruf aus dem Weißen Haus, den Armstrong auf der Mondoberfläche entgegennahm. „Hallo, Neil und Buzz. Ich spreche hier aus dem Oval Office des Weißen Hauses. Und das muss gewiss der historischste Anruf aller Zeiten sein. Für jeden Amerikaner muss das der stolzeste Tag in unserem Leben sein. Und Menschen rund um den Globus, da bin ich mir sicher, werden Amerika für diese immense Leistung anerkennen“, so US-Präsident Richard Nixon.
APA/ORF.at
„Während ihr aus dem Meer der Ruhe ('Sea of Tranquility') zu uns sprecht, sind wir inspiriert, unsere Bemühungen zu verdoppeln, Ruhe und Frieden auch auf die Erde zu bringen. Für einen unbezahlbaren Moment in der Geschichte der Menschheit sind alle Menschen auf der Erde wirklich eins: eins in ihrem Stolz auf das, was ihr getan habt, und eins in unseren Gebeten, dass ihr sicher zur Erde zurückkehrt.“

Kennedys Plan geht knapp auf

Für diese acht Tage, in denen Apollo 11 von der Erde zum Mond und zurück flog, waren die USA tatsächlich im Zentrum der Aufmerksamkeit - für US-Präsident Nixon eine willkommene Abwechslung inmitten von Rassenunruhen innerhalb der USA, dem Vietnam-Krieg und dem Kalten Krieg. Dass die USA das Rennen ins All „gewinnen“, galt jedoch lange Zeit alles andere als gesichert.
Denn bis dahin beherrschten die Russen das Geschehen im Weltall: Erst hatten sie mit Sputnik den ersten Satelliten im All, im April 1961 war mit Juri Gagarin auch ein Russe der erste Mensch im Weltraum. Der damalige Präsident John F. Kennedy erkundigte sich daraufhin bei seinem Vize Lyndon B. Johnson, wie man die UdSSR schlagen könne, etwa ob eine Mondlandung das „Space Race“ entscheiden würde. Johnson bejahte.
Satellit "Sputnik 1" AP/NASA
Der Satellit „Sputnik 1“ wurde 1958 von den Russen als erster Satellit ins Weltall befördert
Schon im Mai 1961 trat Kennedy daraufhin vor den Kongress und gab ein ambitioniertes Ziel vor: Noch „vor dem Ende des Jahrzehnts“ wolle man einen „Menschen zum Mond schicken und ihn wieder zurück zur Erde holen“. In die Reise auf den Mond wurden 25 Milliarden US-Dollar investiert, die NASA schätzt, dass rund 400.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an dem Vorhaben beteiligt waren.
Die Astronauten von Apollo 1 in einem Swimmingpool APA/NASA
Die Crew von Apollo 1 konnte nie ins All starten
Im Rahmen des Apollo-Programms der NASA wurde fortan daran gearbeitet, eine bemannte Mondlandung zu bewältigen - mit zahlreichen Anlaufschwierigkeiten: So wurde die im Nachhinein in Apollo 1 umgetaufte erste bemannte Mission noch vor dem Start den drei beteiligten Astronauten zum Verhängnis. Sie kamen bei einem Brand, der bei einem Testlauf entstanden war, ums Leben - für das Apollo-Programm ein herber Rückschlag.
Die Mischung aus politischem Zweck, reichlich Geld und wohl auch Leichtsinn führte letztlich dazu, dass sich das Apollo-Programm bis zur geglückten Mondlandung im Juli 1969 doch noch zum Erfolg entwickelte. Mit der „Saturn V“-Rakete wurden Kommando-, Service- und Mondmodul zuerst in den Erdorbit und später in den Mondorbit befördert, ehe sich die Mondlandefähre vom Rest abkoppelte.

