Szene aus dem Film „Prämien auf den Tod“
Filmarchiv Austria
Spezialprogramm

Thaliwood statt Hollywood

Die Bedeutung des steirischen Thalerhof in der Nähe von Graz als Nachkriegszeit-Filmstudio ist heute weitgehend in Vergessenheit geraten. Die Diagonale hat sich mit dem Special „Come and shoot in Thaliwood“ vorgenommen Abhilfe zu schaffen. Dabei werden auch Arbeiten mit Curd Jürgens gezeigt. Der berühmte Schauspieler agierte in der Steiermark aber nicht nur vor der Kamera.

Die „Alpenfilm Austria Gesellschaft“ startete 1946 allen Unkenrufen zum Trotz mit der „Filmstadt" auf dem Gelände des Flughafens Thalerhof. Bald hatte sich die Anlage im wahren Sinne des Wortes einen Namen gemacht und wurde liebevoll „Thaliwood“ genannt. Diese Bezeichnung ist nicht nur dem augenzwinkernden Vergleich mit Hollywood geschuldet, sondern leitet sich auch davon ab, dass in einem etwa 3.200 Quadratmeter großen Hangar gedreht werden konnte, den die Alliierten nicht wirklich nutzten.

In den Jahren 1947 bis 1954 entstanden 17 Filme, drei davon hat „SYNEMA – Gesellschaft für Film & Medien“ als Kuratorin ausgewählt, ergänzt durch einen Kurzfilm. Das so entstandene historische Special „Come and shoot in Thaliwood“ wird als „verlängerter Arm zur Diagonale“ der ebenfalls in Graz stattfindenden Ausstellung „Film und Kino in der Steiermark“ gesehen.

Das erste Mal hinter der Kamera

„Prämien auf den Tod“, so lautet der Titel des Regiedebüts von Curd Jürgens aus dem Jahre 1949. Er besetzt dabei in der Hauptrolle Siegfried Breuer, der wiederum Jürgens in seinem ebenfalls in „Thaliwood“ gedrehten Film „Schuss durchs Fenster“ den Protagonisten spielen lassen wird.

Breuer gibt einen erfolglosen Versicherungsvertreter, der gerne ein Mann von Welt wäre und einer Frau imponieren möchte – dargestellt von Judith Holzmeister, der damaligen Ehefrau von Curd Jürgens. Der Einfall, „erfundene“ Menschen zu versichern und dann „sterben zu lassen“, verspricht die Chance auf das große Geld. Als Komplize hat Breuer Werner Krauss an seiner Seite, der einen windigen Arzt spielt und sich leicht überzeugen lässt, die Totenscheine für den Versicherungsbetrug auszustellen. Der Film wurde im Wiener Künstlerhauskino im Jänner 1950 uraufgeführt. Krauss war in seiner ersten Nachkriegs-Filmrolle zu sehen und prägt trotz Nebenrolle mit ausdrucksstarkem Blick das Filmplakat.

Zu dieser Zeit herrschte noch eine andere Auffassung, wie viel Pathos und Überzeichnung in schauspielerischer Leistung stecken darf. Dennoch wurde auch gerade die Darbietung von Krauss mehr als zwiespältig aufgenommen. Zuviel Theatralik hat die Kritik von damals moniert. In Zeiten von „Method Acting“ und dem Trachten nach höchstmöglicher „Echtheit“ im Schauspiel wird diese Meinung heute noch um einiges verstärkt. Dem Drehbuch wurde zugute gehalten, dass es zu psychologisieren versucht, mutig werden surreale Effekte eingesetzt, doch die Intention, das gequälte Seelenleben eines Menschen erfahrbar zu machen, scheitert.

Unrühmliche Vergangenheit

Als Vorfilm wird Lotte Schreibers Kurzfilmcollage „tracing THALERHOF“ gezeigt (2014, 8 min), die eindringlich historisches Bildmaterial über dokumentarisch gefilmte Abläufe auf dem Flughafen Thalerhof legt: Von 1914 bis 1917 befand sich an dessen Stelle ein k.u.k.-Internierungslager, unmittelbar neben dem im letzten Vorkriegsjahr errichteten k.u.k.-Flugfeld.

Der „Hauptrollen-Regie-Tausch“

Gleich im Anschluss zu den Dreharbeiten für „Prämien auf den Tod“ war das Studio Thalerhof Schauplatz der Atelieraufnahmen für „Der Schuss durchs Fenster“. Hier erfolgte der bemerkenswerte Tausch innerhalb der Departments: Curd Jürgens spielte nun unter der Regie von Breuer. Dieser gab selbst einen überheblichen Kriminalkommissar, der letztlich auf die Hilfe eines tollpatschig wirkenden Kriminal-Anwärters angewiesen ist: Gunther Philipp ist hier in seiner ersten großen Rolle zu sehen.

