ORF.at-„Wahlstimmen“-Bus auf dem Arlbergpass
ORF.at/Carina Kainz
Blick von außen

So sehen Deutsche Österreich

Wie werden die heimische Politik und die Ereignisse der letzten Monate von außen gesehen? Bei der „Wahlstimmen“-Tour haben wir einige Deutsche getroffen, die in Österreich leben und einen mitunter differenzierteren Blick auf Österreich haben.

Er sehe einen deutlichen Unterschied zwischen Österreich und Deutschland, sagt Martin Dorfner, der seit zwölf Jahren in Gleisdorf wohnt und dort Beauftragter für Fair-Trade ist. Es gehe viel mehr um Parteipolitik, da die Staatsinstitutionen praktisch alle über Parteipolitik besetzt würden.

Entsprechend sei der Einfluss der Parteien größer als in Deutschland, wo Kontakte etwas versteckter seien, meint er. In Österreich sehe man die Verbindungen zwischen Wirtschaft und Politik hingegen „an allen Ecken und Enden“. Wegen Freunderlwirtschaft hätten in Deutschland schon hochrangige Politiker ihren Job verloren, „das wird in Österreich nicht stattfinden“.

„Mehr Parteipolitik in Österreich“

In Österreich würden mehr Posten über Parteipolitik besetzt als in Deutschland, sagt Martin Dorfner in Gleisdorf.

Die Themen, die die Politik und die Gesellschaft in beiden Ländern beschäftigen, seien gleich, auch wie mit der „Ibiza-Affäre“ umgegangen werde: Der Inhalt des Videos sei in der Debatte verloren gegangen – und er komme auch nicht wieder. Gleich sei auch, dass viel mit Angst gearbeitet werde, vor allem mit Existenzangst: Jeder müsse arbeiten, um zu überleben. Dorfner findet, die Politik müsste eigentlich daran arbeiten, dass die Leute ohne Angst leben könnten.

Sozialsystem wird sehr geschätzt

Durch seine Eltern ist Dieter Marfiewiecz bereits seit 1965 in Österreich, seit 1978 lebt er in Schärding – wie Dorfner ist auch er Deutscher geblieben. Marfiewiecz findet, dass die sozialen Bedingungen in Österreich wesentlich besser geregelt sind als in Deutschland.

Maurice Sujda im Gespräch mit der ORF.at-„Wahlstimmen“-Crew auf dem Hauptplatz in Völkermarkt
ORF.at/Carina Kainz
Im Zuge der „Wahlstimmen“-Tour haben sich auch einige Deutsche geäußert

Es sei erschreckend, was etwa Pensionisten in Deutschland bekämen, er höre immer wieder, dass man davon nicht leben könne. Auch die Voraussetzungen für Pflege sind seiner Ansicht in Österreich nach besser. Löhne und Mieten sind für ihn wichtige Themen in der Gegend, man müsse von 40 Stunden Arbeit auch halbwegs vernünftig leben können.

Eva Wohlfarth ist den umgekehrten Weg gegangen – sie ist in Österreich geboren und wohnt mittlerweile in Deutschland, wählt aber in Österreich. Die vergangene Regierung sei in Deutschland sehr positiv aufgenommen worden, erzählt sie, es seien Impulse gesetzt worden, die man sich in Deutschland vielleicht auch gewünscht hätte. Entsprechend sei man betroffen über die Neuwahl – auch sie selbst.

Schock noch nicht „verarbeitet“

Bereits einen Antrag auf Einbürgerung gestellt hat Maurice Sujda, der in Kühnsdorf im Bezirk Völkermarkt geboren, aber in Deutschland groß geworden ist. Er fühle sich in Österreich sehr wohl, die Politik sei, von Teilbereichen abgesehen, angenehmer als in Deutschland – aber es gebe überall Probleme. Die Österreicher schätzt er für ihre Kommunikationsfähigkeit, die Mehrheit frage einem „ein Loch in den Bauch“, hinterfrage aber auch viel.

„Es gibt nur einen Pickel am Arsch“

Außensicht auf der „Wahlstimmen“-Tour: Sujda, der schon länger in Österreich lebt, kommentiert die innenpolitischen Verhältnisse

Für seinen Geschmack kam die Neuwahl in Österreich zu schnell, die Menschen hätten keine Chance gehabt, den Schock über die verlorene Kanzlerschaft für Sebastian Kurz zu „verarbeiten“. Sujda wünscht sich einen fairen Wahlkampf und dass die Menschen erkennen, wer gut für sie sei. Thematisch ist er für niedrigere Steuern und mehr grüne Energie – vor allem im Bereich Wasserstoff.