Der unsichtbare Dritte

Während Armstrong und Aldrin an Bord des „Eagle“ und anschließend auf der Mondoberfläche Geschichte schrieben, blieb der dritte Astronaut der Apollo-11-Mission, Michael Collins, im Kommandomodul und kreiste um den Mond. Dass er alleine auf der dunklen Seite des Mondes war, vom Funkverkehr mit der Erde abgeschnitten und ohne seine Kollegen, brachte ihm den Titel des „einsamsten Menschen aller Zeiten“ ein.
Das Kommandomodul „Columbia“ AP/NASA
Ein Blick auf das Kommandomodul „Columbia“ aus Perspektive der Mondlandefähre
Collins selbst sah das naturgemäß anders. Zwar soll er in der Kapsel notiert haben: „Ich bin jetzt wirklich alleine und absolut alleine von jeder bekannten Lebensform.“ Doch über seine Gefühlslage schrieb er in seiner Autobiografie: „Bewusstheit, Erwartung, Zufriedenheit, Vertrauen, fast schon Jubel“. Eines, worauf Collins oft hinwies, ist jedenfalls unumstritten: Er war für den Erfolg der Mission wesentlich - immerhin war es seine Aufgabe, Armstrong und Aldrin „abzuholen“.
Michael Collins im Kommandomodul AP/NASA
Michael Collins blieb während Armstrongs und Aldrins Mondspaziergang im Kommandomodul
Damit war vor allem der psychische Stress für Collins enorm, wie er danach schrieb. Denn was wäre passiert, wären Armstrong und Aldrin auf der Mondoberfläche nicht erfolgreich gewesen? Von einem Fehler bei der Landung bis hin zu Komplikationen beim Andockmanöver war das Fehlerpotenzial enorm. Die Angst davor, alleine zurückzukehren und die beiden Astronauten auf dem Mond zurückzulassen, habe ihn monatelang begleitet, so Collins.

„Im Falle eines Mondunglücks“

Auf einen Fehlschlag von Apollo 11 bereitete sich auch der US-Präsident vor - ein Memo mit dem Titel „Im Falle eines Mondunglücks“, datiert auf den 18. Juli, also nur zwei Tage vor der Landung, enthält eine fertige Rede, die praktisch das Ableben von Armstrong und Aldrin verkündet. „Das Schicksal hat bestimmt, dass die Menschen, die zum Mond geflogen sind, um ihn in Frieden zu erforschen, auf dem Mond bleiben werden, um dort in Frieden zu ruhen“, so die einleitenden Worte. Ein Vermerk darunter empfiehlt Nixon, er solle „die künftigen Witwen anrufen“.
Dazu kam es jedoch nicht: Die Mondlandefähre konnte von der Oberfläche abheben, das Andocken verlief erfolgreich. Collins, Armstrong und Aldrin waren im Kommandomodul „Columbia“ wiedervereint. Am 24. Juli, drei Tage nachdem der „Eagle“ angedockt hatte, kehrte die Apollo-11-Mannschaft in die Erdatmosphäre zurück und schlug mit ihrer Kapsel im Pazifik ein - nur wenige Kilometer vom Flugzeugträger „USS Hornet“ entfernt, der die Astronauten in Empfang nahm.
Aldrin, Armstrong und Collins vor dem Kommandomodul AP/NASA
Die drei Apollo-11-Astronauten Aldrin, Armstrong und Collins vor dem Kommandomodul „Columbia“
Ehe die drei zu Paraden rund um den Globus geladen wurden, wurden sie von den USA zuerst jedoch unter Quarantäne gestellt: 21 Tage mussten sie von der Außenwelt abgeschottet verbringen, um auszuschließen, dass sich auf dem Mond Krankheitserreger eingeschlichen haben. Erst spätere Apollo-Missionen verzichteten auf diese Phase.

Rückkehr unter Quarantäne

Die Begrüßung der drei Astronauten an Bord der „Hornet“ durch Präsident Nixon war damit ein seltsamer Anblick: Armstrong, Aldrin und Collins lächelten aus der kleinen Kabine, während Nixon den Einsatz der Mannschaft lobte. „Als Ergebnis dessen, was ihr getan habt, war die Welt noch nie so nah beieinander wie jetzt“, so Nixon. Noch einmal war der Blick des Publikums, das Apollo 11 über mehr als eine Woche vor allem im Fernsehen verfolgte, auf die USA gerichtet - mit der Rückkehr der Astronauten ging schließlich auch das bis dato größte Medienereignis, unter Regie der USA, zu Ende.
ORF

Der erste Fernsehmarathon

ORF
28 Stunden und 18 Minuten: So lange begleitete der ORF die Mondlandung im Fernsehen. Weltweit sollen nach Schätzungen insgesamt rund 600 Millionen Menschen das Ereignis verfolgt haben. Für die USA war die Mondlandung damit nicht nur ein großer Sprung für die Raumfahrt, sondern eine gute Gelegenheit, den eigenen Erfolg international zu vermarkten.
Die Mondlandung ist damit auch gleichzeitig ein Stück Fernsehgeschichte, nicht zuletzt in Österreich. 1969 stand zwar erst in rund der Hälfte der heimischen Haushalte ein Fernseher, dennoch waren mehr als zehnmal so viele Geräte angemeldet als Ende der 1950er. In den USA war der Siegeszug des Fernsehens schon weiter voran: Anfang der 1960er war bereits in 90 Prozent der Haushalte ein Fernsehgerät vorhanden.

