Spiegelung der bunten Häuserfassade auf dem Hauptplatz in Schärding
ORF.at/Carina Kainz
Stimmung

Politik zwischen Resignation und Aufbruch

Sehr durchmischt ist die Stimmung anlässlich der Neuwahl und der Ereignisse, die dazu geführt haben: Von „Ich geh nicht mehr wählen“ bis zu großen Hoffnungen und Wünschen an die nächste Regierung reicht der Bogen der „Wahlstimmen“. Das Gefühl, nicht gehört zu werden, frustriert viele, ebenso die Angst vor einer Spaltung der Gesellschaft.

„Dass im Herbst wieder gewählt wird, ist für viele Menschen eine große Belastung, das spaltet die Gesellschaft, weil das Vertrauen in die Politiker verloren gegangen ist“ – so wie Martina Aschauer in Zell am See beschreiben viele Menschen auf der ORF.at-„Wahlstimmen“-Tour die aktuelle Stimmung. Öfter heißt es schlicht und einfach: „Ich hab genug, ich geh nicht mehr wählen.“

Einerseits herrscht das Gefühl vor, „das bringt eh alles nix“, andererseits fehlt vielen das grundsätzliche Vertrauen in die Politik und die handelnden Personen – hierzu haben laut den „Wahlstimmen“ die vergangenen Wochen und Monate nicht gerade positiv beigetragen. Weiters herrscht eine gewisse Wahlmüdigkeit, auch weil in einzelnen Bundesländern ebenfalls vorgezogene Wahlen anstehen.

„Bestmögliches für alle erreichen“

„Politik besteht darin, dass man versucht, sich mit Gegebenheiten so auseinanderzusetzen, dass man das Bestmögliche für alle erreicht“, sagt Franz Fichtinger in Zwettl.

„Sehr enttäuscht“ von Politikern

Er sei „sehr enttäuscht“, sagt Manfred Neuhold in Gleisdorf, dass in der Politik keine ganze Legislaturperiode durchgehalten und vernünftig gearbeitet werde, „wie es ja von jedem verlangt wird“, also auch von den Bürgern und Bürgerinnen. Ein oft gehörtes Argument. Er habe ohnedies den Eindruck, die Politiker würden ihre Aufgabe nicht „so wirklich ernst“ nehmen, meint Karl Sorger, und das betreffe alle Parteien.

„Wahlkampfkosten enorm“

Manfred Neuhold ist überzeugt, dass die vielen Wahlen Wähler und Wählerinnen abschrecken – und er findet die Wahlkampfkosten „enorm“.

Petra Demuth in Zwettl kritisiert weiters, dass Politiker selten Verantwortung übernehmen und nicht „zu Dingen stehen“, sondern sich rausreden mit „Ah so, hab ich das falsch verstanden“ – keine Freundschaft würde so ein Hin und ein Her aushalten.

Eignungstest für Ministerposten?

Viele Politiker sind laut Sorger zudem nicht unbedingt geeignet für den Job – er vermisst in diesem Zusammenhang klare Vorgaben für die Eignung für einen Ministerposten, aber in weiterer Folge auch Konsequenzen, wenn ein Politiker mal „einen schlechten Job“ macht. Andreas Blauensteiner in Zwettl ist überhaupt der Meinung, dass Politiker, wenn sie nicht gut arbeiten, einfach kein Geld mehr bekommen, sie seien ohnedies zu gut bezahlt.

Team des ORF.at-„Wahlstimmen“-Busses im Gespräch mit Passanten in Reutte, Tirol
ORF.at/Carina Kainz
Vielerorts wünschen sich die Menschen von den Politikern einen respektvolleren Umgang miteinander und „weniger Hickhack“
Ausschnitt aus dem ORF.at-Wahlstimmenstudio
ORF.at

Im „Wahlstimmen“-Studio

Ab 20.9. lesen Sie in ORF.at/wahlstimmen die Reaktionen der Spitzenkandidaten auf die Statements der ORF.at-„Wahlstimmen“-Tour. Alle bundesweit antretenden Parteien und Listen sind ins ORF.at-Studio eingeladen.

