Mensch in bergiger Landschaft mit Wolken, Szene aus dem Film „Märzengrund“
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„Märzengrund“

Weltflucht auf dem Berg

Nach seinem Erfolgsdebüt „Die beste aller Welten“ feiert nun Adrian Goigingers zweiter Spielfilm „Märzengrund“ auf der Diagonale seine Premiere. Das Alpin-Aussteigerdrama ist die Verfilmung des gleichnamigen Bühnenstücks von Felix Mitterer.

Erst am Berg oben kann Elias’ Gemüt genesen, das unter der Enge des Zillertals und der Herzen seiner Eltern fast zugrunde gegangen wäre: In „Märzengrund“, nach dem gleichnamigen Bühnenstück von „Piefke-Saga“-Autor Mitterer, schildert Goiginger die Qualen eines jungen Menschen, der unter den Erwartungen seiner Umgebung zusammenbricht. Elias (jung: Jakob Mader) ist ein ausgezeichneter Schüler, begeisterter Leser und besitzt ein mitfühlendes Herz.

Doch all das sind Eigenschaften, die in den Augen seines Vaters (Harald Windisch) nur schaden. Elias’ Vater ist schließlich nicht irgendwer, sondern einer der reichsten Bauern im Zillertal, und wenn Elias einmal den Hof übernehmen soll, muss er aufhören, nachts „Robinson Crusoe“ zu lesen und sich in die Ferne zu träumen. Um Elias abzuhärten, nimmt der Vater ihn mit, als er einem verschuldeten spielsüchtigen Bauern dessen Land abpresst, und statt Büchern schenkt er dem Sohn ein Auto mit den Worten „ein Jungbauer braucht das“, der Bub soll schließlich eine Bäuerin finden.

Als Elias sich beim Fortgehen dann tatsächlich verliebt, ist es aber wieder nicht recht, denn die schöne Moid (Verena Altenberger) war schon einmal verheiratet, sie ist zu alt für ihn, und überhaupt, „Gamsaugen hats“, sagt die Mutter abschätzig. Elias’ Herz bricht, weil er die Moid nicht weiterlieben darf, und als er in eine schwere Depression verfällt, rät der Arzt zu einem Aufenthalt in der Psychiatrie. Nix da, bescheidet der Vater: Auf den Berg soll der Bub, mit den Viechern auf die Alm, arbeiten lernen soll er.

Filmhinweis

„Märzengrund“ ist bei der Diagonale am Donnerstag, den 7. April um 18.00 Uhr im KIZ Royal 1 und am Samstag, den 9. April um 11.00 Uhr im Annenhof Kino 6 zu sehen.

Regulär startet der Film am 19. August 2022 in den österreichischen Kinos.

Der Alpen-Robinson

Oben auf der Alm, am Märzengrund, bei den Tieren und vor allem fern seiner Eltern, wird Elias’ Herz tatsächlich wieder gesund. Er beschließt, zu bleiben, verweigert sein Erbe, und kehrt vierzig Jahre lang nicht wieder ins Tal zurück. Als Alpin-Robinson-Crusoe baut er eine Blockhütte am Märzengrund, fängt Forellen im nahen Bach, scheitert beinahe an den Schneemassen im Winter, und bleibt hartnäckig in seinem Paradies.

Filmszene aus Märzengrund
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Regisseur Adrian Goiginger mit Verena Altenberger in der Rolle der Moid und Jakob Mader als Elias

Die Geschichte von Elias ist wirklich geschehen, Ende der Sechziger Jahre, als sich überall auf der Welt Menschen zum Aussteigen entschieden. Mitterer hat Elias’ radikale Verweigerung recherchiert und ein Stück daraus gemacht, das 2016 beim Zillertaler Theaterfestival „stummer schrei“ seine Uraufführung erlebte, nur wenige Kilometer vom Märzengrund entfernt. Als Ö1-Hörspiel wurde Mitterers Stück ausgezeichnet, Filmproduzent Michael Cenzig sicherte sich die Rechte.

Flucht vor der Elternliebe

In den Händen des Salzburger Regisseurs Goiginger („Die beste aller Welten“, ebenfalls mit Altenberger) wird aus der Geschichte einer radikalen Verweigerung die Erzählung einer Befreiung: Am Berg erst kann Elias wieder atmen, der Blick weitet sich. Der junge Mann wird zu einem rücksichtsvollen Teil seiner Umgebung, er empfindet mehr Freundschaft mit der Natur als je mit den Menschen. Die einzige, deren Dasein ihn ähnlich tief bewegt hat wie die Begegnung mit einem Hirsch oder einer Bachforelle, das war damals die Moid.

Filmszene aus Märzengrund
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Frei bis zuletzt: Johannes Krisch als alter Elias

Erst nach vielen Jahrzehnten der Einsamkeit ist Elias durch eine Krankheit gezwungen, wieder ins Tal zurückzukehren. Johannes Krisch spielt ihn als alten Mann, der weder bereit noch fähig ist, an eine Gesellschaft Zugeständnisse zu machen, die ihn vierzig Jahre zuvor durch ihre Engstirnigkeit auf den Berg hinaufgetrieben hat.

„Märzengrund“ schildert ein ganzes Leben in 110 Minuten, eines, in dem 40 Jahre lang nicht viel mehr passiert ist als der Fortgang der Jahreszeiten und das Versorgen der Ziegen. „Aber wofür hab i g’lebt? I woas es ned“, sagt Elias am Ende, als müsse es darauf eine Antwort geben. Die Brutalität der sogenannten Elternliebe hat ihn bis zuletzt verfolgt.