Filmstill aus „Vakuum“
Kristina Schranz
Kurzfilme und Dokus

Aliens und Co. gegen kreativen Lockdown

Über ein Jahr nach Beginn der Pandemie nehmen zunehmend Filme auf das vergangene Jahr Bezug – das schlägt sich auch in einigen Dokumentar- und Kurzfilmen der heurigen Diagonale nieder. Egal ob düsteres Südburgenland, Süchte in Kärnten oder Aliens im Allgäu: Regisseurinnen und Regisseure begegneten dem Lockdown mit viel Kreativität – und oft auch Schmäh.

Eines ist den drei Filmen „Vakuum“, „Jesus, Aliens! I Think“ und „Civilization“ trotz komplett unterschiedlicher Zugänge gemein: Sie alle sind zeitgeschichtliche Dokumente und vermitteln ein über weite Strecken sehr gut nachvollziehbares Bild des vergangenen Jahres. Alle drei zeigen dabei andere Facetten des Ausnahmezustandes.

Optisch eindrucksvoll hat Regisseurin Kristina Schranz in „Vakuum“ die Situation im Südburgenland eingefangen. Menschenleere Discos, Kirchen und Einkaufszentren vermitteln ein fast apokalyptisch wirkendes Bild des ersten Lockdowns. In persönlichen Gesprächen mit Lokalbesitzern, Familien und Lehrerinnen zeigen sich Sorgen und Ängste, die so freilich nicht nur im Burgenland zu beobachten waren.

Schranz begleitet mit der Kamera, die oft durch Fenster und ähnliches den Abstand auch optisch einhält, diese Menschen nicht nur im ersten Lockdown, sondern auch nach der Öffnung – und letztendlich auch im zweiten „harten“ Lockdown im Winter. „Vakuum“ bleibt immer nahe am Alltag, zeigt, wie sich die Stimmung verändert und wie sich die Menschen mit der Situation zunehmend arrangieren. Neben starken Bildern gelingt es der Regisseurin vor allem, das große emotionale Spektrum durch die Pandemie abzubilden. Trotz Fokus auf das Burgenland – Grenzeinsatz inklusive – zeichnet „Vakuum“ ein fast allgemeingültiges Bild des vergangenen Jahres.

Alle unter einem Dach

Auch Filmemacherin Sophie Bösker zog es zum Lockdown zurück nach Hause, in diesem Fall ins Allgäu. Zu viert unter einem Dach – das kann schon abseits von Ausnahmesituationen zum Äußersten führen, umso anstrengender ist diese Zeit wohl in der Pandemie – vor allem dann, wenn man eigentlich eine Masterarbeit machen sollte.

Und was, wenn dann auch noch die Außerirdischen kommen? „Jesus, Aliens! I Think“ zeigt einen Film im Film, fühlt sich über Strecken wie ein Making-of zu einem komplett absurden B-Movie an – und fasst damit den Wahnsinn des Lockdown-Lebens überraschend treffend zusammen.

Filmstill aus „Jesus, Aliens! I Think“
sixpackfilm
Die ganze Familie daheim im Lockdown – für viele eine Herausforderung

Ganz nebenbei setzt sich der Film auch mit Stereotypen im Familienleben auseinander, bei denen man auch manchmal als Zuschauerin oder Zuschauer die Augen verdrehen muss, so spürbar macht Böske die Situation, wenn man plötzlich das Haus nicht nur mit dem Bruder, sondern auch den Eltern teilen muss. Durch den Film im Film verwischt die Filmemacherin geschickt die Grenzen zwischen nüchterner Beobachtung und gezieltem Drehbuch. Das Resultat ist oft heiter und ziemlich schräg – die Situation letztendlich auch gut ohne Pandemie vorstellbar.

Wenn die Weltherrschaft zur Sucht wird

Auch Filmemacher Christoph Schwarz flieht mit der ganzen Familie im ersten Lockdown aufs Land, ins Kärntner Ferienhaus. Die Welt steht still und lernt kollektiv, Sauerteigbrot zu backen – doch Schwarz sollte eigentlich an einem neuen Drehbuch arbeiten. Stattdessen stößt er auf „Civilization“, jenes Strategiespiel für den PC, das schon Anfang der 90er Jahre viele Menschen viel Schlaf gekostet hat und dem Kurzfilm jetzt seinen Namen leiht.

Wiedervereint mit seiner Jugendliebe verbringt Schwarz nun eine Nacht nach der anderen mit dem Spiel, bei dem nichts Geringeres als die Weltherrschaft angestrebt wird. Die Kinder werden kurzfristig auf Schnitzeljagd geschickt, um ein paar Runden auch untertags unterzubringen – auch wenn das schlechte Gewissen längst am Filmemacher nagt. Wer auch nur einmal in den 90ern mit „Civilization“ in Berührung gekommen ist, wird sich schnell in dem Film wiederfinden.

Mit dem Computerspiel in die Selbsthilfegruppe

Und während der Filmemacher gemeinsam mit den „CivFanatics“ an einer Zoom-Selbsthilfegruppe für „Civilization“-Süchtige teilnimmt, geht es auch darum, irgendwie durch die Pandemie zu kommen. Anträge für den Härtefallfonds, weil man zwar eigentlich immer schon ein armer Künstler war, aber jetzt plötzlich Hilfen bereitstehen – der trockene Humor, wird von einer Erzählerin aus dem Off vorgetragen.

Filmstill aus „Civilization“
ARGE Schwarz
Ein Computerspiel mit magischer Anziehungskraft verkürzt den Lockdown, verlängert dafür die Nächte erheblich

„Civilization“ ist ein unbeschwerter Blick auf eine ernste Situation, in der von Familienleben über das Überwinden von Süchten bis zum gestiegenen Leistungsdruck im Zuge der Pandemie (Stichwort: Sauerteig) viele Themen aufgegriffen und augenzwinkernd abgehandelt werden. Wohl ein bisschen Autobiografie, ein bisschen Fiktion und viel Computerspiel – Lockdown kann auch wie in „Civilization“ sein.

Abzuwarten bleibt, ob es in den kommenden Monaten noch mehr Abhandlungen der Pandemie auf die Leinwand schaffen werden. Schon jetzt zeigt sich jedenfalls, dass die Herangehensweisen an das heikle Thema nicht unterschiedlicher sein könnten.