EAV-Sänger Klaus Eberhartinger im rosafarbenen Glitzersakko, Archivbild aus dem Jahr 1988
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Letztes Konzert der EAV

Sag zum Abschied leise „Ding Dong“

„Burli, Burli, Burli. Mein Gott, is unser Burli siaß …“ Kindern der 80er Jahre hat die Erste Allgemeine Verunsicherung (EAV) die ersten lebensbegleitenden Hymnen beschert. Allein die Reaktionen der Eltern ließen die vage Vermutung zu, dass es sich bei den Texten vielleicht doch um mehr handelt als Blödelei und Sprachwitz. Vielleicht. Sicher.

Rocktheater, Kabarett, Satire oder Anarcho-Exzess: Die EAV hat sich schon bei ihren Anfängen in kein Korsett pressen lassen, es sei denn, es gehörte zum Bühnenkostüm. Im Dunstkreis von legendären Underground-Größen wie Drahdiwaberl und der Hallucination Company wurde die Gruppe groß. Wenn die EAV rund um Mastermind Thomas Spitzer und Frontmann Klaus Eberhartinger am Samstag in der Wiener Stadthalle ihr letztes Konzert gibt, wird sie auf eine mehr als 40-jährige Bühnengeschichte zurückblicken. „Mehr als genug!“, so Spitzer, das letzte verbliebene der vier Gründungsmitglieder.

Die Anfänge der EAV liegen tief im Wien der 70er Jahre im linken Studenten- und Künstlermilieu, das wenig mit dem Rest von Österreich zu tun hatte. Eik Breit, Informatikstudent aus Niederösterreich, gründete mit zwei Freunden die Band Antipasta und trat in den kleinen Discos auf, die Wien damals zu bieten hatte. Auf der Suche nach einem Gitarristen hängte Breit einen Zettel auf dem schwarzen Brett der Uni Wien auf.

 Die EAV im Rahmen des Abschiedstour-Aufakts der Ersten Allgemeinen Verunsicherung in Fehring
APA/Wolfgang Hauptmann
Die EAV nimmt Abschied. Die Tournee startete im Februar im steirischen Fehring

Der – laut Angaben der Band – Einzige, der sich daraufhin meldete, war Nino Holm. Breit und Holm bildeten bereits 1974 das Gerüst der späteren EAV. Nach der vorübergehenden Beteiligung von Thomas Rabitsch, der später als Keyboarder von Falco berühmt wurde, kommen 1977 Anders Stenmo und Thomas Spitzer zur Band.

Der Kunststudent Spitzer, der bereits zusammen mit Gert Steinbäcker in einer Rockband gespielt hatte, krempelte die Gruppe komplett um. Antipasta löste sich auf, die EAV wurde geboren. Spitzer zeichnete seither für den Großteil der Texte, der Illustrationen und Ideen verantwortlich. Seine Wortkreationen, die Schüttelreime und dadaistischen Ansätze waren stets das Alleinstellungsmerkmal der Band.

„Uschi“ wider die Konsumgesellschaft

Das „Österreichische Musiklexikon“ findet tragende Worte für die Inspirationsquellen der EAV: „International wurde der ebenfalls im Umfeld der Kunstschulen entstandene Comix-Rock der EAV durch die post-pop-art Ära und die explizite Reflexion des Pop-Geschäftes im Performance Rock wie später in der Medienkonzeptarbeit von Malcolm MacLaren mit den Sex Pistols vorbereitet. Die massenhaft rezipierte Rocky Horror Picture Show hat möglicherweise die Rezeption theatralischer Show-Rockformen begünstigt.“

EAV-Frontmann Klaus Eberhartinger und Gitarrist Thomas Spitzer
APA/Wolfgang Hauptmann
Mit Eberhartinger (li.), dem dritten Hauptsänger der Band, kam die EAV zum Erfolg

Die Ideen der EAV drehten sich um eine Mischung aus Rock und Comic, den anarchischen Stil entlehnte man aus Punk und Kabarett. Das erste Programm „Uschi im Glück“ gab sich politisch und handelte von bösen Verlockungen der Konsumgesellschaft. Die Mitglieder der Gruppe schneiderten selbst die Kostüme für die wilde Theatershow, sie erstellten Kulissen und Masken. Die Plakate wurden mit einer selbst gebauten Siebdruckmaschine gefertigt. „Ob die höchst giftigen Farben und Lösungsmittel, die bei dem Herstellungsprozess in der nicht gelüfteten Wohnung verwendet wurden, bei den Musikern bleibende Schäden hinterlassen haben, ist nicht überliefert“, so die EAV auf ihrer Homepage.

Starthilfe durch Wilfried

Den Namen Erste Allgemeine Verunsicherung will man sich in einer durchsoffenen Nacht gegeben haben, beim Vorbeilaufen am Haus der 1. Allgemeinen Versicherung in Wien. Nur wenige Schritte weiter in der Wiener Innenstadt war die Band in ein verlassenes Abbruchhaus eingezogen, zwei Stockwerke über Gittis Jazz-Keller. Der erste Sänger und Geburtshelfer der Band wurde Wilfried Scheutz, der in Österreich schon mit „Ziwui Ziwui“ bekannt war.