Große Spannung in Österreich

Für die NASA war die Mission ins All immer auch PR: So war bereits 1968 Apollo 8 ein enormes Medienspektakel - es blieb das größte bis Apollo 11. Das erste bemannte Raumschiff, das den Mond umkreiste, startete am 21. Dezember, die Fernsehübertragung zu Weihnachten wurde rund um den Globus ausgestrahlt. Mit dem „Earthrise“-Foto, das die Erde hinter der Mondoberfläche zeigt, gelang der NASA das vielleicht einflussreichste Foto, das die Raumfahrt je hervorgebracht hat. Seither war das Apollo-Programm fixer Teil des US-Fernsehprogramms.
Die Erde hinter der Mondoberfläche NASA/Bill Anders
„Earthrise“, aufgenommen vom Astronauten Bill Anders im Zuge von Apollo 8, ist eines der bekanntesten Fotos aus dem All
Schon der Start von Apollo 11 in Cape Canaveral in Florida, obwohl unter der Woche und an einem Vormittag, stand im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit: Rund eine Million Menschen verfolgten den Start auf Stränden, Park- und Campingplätzen in der Nähe der Startplattform. Gäste der NASA waren Politiker aus den USA, Dutzende Botschafter - und noch deutlich mehr Medienvertreter aus zahlreichen Ländern, die ihre Mikrofone und Kameras auf den Start der „Saturn V“-Rakete richteten.
"Saturn V"-Rakete beim Start Reuters
„Lift-off“: Die „Saturn V“-Rakete bringt Apollo 11 ins All
Auch die NASA selbst dokumentierte jeden einzelnen Schritt der Mission, die Behörde war „immer sehr transparent“, so der Historiker Christian Klösch, der im Technischen Museum Wien die Ausstellung „High Moon“ kuratiert. Damit standen die USA im Kontrast zur Sowjetunion, die meist „erst im Nachhinein Vollzugsmeldungen“ zu ihren Errungenschaften im All gebracht habe, so Klösch.
Ex-US-Präsident Lyndon B. Johnson und US-Vizepräsident Spiro Agnew www.picturedesk.com/Ullstein Bild
Der ehemalige US-Präsident Lyndon B. Johnson und der damalige Vizepräsident Spiro Agnew waren beim Start von Apollo 11 anwesend
Aldrin, Collins, Armstrong und Donald „Deke“ Slayton beim Frühstück NASA
Armstrong, Aldrin und Collins, gemeinsam mit Ex-Astronaut Donald „Deke“ Slayton, beim letzten Frühstück vor dem Start der Mission
NASA-Kommandozentrale in Houston NASA
Prominentes Motiv im Fernsehen war die NASA-Kommandozentrale in Houston, die den Flug durchgehend überwachte
"Saturn V"-Rakete vor der US-Flagge NASA
Vor den Schaulustigen und Hunderttausenden Fernsehzuschauern startete die „Saturn V“-Rakete zum Mond
Autos und Zelte auf einem Strand in Florida Reuters
Selbst auf Stränden rund um Cape Canaveral versammelten sich Tausende Menschen, um den Start von Apollo 11 mitzuverfolgen
Während der Westen im Juli 1969 die Augen kollektiv auf den Mond richtete, war das auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs keine Selbstverständlichkeit. Zwar berichtete die Sowjetunion „intensiv“, so Monika Bernold, Dozentin am Institut für Zeitgeschichte der Uni Wien. Livebilder seien aber nur „einem kleinen Kreis an politischen Eliten“ zugänglich gewesen. In China wurde über die Mondlandung gar nicht berichtet, so Bernold - während hingegen Polen auch hinter dem Eisernen Vorhang Apollo 11 live übertrug.