Die Neuwahl an sich wird vor der Kamera oft als Möglichkeit eines Neustarts begrüßt, egal für welche Partei. Der in Vorarlberg geborene und wohnhafte Türke Iskender Iscakar hofft etwa darauf, dass es eine Gegenbewegung zum „Rechtsruck“ in der Regierung gibt, damit auch Ausländer und „integrierte Menschen“ wie er sich in Österreich wohlfühlen können.

Neue Konstellationen erwünscht

Elfriede Haider aus Schärding wiederum, seit kurzem „Türkis-Anhängerin“, setzt darauf, dass die ÖVP unter Sebastian Kurz trotz des Gegenwinds weitermachen kann – vorzugsweise mit NEOS statt FPÖ. Wobei ihr eine Koalition mit Rot ebenfalls gefallen würde, wenn auch das Verhältnis zwischen ÖVP und SPÖ etwas zerrüttet sei, wie sie selbst meint.

Es gibt natürlich Stimmen, die sich gegen die Neuwahl aussprechen, etwa wegen der hohen Kosten, aber auch, weil sie die Arbeit der bisherigen Regierung schätzen. Allerdings äußern sich nur wenige Menschen, die sich explizit zur FPÖ bekennen, vor der „Wahlstimmen“-Kamera, oft mit dem Argument, dass ihre Meinung ohnedies niemand hören will oder sie sonst in Rage gerieten. Kritik für die Neuwahl gibt es für die SPÖ, öfter aber wegen des Auslösers für die FPÖ, auch von FPÖ-Wählern.

„Stimmung sehr gedämpft“

Die Motivation zu wählen ist laut Josef Parzer in Schärding sehr gedämpft, er werde aber auf alle Fälle wählen gehen.

Trotz aller Verdrossenheit – das Thema Politik ist den meisten wichtig und der Wunsch nach Stabilität groß, wie etwa Josef Lechner in Zell am See meint. Ein respektvoller Umgang miteinander, „weniger Hickhack“ und eine „Diskussionskultur, die auch für Junge vorbildhaft ist“ stehen ganz hoch im Kurs – am öftesten wird aber „Ehrlichkeit“ und „Authentizität“ verlangt, auch in der Kommunikation mit den Menschen. Mehrfach lobend erwähnt wird der unaufgeregte Kurs der Übergangsregierung – und der Wunsch, dass diese einfach bleiben solle.

„Jemand muss bestimmen und anschaffen“

Politik sei zudem kein Selbstzweck, sondern eine Notwendigkeit, denn „irgendwer muss bestimmen und anschaffen“, sagt Franz Höfer in Zwettl. Er hoffe, dass „der Geist des Herrn Klein nach den Wahlen am 29. September für alle Zeit vergangen ist“ und man wieder zum Wohle der Bevölkerung agiert und tätig ist, sagt auch Franz Fichtinger. Es gibt zudem klare Aufträge: Die Politik müsse sich auf die lösbaren und lokalen Probleme konzentrieren, meint Bernhard Blair in Mattersburg.

„Jeder kann mitbestimmen“

Eine hohe Wahlbeteiligung wünscht sich Gerda Haffer-Hochrainer in Mattersburg – denn schließlich könne jeder Wähler und jede Wählerin mitbestimmen.

Nichtwählen ist für manche aber schlicht keine Option. Sie wünsche sich, dass viele Menschen zur Wahl gehen, sagt Gerda Haffer-Hochrainer aus Mattersburg, denn jeder Einzelne könne mitbestimmen und sagen „Ich will, dass das so bleibt oder ich will, dass ganz etwas anderes kommt“. Oder wie es Ingeborg Hiel aus Gleisdorf ausdrückt: „Ich geh auf alle Fälle wählen, weil Nichtwählen ist eine Feigheit (…) Man muss schon überlegen und dann wählen, wo man glaubt, das ist am besten für mich.“