Grüner, blauer, roter, rosafarbener, ockerfarbener und türkiser Würfel vor der blauen ORF.at-Wand im „Wahlstimmen“-Studio
ORF.at

Eine Wahl und ihre Koalitionsgespenster

Nicht nur ein Gespenst geht um bei dieser Wahl, bei der angeblich schon so vieles entschieden sein soll. Es sind die Koalitionsgespenster, die bis ins Finale dieser Wahl herumspuken. Warnen die einen vor einer Neuauflage von Türkis-Blau, sehen die anderen ohnedies schon Türkis-Grün-Pink ausgemacht. Oder mobilisieren mit Rot-Grün-Pink. Fest steht im Moment nur: Bei Goethe steht das so jedenfalls nicht in der „Farbenlehre“.

Ein Remix der Kandidatenstimmen auf der „Wahlstimmen“-Couch von ORF.at macht deutlich. Auch in unserem Studio ist das Gespenst der Koalitionsvarianten nach der Wahl umgegangen. Am wahrscheinlichen Wahlersten zweifelt im Moment niemand. Er selbst wohl auch nicht. Aber die Gretchenfrage ist, wie es „profil“-Chefredakteur Christian Rainer vor zwei Wochen auf den Punkt brachte (als einige Entwicklungen der letzten Tage noch nicht bekannt waren): „Die Entscheidung, die der ÖVP-Chef treffen muss, reduziert sich auf die Frage: FPÖ oder nicht FPÖ. Mit dem Jahr 2017 ist die Sachlage nicht vergleichbar.“

Die Was-wäre-wenn-Koalitionen

Die „Wahlstimmen“-Couch und die allseitigen Warnungen vor möglichen Koalitionsszenarien.

Dass die Situation anders ist als vor zwei Jahren betonte auch ÖVP-Chef Sebastian Kurz auf der „Wahlstimmen“-Couch, als er von einem Bürger aus Zell am See gefragt wurde, ob er bei dieser Wahl „besser“ überlegen werde, wer denn der passende Koalitionspartner sei. Damals, so argumentierte Kurz bei ORF.at, habe er eigentlich nur eine Wahl gehabt. „So wie es derzeit ausschaut, gibt es mehrere Koalitionsvarianten“, so Kurz, der zugleich seine Koalitionswarnung mit in den Raum stellte: „Die Wahl ist noch nicht geschlagen. Mein großes Ziel, meine große Hoffnung ist es, dass keine Koalition an uns vorbei möglich ist, weil ich eines genau weiß: Wenn es eine rot-grün-pinke Mehrheit gibt, dann wird Rendi-Wagner Bundeskanzlerin sein und nicht ich.“

Für die angesprochene SPÖ-Chefin gibt es wiederum nur ein Ziel: „Es braucht eine starke SPÖ, um zu verhindern, dass wir die Politik der letzten 18 Monate der ‚Ibiza-Koalition‘ nach dem 29. wieder in Österreich haben. Das gilt es zu verhindern.“

„Ich habe gehört, es gibt Gespräche“

Die SPÖ bringt FPÖ-Spitzenkandidat Norbert Hofer wieder ganz anders ins Spiel. Wenn Türkis-Grün-Pink käme, dann gäbe es im Bundesrat ein Problem: „Es könnte sein, dass man in eine Koalition mit Grünen und NEOS geht – das wäre eine Variante. Mit dem Nachteil, dass diese Koalition keine Mehrheit im Bundesrat hätte. Dann gibt es noch die Koalition mit der SPÖ – hier gäbe es eine Mehrheit im Bundesrat, ich habe gehört, es gibt hier offenbar einige Gespräche und Kontakte.“

Hofer selbst zeigte sich jedenfalls erneut bereit, mit der ÖVP eine Neuauflage für eine Koalition zu wagen. Gesagt hat er das bei ORF.at am 18. September bei der Aufzeichnung seines Interviews.

„In keiner Welt geht sich Rot-Grün-NEOS aus“

Bei der Frage, ob NEOS unbedingt in eine Koalition mit der ÖVP wollten, positionierte sich NEOS-Chefin und -Spitzenkandidatin Beate Mein-Reisinger mit dem klaren Ausschluss dreier Koalitionsvarianten. Weder wolle sie eine Fortsetzung der „Ibiza-Koalition“, noch eine „Koalition mit angezogener Handbremse“ von ÖVP und SPÖ. Und zur von Kurz ins Spiel gebrachten Warnungsvariante Rot-Grün-Pink, sagte Meinl-Reisinger: „Sebastian Kurz wird den Kanzler stellen. Er wird auch den Auftrag zur Regierungsbildung bekommen. Im Übrigen finde ich das immer sehr lustig, wenn er sagt, es darf keine Mehrheit gegen ihn geben. Abgesehen von Allmachtsfantasien. In keiner Welt geht sich Rot-Grün-NEOS aus.“

Pilz und das Szenario für den Kontrollor

Peter Pilz maximierte für die Liste JETZT am Schluss seines Interviews auch die Warnung vor den Koalitionsgeistern. Dass Werner Kogler von den Grünen Vizekanzler werde, kam Pilz „sehr wahrscheinlich“ vor: „Nach dem, was in den letzten Tagen rausgekommen ist, ist es noch klarer. Die wirklich unbestechliche Kontrolle werden nicht die Grünen sein. Das können nur wir. Und das ist heute vielleicht der größte Unterschied zwischen Grünen und uns. Und wenn die Grünen in der Regierung sind und sich – ich wünsche ihnen viel Glück – dort bemühen für Klimaschutz, dann unterstütze ich das. Aber ich möchte jede Regierungspartei penibel genau im Parlament kontrollieren.“

Kogler von den Grünen wollte sich auf Koalitionsvarianten in seinen Beiträgen auf der „Wahlcouch“ nicht einlassen. Zu sehr beschäftigte ihn eine Frage: reinkommen, nachdem man bei der letzten Wahl so hauchdünn an der Vierprozentmarke gescheitert war. Eines werde es auf jedenfalls ab dem 30. September brauchen: Gespräche und eine Form von Anschlussfähigkeit von Politik. Denn, so Kogler: „Wir werden ja das Land nicht unregiert lassen.“