Blick auf die Häuserfassade auf dem Hauptplatz in Feldkirch
ORF.at/Carina Kainz
Wohlstand und Verteilung

Armut als „weggedrücktes“ Thema

Durch alle Bundesländer ist der „Wahlstimmen“-Bus von ORF.at gefahren. So unterschiedlich die Gegenden geografisch waren, so verschieden waren auch lokale Sorgen und Ängste. Doch es gab freilich genügend Ausnahmen: Soziale Fragen waren allerorts Thema – unabhängig von wirtschaftlicher bzw. struktureller Stärke der Regionen.

Auf die Frage, was die wichtigste Leistung der Politik sein sollte, sagt etwa Dana Loretz aus Amerlügen, einem Ortsteil von Frastanz, Folgendes: „Eigentlich ist wichtig, dass sie machen sollen, dass wir lang leben können und dass Arme wie Reiche teilen.“ Die junge Frau fügt hinzu: „Reiche sollen nicht so gierig sein – weil wir Armen sind eigentlich meistens die Großzügigeren, finde ich.“

Arm und Reich in Österreich – ein großes Thema

„Reiche sollen nicht so gierig sein“, sagt Dana Loretz in Feldkirch

Das Statement bringt die Frage nach sozialem Ausgleich und Gerechtigkeit bzw. entsprechende Erwartungen und Einstellungen auf den Punkt. Auch eine weitere „Wahlstimme“ in Feldkirch, der Mann wollte anonym bleiben, argumentierte in diese Richtung: „Die Leistungen der Politik sollten sein, für die Zukunft zu sorgen, in die Zukunft zu investieren und auch soziale Unterschiede im Lande auszugleichen.“

„Sollten nicht am Minimum hängen bleiben“

Interessant ist, dass in den beiden Fällen dieselbe Frage gestellt wurde – eben jene nach der wichtigsten Aufgabe, die Politik wahrzunehmen hat. Tatsächlich gab es auch darüber hinaus viele Statements, die die soziale Verantwortung der Politik als primär hervorstrichen. Bei den anderen Stellungnahmen zu diesem Dauerthema ging es vielfach um die brennende Frage, wie Menschen von ihrem Lohn leben können.

„Die Menschen sollten mehr vom Gewinn haben, den Firmen erzielen und sich ein schönes Leben leisten können. Sie sollten nicht nur am Minimum hängen bleiben. (…) Berufe wie Friseure und Friseurinnen haben immer noch ein so geringes Einkommen – das muss dringend erhöht werden“, sagt Isabel Hörting in Reutte. Auch betont sie, dass Reichtum auf der Welt nicht gleichmäßig verteilt ist – auch in Österreich.

Hauptplatz in Zell am See mit Interviewpartnerin, Zuschauern und Passanten
ORF.at/Carina Kainz
Das ORF.at-„Wahlstimmen“-Set in Zell am See. Die Gemeinde ist sehr wohlhabend – Grund dafür: der Tourismus

„Lebenswertes Leben das Allerwichtigste“

Schauplatz Zell am See – eine durch den blühenden Tourismus im Ort und der Region reiche Gegend: „Für mich ist die Armut in Österreich das Allerwichtigste, das die Regierung zu lösen hat. Es gibt so viele arme Menschen in Österreich, die unter dem Existenzminimum leben und von Mindestsicherung (bzw.) Sozialversicherung abhängig sind – trotz Arbeit. Das ist das Allerwichtigste, dass wieder ein lebenswertes Leben passiert“, sagt Martina Aschauer in Zell am See.

Lösung für Armut „wichtigstes Thema“

„Das wichtigste Thema, das die Regierung zu lösen hat“, sagt Martina Aschauer in Zell am See

„Nie 100 Prozent Gerechtigkeit“

Ähnliche Meinung – anderer Ort: In Simmering, einem jener Wiener Bezirke, die im städtischen Vergleich im Schnitt weniger einkommensstark sind, sagt Markus Rauscher: „Gerechtigkeit gibt es im Leben nie zu 100 Prozent.“ Die Politik müsse es aber „so gut wie möglich ausgleichen, dass es nicht nur Superreiche gibt und sehr viele Arme“, so Rauscher. Die Politik solle Arme und Reiche nicht spalten – alles solle „zusammenwachsen“.

Ausschnitt aus dem ORF.at-Wahlstimmenstudio
ORF.at

Im „Wahlstimmen“-Studio

Ab 20.9. lesen Sie in ORF.at/wahlstimmen die Reaktionen der Spitzenkandidaten auf die Statements der ORF.at-„Wahlstimmen“-Tour. Alle bundesweit antretenden Parteien und Listen sind ins ORF.at-Studio eingeladen.

„Weggedrückte“ Armut

Ebendort, in Wien-Simmering, sagt Martina Beil, dass Armut in den Städten „weggedrückt“ werde, und das Thema nicht sehr prominent sei. Den Grund dafür liefert sie anschließend: „Alle Themen, mit denen man nichts gewinnen kann, sind unpopulär, weil man möchte eben Stimmen kriegen“, sagt die Wienerin.

Eine Hoffnung hängt Beil an: „Vielleicht gibt es so gute Menschen in der Politik, die (jetzt) prominente Themen machen und (nach der Wahl) auch die weniger prominenten Themen ergreifen und etwas tun – das ist ein Wunsch.“ Generell müsse es so sein, dass „ein Mensch, der fleißig arbeitet, wieder so viel verdient, dass er sich sein Leben leisten kann“, sagt Beil.

„Irgendwas läuft schief“

Auch sieht sie eine veränderte Situation: „Wir haben eine wirtschaftliche Politik, die so ist, dass Menschen zwar urviel arbeiten können – beide: Papa, Mama – und sich am Ende des Monats mit null am Konto wieder vorfinden. Und das war früher nicht so. Irgendwas läuft schief“, sagt Beil.

Ebenfalls in Wien werden Leben vom Einkommen und Altersarmut zum Thema: Marianne Kessler äußert Zweifel, ob man in ein paar Jahrzehnten „noch von Pensionen leben kann“. Und: "Früher hat mein Opa die Familie ernähren können (…) Wer kann das heutzutage noch, dass nur mehr einer arbeiten geht in der Familie (…)? Es ist klar, dass sich das im Wandel der Zeit ändert, aber ich finde, am Ende muss halt mehr Netto vom Brutto sein.

Teure Mieten

In der Frage der Vermögensverhältnisse spielt auch das Thema Wohnen stark hinein: Insbesondere in Feldkirch und Wien wurde das Problem mehrfach genannt. Michael Brandl aus Simmering berichtet von den teuren Mieten in Wien.

Selbst im vergleichsweise günstigen Bezirk sei Wohnen für viele oft unmöglich: „Ich habe selber schon fünf bis sechs Leute kennengelernt, die sich das Wohnen da einfach nicht mehr leisten haben können und die dann auf das Land rausgezogen sind, weil einfach die Mieten wesentlich niedriger sind.“