Er hat einen in der österreichischen Filmgeschichte außergewöhnlichen Stand: Immer wieder muss man in Erinnerung rufen, dass Philipp nicht nur ein Schauspielstudium am Max Reinhardt Seminar absolvierte, sondern auch österreichischer Rekordhalter im Brustschwimmen war, als promovierter Arzt arbeitete, einen eigenen Motorsportrennstall betrieb und mehrmaliger Staatsmeister in der GT-Klasse wurde.

Eine solche Dichte an Leistungen ist in der heutigen Zeit der Spezialisierung kaum noch vorstellbar. Damals bewies er bereits in „Der Schuss durchs Fenster“ sein komödiantisches Talent, wenn auch einige Stellen nach aktuellen Maßstäben von unfreiwilliger Komik geprägt sind, wie beispielsweise bei einer Schlägerei mit mehreren Bösewichten: Am Theater sind stilisierte Fausthiebe, denen man die Andeutung ansieht, ein etabliertes Stilmittel, im Film entsteht rasch die besagte unfreiwillige Komik.

Damals und heute

Man kann dem Streifen zwar interessante Schauwerte zubilligen, heutzutage wäre aber wohl der Teufel los, wenn Breuer als Filmkommissar ernsthaft zu einer Sekretärin sagen würde: „Ich danke Ihnen, kleines Fräulein!“ und dabei in einer Mischung aus despektierlich und paternalistisch die Wange der Dame tätschelt.
Breuer exerziert vor, dass es das Schauspielensemble damals mit hoher Wahrscheinlichkeit leichter hatte: Wusste man nicht, was man in einer Szene wirklich anfangen sollte, galt der Griff zu Zigarette als willkommene Möglichkeit. Es wird in solchen Mengen geraucht, dass sich Zigarettenhersteller keine bessere Werbung wünschen könnten.

Ein geflügeltes Wort

Der Titel des dritten Langfilms ist zum Begriff geworden: Mit „Die Vier im Jeep“ wird in Österreich heute noch die Zusammenarbeit der alliierten Mächte in der Besatzungszeit verbunden. Abgesehen von den russischen, amerikanischen, britischen und französischen Sektoren war der erste Bezirk von allen Vieren verwaltet und wurde daher auch von allen patrouilliert.

Szene aus dem Film „Die Vier im Jeep“
Sammlung filmexil@synema.at
„Die vier im Jeep“ wurden zur Metapher für die von den Alliierten gelenkten Nachrkriegszeit

Ein amerikanischer Militärpolizist steuerte den Jeep, der von den Amerikanern gestellt wurde, während am Beifahrersitz ein Vertreter der Nation Platz nahm, die in diesem Monat das Kommando inne hatte. Der in Wien geborene und später in der Schweiz eingebürgerte Leopold Lindtberg inszenierte die Innenaufnahmen in den Studios Thalerhof sowie Bellerive in Zürich, Außenaufnahmen wurden in Wien, Zürich und Graz gemacht.

Legendäres Highlight

Der Film sticht aus den beiden anderen eindeutig hervor: Einerseits kann sich der Thematik einer besetzten Stadt niemand entziehen, auch gab es die Vier im Jeep ja tatsächlich und die Handlung ist mit hoher Identifikation nachvollziehbar: Im Mittelpunkt stehen eine Frau, die auf ihren aus Kriegsgefangenschaft heimkehrenden Mann wartet und sich aufgrund von dessen vorzeitigem Fluchtversuch dem Spionageverdacht aussetzt, sowie die vier alliierten Militärs, die schließlich der Verdächtigen sowie dem Heimkehrer helfen.

Dabei stellen sie Menschlichkeit über Befehle. Dass Verbrüderung, Entzweiung und wiederum Vertrauen und Naheverhältnis zwischen dem Amerikaner und dem Russen thematisiert werden, soll angesichts der Aktualität als wünschenswerte Fügung auch außerhalb der Filmwelt in Erfüllung gehen.

Schauspielerisch gibt es immer wieder mehr als bemerkenswerte Momente, beispielsweise die Verzweiflung der Protagonistin, als sie realisiert, dass der Name ihres Mannes auf den Heimkehrer-Listen nicht genannt wird. Viveca Lindfors, neben Ingrid Bergman wohl eine der bekanntesten schwedischen Darstellerinnen dieser Ära, zeigt solch glaubwürdige Intensität in diesem Moment, dass man über ihren Akzent im Deutschen gerne hinweghört und sie als Wienerin akzeptiert.

Schon im Erscheinungsjahr wurde „Die Vier im Jeep“ ausgezeichnet: Mit einem goldenen Bären bei der Berlinale 1951. Ein Jahr später erhielt er den United Nations Award der British Acadamy Film Awards (BAFTA). Wenn „Die Vier im Jeep“ sich in der Qualität aus den genannten Gründen auch deutlich abhebt, so sind alle drei Filme alleine schon ob ihres historischen Schauwertes zu empfehlen.

Mit der Kinokarte kann gratis die Ausstellung „Film und Kino in der Steiermark“ besucht werden, auf der das Filmspecial fußt. Eine lohnende Kombination, ermöglicht sie doch das Eintauchen in eine einzigartige Filmära.