Das lange Warten

In Österreich entwickelte sich die heiße Phase von Apollo 11 unterdessen zum ersten Fernsehmarathon der Geschichte. Die von Peter Nidetzky, Hugo Portisch, Othmar Urban und dem „Mond-Pichler“, Herbert Pichler, moderierte Sendung begleitete die Mondlandung. Im improvisierten Studio gleich neben dem Wiener Tiergarten Schönbrunn saßen mit Ingrid Kurz und Erich Simak auch zwei Dolmetscher, die regelmäßig die Funksprüche übersetzten - sofern es Berichtenswertes gab.

Die Momente vor dem Ausstieg

Die Mondlandung im ORF

Der ORF setzt anlässlich des Jubiläums der Mondlandung einen Programmschwerpunkt. Tarek Leitner moderiert am Dienstag in ORF2 eine Sondersendung mit zahlreichen prominenten Gesprächspartnern, anschließend wird die Dokumentation „Das Weltevent - mit Puls 160 zum Mond“ ausgestrahlt - mehr dazu in tv.ORF.at. Auch Ö1 bietet einen Themenschwerpunkt - mehr dazu in oe1.ORF.at.
Denn nachdem die Mondlandung am Abend österreichischer Zeit über die Bühne ging, mussten danach für das Fernsehpublikum viele Stunden Wartezeit überbrückt werden. Portisch, als Chefkommentator des ORF, bewertete zwischendurch die Situation aus außenpolitischer Sicht. Mit seiner Sendung „Der Mensch im Raum“ war unterdessen der „Mond-Pichler“ bereits in den Jahren zuvor als Experte fürs All bekannt - auch während der Mondlandung erklärte er für das Fernsehpublikum die Vorgänge im All.
Nidetzky erzählte später, dass man zwar viel Material aus den USA vorbereitet hatte, für eine derart lange Zeitstrecke reichte dieses aber nicht aus, weswegen vor allem in den Nachtstunden auch improvisiert wurde. Dazwischen informierte Dolmetscherin Kurz über den aktuellen Stand der Dinge im All und in den USA, das Fernsehsignal zeigte lange Zeit nur die Kommandozentrale in Houston. Die Botschaften aus dem All waren dazu nicht leicht verständlich: Einerseits verwendete man zur Kommunikation mit der Erde eine Vielzahl an Fachausdrücken, andererseits musste das Signal einen langen Weg zurücklegen, die Tonqualität ließ dementsprechend zu wünschen übrig.
Hugo Portisch im ORF-Studio ORF
ORF-Chefkommentator Hugo Portisch kommentierte das Ereignis im Fernsehen
Portisch, Pichler, Nidetzky und Urban ORF
Das mehrköpfige ORF-Team, bestehend aus Portisch (hinten rechts), Herbert Pichler (hinten links), Peter Nidetzky (vorne links) und Othmar Urban (vorne rechts)
Ein Raumanzug wird im ORF-Studio präsentiert ORF
Mit ansehnlichen Beispielen, etwa der Präsentation eines Raumanzugs, wurde die Wartezeit für das Fernsehpublikum verkürzt
Moderatoren vor dem Übertragungswagen ORF
Vor dem Bau des ORF-Zentrums in den 1970ern wurde in temporären Studios am Rande des Schönbrunner Schlossparks gefilmt
In den USA moderierte Nachrichtensprecher Walter Cronkite im Fernsehsender CBS die Mondlandung, dem es im Moment der Landung die Sprache verschlug, ehe er „Ein Mensch auf dem Mond, oh Junge, wow!“ ins Mikrofon sagen konnte. Die US-Fernsehsender arbeiteten mit der NASA zusammen - CBS hatte für das Ereignis etwa Simulationen vorbereitet, die statt des eher statischen Blicks auf die Kommandozentrale das momentane Geschehen im All abbilden sollte, um so die Zeit zu überbrücken.
Walter Cronkite im Fernsehstudio www.picturedesk.com/Everett Collection
Walter Cronkite moderierte für den US-Fernsehsender CBS die Mondlandung
Dass die USA das Publikum in Europa bis zur besten Sendezeit auf ihrem Kontinent warten ließen, glaubt Klösch nicht. Viel mehr sei der Ausstieg durch die ausgelassene Schlafpause „so hingerutscht“, so Klösch. In den öffentlich abrufbaren Protokollen der Mission lässt sich nachlesen, dass man sich des guten Sendetermins jedenfalls bewusst war: „Ihr Burschen bekommt einen Platz zur besten Sendezeit“, so die Nachricht der Bodenstation an die Mondlandefähre.
Im heimischen Fernsehen war der Ausstieg um kurz vor 4.00 Uhr zu verfolgen, die Marathonsendung damit an ihrem Höhepunkt mitten in der Nacht angekommen. Für das Fernsehen war die Mondlandung nicht nur das erste Großereignis, gleichzeitig auch die beste Werbung für das Medium: Ein knappes Jahrzehnt später gab es eine Million angemeldete Fernsehgeräte mehr in Österreich.
Ein Fernseher zeigt die Mondlandung ORF
Zum Zeitpunkt der Mondlandung gab es in rund jedem zweiten Haushalt einen Fernseher

