Das Kapitol in Washington
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Rasche Ginsburg-Nachfolge

Widerstand gegen Trumps Pläne wächst

Nach dem Tod der liberalen US-Höchstrichterin Ruth Bader Ginsburg zeichnet sich ein Tauziehen um die Nachbesetzung ab. US-Präsident Donald Trump will, dass der Senat noch vor der Wahl seine Kandidatin ernennt. Das würde eine konservative Dominanz im Höchstgericht auf Jahre bedeuten. Während die Demokraten bereits an Strategien gegen eine rasche Besetzung arbeiten, wächst auch bei den Republikanern die Skepsis.

So wurde bekannt, dass zwei republikanische Senatorinnen die Wahl abwarten wollen. Sie werde kein Senatsvotum über die Nachfolgerin oder den Nachfolger Ginsburgs „so kurz vor der Wahl“ unterstützen, sagte die Senatorin Lisa Murkowski aus dem Bundesstaat Alaska. Zuvor hatte sich bereits die republikanische Senatorin Susan Collins aus Maine gegen das von Trump gewünschte schnelle Votum gestellt. Beide Senatorinnen gehören dem moderaten Parteiflügel an.

Angesichts der nur knappen Senatsmehrheit der Republikaner bedeuten die Erklärungen von Murkowski und Collins, dass Trump bei nur zwei weiteren republikanischen Abweichlern die rasche Neubesetzung am Supreme Court voraussichtlich nicht durchsetzen könnte. Die Verfassungsrichter werden zwar vom Präsidenten nominiert, doch muss der Senat zustimmen. Gelingt den Republikanern eine Nachbesetzung, hätten sie sechs von neun Verfassungsrichtern ernannt.

Menschen trauern um US-Höchstrichterin Ruth Bader Ginsburg
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Auch bei einem Gedenken an Ginsburg wurde gegen eine Neuernennung vor der Wahl aufgerufen

Biden kritisierte „Machtmissbrauch“

Auch der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden bekräftigte seine Forderung, den frei gewordenen Posten erst vom Sieger der Präsidentenwahl am 3. November besetzen zu lassen. Trumps Plan, noch vor der Wahl eine Nachfolgerin zu ernennen, sei „ein Machtmissbrauch“, kritisierte Biden scharf. Diese Nominierung durch den Senat durchzudrücken würde bedeuten, „rohe politische Gewalt auszuüben“.

Wenn Trump die Wahl gewinne, solle sich der Senat mit dessen Vorschlag für die Nachbesetzung des Obersten Gerichtshofs befassen, sagte Biden am Sonntag bei einem Auftritt in Philadelphia. „Aber wenn ich die Wahl gewinne, sollte die von Trump eingebrachte Nominierung zurückgezogen werden.“ Er appellierte an die republikanischen Senatoren: „Bitte folgen Sie ihrem Gewissen! Stimmen Sie nicht für jemanden, der unter diesen Umständen nominiert wurde!“

Zugleich bereiten sich die Demokraten darauf vor, dass Trump und die republikanische Mehrheit im Senat wie beabsichtigt Ginsburgs Posten neu besetzen. Bei den Demokraten gibt es für diesen Fall die Idee, das oberste Gericht zu vergrößern und die neuen Sitze an liberale Richter zu vergeben.

48-Jährige als Favoritin

Trump will noch diese Woche bekanntgeben, wen er für die Nachfolge nominieren möchte. „Ich glaube, es wird Freitag oder Samstag sein“, sagte er am Montag dem Sender Fox News. Trump fügte hinzu, er werde bis nach der Beisetzung Ginsburgs warten. Bereit zuvor hatte er verkündet, er werde die vakante Stelle „sehr wahrscheinlich“ mit einer Frau nachbesetzen.

Zwei Juristinnen gelten als Favoritinnen: Die 48-jährige Amy Coney Barrett lehrte an der Notre Dame Law School in Indiana, bevor sie von Trump 2017 für einen Sitz am Bundesberufungsgericht in Chicago nominiert wurde. Zweite Kandidatin ist offenbar Barbara Lagoa, die seit 2019 am Bundesberufungsgericht in Atlanta ist und zuvor am Obersten Gerichtshof des Bundesstaates Florida tätig war. Die 52-jährige Lagoa ist kubanischer Abstammung und war die erste hispanische Verfassungsrichterin in Florida.

Amy Coney Barrett und Barbara Lagoa
Reuters/Florida Supreme Court/Matt Cashore/notre Dame
Barrett (l.) und Lagoa gelten aktuell als Favoritinnen

Lagoa gilt noch eher als Kompromisskandidatin: Ihre Ernennung in ihr aktuelles Amt wurde vom Senat mit 80 zu 15 Stimmen und damit parteiübergreifend bestätigt. Für demokratische Kritik sorgte hingegen Barrett: Die konservative Katholikin und Mutter von sieben Kindern sei eine strikte Abtreibungsgegnerin und könnte als Verfassungsrichterin für eine Aufhebung von Roe vs. Wade stimmen – ein Urteil des Supreme Court von 1973, das ein landesweites Recht auf Abtreibung festschreibt.

Einfluss auf Jahrzehnte

Die politische Ausrichtung der Richterinnen und Richter beeinflusst die Rechtsprechung in den USA auf Jahrzehnte, denn sie werden lebenslang ernannt. Ginsburgs Tod sorgt dementsprechend auch im US-Wahlkampf für gröbere Verwerfungen. Mit einer Neubesetzung des Postens am Supreme Court stehen nun grundsätzlichere Fragen wie Bürgerrechte, Einwanderung, Abtreibung und das Gesundheitssystem im Raum. Für Trump ist es die einzigartige Gelegenheit, die Wahl von einer Abrechnung mit ihm und vor allem mit seinem Umgang mit der Pandemie und den Protesten gegen Rassismus zu einer Wahl über die Zukunft des Höchstgerichts zu machen.

Ginsburg war am Freitag im Alter von 87 Jahren an Krebs gestorben. Der Tod der liberalen Juristin löste über die Landesgrenzen hinaus Bestürzung aus. Die älteste Richterin am Supreme Court war 1993 vom damaligen demokratischen US-Präsidenten Bill Clinton bestellt worden und unter anderem wegen ihres Einsatzes für Frauenrechte besonders im liberalen Spektrum höchst beliebt. Zu ihren wichtigsten Errungenschaften gehört, dass sich im Supreme Court die Lesart durchsetzte, dass der 14. Zusatzartikel zur US-Verfassung die Gleichberechtigung von Frauen schützt. Auf dieser Basis konnte Diskriminierung von Frauen als verfassungswidrig angeprangert werden.