Das erste Album erscheint samt beigelegtem Comicheft – es wird ein Achtungserfolg in mageren Jahren. Die Gruppe war ein Jahr nach ihrer Gründung hochverschuldet. Eine Tour durch Deutschland mit 20 D-Mark pro Abend als Gage brachte da nicht gerade die wirtschaftliche Erholung. Doch künstlerisch ging es weiter voran. Das zweite Programm „Cafe Passe“ bekam starke politische Züge und wurde vor allem in Deutschland gut angenommen. Die Krise folgte jedoch 1980: Die Band stand nach dem Suizid von Mitsänger und Bühnenakteur Walter Hammerl fast vor dem Aus. Die Mitglieder zerstreute es in verschiedene Himmelsrichtungen.

Ein „brauchbarer“ Start

Spitzer und Eberhartinger über die Anfänge ihrer Zusammenarbeit

Mit dem Einstieg von Thomas Spitzers Freund Klaus Eberhartinger 1981 erhielt das Projekt aber wieder neuen Antrieb. Eberhartinger wurde zuerst Kosänger, dann Hauptsänger, Conferencier und schließlich Gesicht der Band. Vor seinem ersten Auftritt bei der EAV hatte der Noch-Student und Globetrotter keinerlei Bühnenerfahrung. Mit 31 Jahren hielt er das erste Mal im Leben ein Mikrofon in der Hand. Doch Spitzer bestand auf Eberhartinger und überredete diesen, mitzumachen. Nach drei Tagen „Bearbeitung“ willigte Eberhartinger schließlich ein.

Geld, Leben und Bombendrohungen

Erst 1983 – sechs Jahre nach Gründung, Tournee und Tonträgern aus Eigenproduktion – erhält die EAV schließlich den ersten richtigen Plattenvertrag. Schon die erste Veröffentlichung („Alpenrap“) schafft den Sprung in die deutschen und österreichischen Charts. Das dazu gehörige Album „Spitalo Fatalo“ erlangt Platz fünf in Österreich.

Der endgültige Durchbruch gelang 1985 mit dem Album „Geld oder Leben“, das die wohl größten Hits und hartnäckigsten Ohrwürmer beinhaltete. „Märchenprinz“, „Heiße Nächte in Palermo“ und „Fata Morgana“ gehörten zum Soundtrack der österreichischen 80er Jahre. Der Langspieler wurde das erfolgreichste Album der EAV, es erreichte in Österreich Platz eins und hielt sich 78 Wochen in den Charts. „Ba-Ba-Banküberfall“ wurde auch ins Englische übersetzt – „Ba-Ba-Bankrobbery“ wurde allerdings in Großbritannien 1986 zum schlechtesten Video des Jahres gekürt.

Im deutschsprachigen Raum folgten ab nun aber regelmäßig Chartplatzierungen. Auch mit dem Erfolg wollte sich die EAV aber nie als reine Spaßtruppe verstanden wissen. Sie trat öffentlich auch gegen Rechtsextremismus auf, was ihr unter anderem Bombendrohungen von Neonazis einbrachte.

Jörg Haider klagte zweimal

Jörg Haider klagte zweimal wegen „übler Nachrede“ – einmal mit Verurteilung, einmal ohne. Etliche Lieder wurden von Radiosendern boykottiert. „S’Muaterl“ wurde wegen seiner Kirchenkritik bekämpft, „Burli“ wurde als beleidigend empfunden. Die EAV spielte „Burli“ aber weiter und sorgte damit gleich für den nächsten Eklat: Das Lied wurde umgetextet und bezog sich als „Kurti“ auf den damaligen Bundespräsidenten Kurt Waldheim und dessen Umgang mit seiner Nazi-Vergangenheit. Waldheims Klagsdrohung verlief im Sande.

„Die einen verstehen es, die anderen missverstehen es. Nur wenn es alle missverstehen, hast du einen Hit“, sagte Spitzer in einem Interview mit dem „Falter“ 2018. Das sei das Beste, was passieren könne. Songs wie „Märchenprinz“ und „Küss die Hand, schöne Frau“ seien „Hymnen sowohl der emanzipierten Frauen als auch der Macho-Arschlöcher“ gewesen, so Spitzer.

Auf zur „Einäscherung“

Die kommerziellen Erfolge der EAV blieben weiterhin nicht aus, auch nicht nach einer zweijährigen Auszeit. Im Schnitt kam seither alle zwei Jahre ein neues Album heraus. Mastermind Spitzer wollte aber kein aufgewärmtes Programm mehr präsentieren und zog sich teilweise zurück. Er verfolgte zuletzt seine Karriere als Zeichner und Maler stärker, kürzlich widmete ihm das Karikaturmuseum Krems eine Werkschau. 2017 musste er sich einer Herzoperation unterziehen. „Zeitlebens war er geistig krank, jetzt stirbt er endlich – gott sei dank!“, schrieb er auf Facebook. Eberhartinger verlagerte seine Karriere immer mehr ins Fernsehen. Beide verbringen mittlerweile die Hälfte des Jahres in Kenia.

Voriges Jahr kündigte die EAV unter dem Titel „1000 Jahre EAV“ ihre Abschiedstournee an. Bei einem dieser Tourkonzerte zog sich Eberhartinger Anfang August bei einem Sturz mehrere Rippenbrüche zu. Einige Auftritte mussten abgesagt werden. Am Samstag „zur großen Einäscherungsparty“ der EAV in Wien wollte er wieder fit sein. Die Show wird mitgefilmt und soll Ende November auf CD, Blu-Ray und DVD erscheinen – als Trost und Abschiedsgeschenk für die Fans, die mit der EAV älter und alt wurden.