Hartnäckige Verschwörungstheorien

Schon bald nach der Mondlandung wurden unterdessen Zweifel an der Echtheit geäußert - die Verschwörungstheorien rund um Apollo 11 halten sich bis heute hartnäckig. Die amerikanische Flagge habe geweht, obwohl es keinen Wind gab, die Strahlung würde die Astronauten töten, bei der Übertragung soll gar für einige Sekunden eine Cola-Flasche zu sehen gewesen sein, so die Behauptungen der Verschwörungstheoretiker.
Vom Winde verweht

Fünf der im Zuge der Apollo-Missionen aufgestellten sechs USA-Flaggen befinden sich noch auf dem Mond, wie Aufnahmen aus dem Jahr 2012 zeigen. Ausgerechnet die erste, von den Apollo-11-Astronauten aufgestellte Fahne ist darauf jedoch nicht zu sehen - laut Aldrin ist sie beim Abflug durch den Ausstoß des Triebwerks der Mondlandefähre umgefallen.
Mit jeder widerlegten Theorie tauchte in den Jahrzehnten nach Apollo 11 eine neue auf - nur um wenig später ebenfalls widerlegt zu werden. Selbst Regisseur Stanley Kubrick wurde vorgeworfen, an der angeblichen Fälschung der Mondlandung mitgewirkt zu haben - ein Gerücht, das selbst seine Tochter erst vor wenigen Jahren erneut zurückweisen musste.
Abgesehen von unzähligen Beweisen spricht für viele Expertinnen und Experten vor allem ein Argument gegen eine Fälschung: Inmitten des Kalten Krieges hätte die Sowjetunion eine mögliche Vortäuschung einer Mondlandung wohl am ehesten ausgeschlachtet, ist sich auch der Historiker Klösch sicher. Doch selbst Moskau zweifelte nicht an der Landung. Die „Prawda“ berichtete auf der Titelseite über die Geschehnisse, die Sowjetunion gratulierte den USA gar zum Erfolg. Zweifler wurden dadurch - weit über das Ende des NASA-Mondprogramms hinaus - jedoch nicht besänftigt.

Kein Medienspektakel seit Apollo 11

Apollo 11 bleibt bis heute der mediale Höhepunkt der Raumfahrt - die Nachfolgemission Apollo 12 im November des Jahres, die zweite bemannte Mondlandung, ist kaum mehr als eine geschichtliche Fußnote. Charles „Pete“ Conrad, der dritte Mann auf dem Mond, stieg unter der Woche und für die USA sehr früh aus der Mondlandefähre, um den Mond zu betreten. „Hui, das war vielleicht ein kleiner Schritt für Neil, aber für mich ist das ein ganz schön großer!“, kommentierte Conrad seine Schritte. Die NASA hatte erstmals eine Farbkamera an Bord, doch Alan Bean, der vierte Mann auf dem Mond, richtete sie direkt auf die Sonne - und zerstörte sie dadurch.
Mondrover von Apollo 17 AP/NASA
Apollo 17 hatte einen Mondrover, ein Gefährt, um die Mondoberfläche zu erkunden, an Bord - es war die letzte Mondmission der NASA
Am 7. Dezember 1972 startete Apollo 17 als letzte der NASA-Missionen, um noch einmal Menschen auf den Mond zu bringen - es war eine Mission der Superlative: Es war die längste der Missionen, mit den längsten Arbeiten auf der Mondoberfläche und mit der größten Menge an Mondgestein, die auf die Erde zurückgebracht wurde. Das Fernsehpublikum konnte man dadurch kaum noch vor die Bildschirme locken. Das einst prestigeträchtige, aber nun vor allem teure Apollo-Programm wurde anschließend beendet. 1975 war der Wettlauf ins All endgültig vorbei: Im Juli, rund sechs Jahre nach der Mondlandung, starteten die Sowjetunion und die USA eine erste gemeinsame Mission - es war gleichzeitig das letzte Mal, dass ein Apollo-Modul ins All gebracht wurde.
Rendering einer Mondbasis ESA
Eine Basis auf dem Mond ist Science-Fiction, die eher früher als später wahr werden könnte

Ein neuer Wettlauf

ESA
Seit dem Ende des Apollo-Programms waren keine Menschen mehr auf dem Mond, doch der Erdtrabant hat über die Jahrzehnte kaum an Faszination verloren. Während vor einigen Jahren noch der Mars als nächstes Ziel der Raumfahrt galt, ist mittlerweile der Mond zurück in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. 50 Jahre nach der ersten Mondlandung steht dabei einmal mehr nicht nur die Erforschung, sondern auch die Politik im Fokus. Auch Europa beteiligt sich am neuen Wettlauf ins All.
Die European Space Agency (ESA), in den 1970er Jahren gegründet, ist für Europas Raumfahrt zuständig. Die Mondlandung war durchaus dafür mitverantwortlich, dass sich eine entsprechende Behörde überhaupt finanzieren lässt. „Es ist unwahrscheinlich, dass es ohne die Mondlandung jemals so ein nachhaltiges astronautisches Programm gegeben hätte“, so Markus Landgraf, der bei der ESA für Planung und Umsetzung von Missionsprojekten zuständig ist. Nicht zuletzt habe das Ereignis auch die „nächste Generation von Ingenieuren und Wissenschaftlern inspiriert“. Der Aufbruch in den Weltraum sei Zeitgeist gewesen, so Landgraf - „und da sind wir jetzt auch wieder“.
Ulf Merbold an Bord des Spaceshuttles "Columbia" AP/ESA
Der deutsche Ulf Merbold war Teil der ersten bemannten ESA-Mission

Zurück zum Mond noch vor dem Mars

Ende 2017 unterzeichnete US-Präsident Donald Trump die „Space Policy Directive 1“, die eine Rückkehr von Menschen auf den Mond vorsieht - gefolgt von Missionen auf den Mars und darüber hinaus. „Wohl auch, weil der Nutzen (einer Marsmission, Anm.) zu weit in der Zukunft liegt“, so Landgrafs Einschätzung.
Auch die ESA schlägt nun schon für das kommende Jahrzehnt mit Heracles ein eigenes Mondprogramm vor, gemeinsam mit Japan und Kanada. Ziel ist es unter anderem, Gesteinsproben zurück auf die Erde zu bringen. „Präzise Aussagen“ über die Zusammensetzung von Proben vom Mond seien deshalb von Bedeutung, weil dadurch viel über die Entstehung von Mond, Erde und Sonnensystem ableitbar sei, so Landgraf.
Die Raumstation ISS vor dem Mond Public Domain
Der Mond ist einmal mehr das erklärte Ziel der Raumfahrt
Großes Thema in der aktuellen Forschung ist auch Wasser auf dem Mond: Bereits 2005 wurde es spektroskopisch nachgewiesen, Modelle gehen von „mehreren Millionen Tonnen Wasser“ aus, so Landgraf - das sei jedenfalls die Theorie, die man mit weiteren Missionen belegen müsse. Früher oder später könnte man aus den Erkenntnissen eine entsprechende Karte mit der Wasserverteilung auf dem Mond erstellen, die auch für weiterführende Projekte von Bedeutung wäre.

Mondstation als greifbare Science-Fiction

Eines davon klingt aus heutiger Sicht nach Science-Fiction - ähnlich wie die Mondlandung vor 50 Jahren: eine Basis auf dem Mond. „Technologisch ist das in greifbare Nähe gerückt“, so Landgraf - sonst sei man aber noch relativ weit davon weg. Die Idee einer Basis sei aber „nicht so verrückt“: Die „größte Herausforderung ist vielleicht, dass man die Mondnacht überleben muss“ - dafür müsse man vorhandene Technik aber nur zur „nötigen Reife“ bringen, so Landgraf.
Das Umsetzen solcher utopisch klingenden Vorhaben ist dadurch vor allem eine Geldfrage - und eine Frage der Größe, denn eine Basis würde sich erst lohnen, wenn „permanent zehn bis 20“ Astronautinnen und Astronauten auf dem Mond sind, so die Vermutung. Im Hinblick auf den Mars könnte der Mond dann als „Testbasis“ fungieren. Das gilt etwa für Fahrzeuge, die auf der Mondoberfläche zum Einsatz kommen, „im Prinzip“ aber auch auf dem Mars einsatzfähig wären, sagte Landgraf. Darüber hinaus könnte der Mond aber auch als Quelle von Ressourcen für die eigentliche Raumfahrt in Richtung Mars dienen, so der ESA-Experte.
Rendering einer Mondbasis ESA
Astronautinnen und Astronauten könnten die Ressourcen des Mondes nützen

Astronauten auch in Zukunft von Bedeutung

Nachdem rund vier Jahrzehnte kein Mensch mehr auf der Mondoberfläche gegangen ist, bleibt die Frage, ob man - vor allem im Hinblick auf technische Errungenschaften - überhaupt noch Astronauten zum Mond schicken muss. Zweifellos gilt es als prestigereich, wenn man Menschen ins All schickt. Viele Problemstellungen im All lassen sich aber mittlerweile auch automatisiert lösen.
Doch „der Nachteil von automatischen Missionen ist eben, dass man keine Intelligenz an Bord hat“, so Landgraf. „Astronauten sind als Menschen bei gleichem Fähigkeitslevel viel besser als Maschinen.“ Bei 80 Kilogramm Körpergewicht habe man viel mehr „Mobilität und kognitive Fähigkeiten“, die man in einer Maschine mit vergleichbarem Gewicht nicht unterbringen könnte.
Natürlich spielen auch Kosten eine wesentliche Rolle - die ESA arbeitet mittlerweile, wie die meisten Raumfahrtbehörden, auch mit Unternehmen aus der Privatwirtschaft zusammen, hinzu kommen gemeinsame Projekte mit anderen Staaten. Die internationale Kooperation ist dabei nicht nur eine Möglichkeit, Kosten untereinander aufzuteilen - selbst wenn man Programme selbst stemmen könnte, würde man auf die friedliche Zusammenarbeit mit anderen Ländern setzen, heißt es vonseiten der ESA. Zusätzlich gebe es viele während der Apollo-Missionen getätigte Investitionen, die immer noch einsatzfähig sind: von Bodenstationen über Startrampen bis hin zu Triebwerken und Technologien.

Auf der Suche nach dem nächsten großen Sprung

Ob bemannt oder nicht: Der Mond wird damit wohl erneut das nächste Ziel der Raumfahrt sein. Und auch wenn der kooperative Charakter dieser Missionen - zumindest auf europäischer Ebene - hervorgehoben wird, ist für Beobachterinnen und Beobachter klar, dass hier ein neuer Wettlauf ins All stattfindet - nicht zuletzt aufgrund der beteiligten Parteien.
"Falcon"-Rakete beim Start in Florida Reuters/Thom Baur
SpaceX, das Projekt von Tesla-Gründer Elon Musk, mischt in der heutigen Raumfahrt kräftig mit
Die USA, Russland, China und Japan planen mit ihren jeweiligen staatlichen Raumfahrtbehörden Projekte auf dem und rund um den Mond. Indien scheiterte erst am vergangenen Wochenende mit einer Mondmission - es wäre das vierte Land gewesen, dem eine Landung auf dem Erdtrabanten gelang. Frankreich kündigte unterdessen ein eigenes Weltraumkommando an. Hinzu kommen zahlreiche privat finanzierte Vorhaben, etwa SpaceX von Tesla-Gründer Elon Musk und Blue Moon von Amazon-Chef Jeff Bezos. Die ESA führt Mondmissionen in Zusammenarbeit sowohl mit der NASA als auch mit Konzernen durch.
Damit ist das Teilnehmerfeld deutlich breiter als noch vor fünfzig Jahren - die Rhetorik ist aber praktisch unverändert, die Mondlandung dadurch eher mehr Politikum als wissenschaftlicher Meilenstein. Es bleibt abzuwarten, ob kleine Schritte auf dem Mond reichen werden, um die Menschen noch einmal gemeinsam in den Bann zu ziehen - oder ob erst der Mars als nächster großer Sprung in die Geschichte der Raumfahrt eingehen wird.

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Gestaltung:

Florian Bock (Text), Roland Winkler (Bildrecherche), Mario Palaschke (Lektorat), alle ORF.at

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