Szene aus Is this a room
Schaubühne/Gianmarco Bresadola
„Is This A Room“

Doku-Drama demaskiert FBI-Stereotype

Aus einem FBI-Verhörprotokoll hat die New Yorker Regisseurin Tina Satter das Stück „Is This A Room“ inszeniert, ohne auch nur ein Wort daran zu ändern. Die Frage von Schuld und Enthüllung filetiert sie darin messerscharf. Das mehrfach ausgezeichnete Doku-Drama kann als eine der interessantesten Produktionen der heurigen Festwochen gelten.

Am 3. Juni 2017 erwarten drei FBI-Agenten die 25-jährige Geheimdienst-Sprachanalystin mit dem sprechenden Namen Reality Winner vor ihrem Haus in Augusta, Georgia. Die junge Frau kommt direkt vom Training, CrossFit, Powerlifting und Wettkampfsport sind ihre Leidenschaften, beim US-Nachrichtendienst NSA arbeitet sie als Übersetzerin.

Sie spricht Paschtu, Dari und Farsi, übersetzt Geheimdokumente und kümmert sich außerdem um die Resozialisierung einer Hündin, die keine Männer mag. Geradezu grotesk zeigt sich das Zusammentreffen der drei Männer – teilweise in schusssicheren Westen – mit der jungen Frau, die harmloser nicht wirken könnte. Welche Gefahr geht von einer Sprachwissenschaftlerin aus, die in gelben Converse-Schuhen, abgeschnittenen Jeans und weißem Hemd um die Psyche eines Pflegehundes besorgt ist?

Szene aus Is this a room
Schaubühne/Gianmarco Bresadola
Katherine Romans als Reality Winner im Dreieck der FBI-Ermittler

Der Abgrund als Abstellraum in Pink

„Haben Sie Waffen?“ lautet eine der ersten Fragen des Ermittlers R. Wallace Taylor (Will Cobbs), der sich überzogen maskulin und betont breitbeinig vor Winner aufbaut. „Ja, drei, im Haus“, antwortet sie „und eine davon ist eine AR-15 in Pink“. Pink wird sich in Satters Inszenierung noch als die Farbe des Grauens etablieren, doch bis dahin mäandert das Verhör seltsam vor sich hin, und es wird immer unklarer, worum es hier eigentlich geht.

Hinweis:

"This Is A Romm ist noch bis zum 16. Juni in der Halle G im Museumquartier zu sehen.

Wonach suchen die drei Männer tatsächlich? Um Zeit zu gewinnen, um die Lächerlichkeit der bürokratischen Hürde, nämlich des Eintreffens des Durchsuchungsbefehls, zu überspielen, verwickeln die FBI-Agenten Winner in einen Small Talk, der dem Beginn von Franz Kafkas Roman „Der Prozess“ verblüffend ähnelt.

Bühne als Zensurbalken

In der Halle G des Museumsquartiers behauptet ein grauer Laufsteg zwischen zwei Publikumsblöcken gleichermaßen alle Räume: Den Platz vor Winners Haus bis hin zur Abstellkammer, dem Ort des Verhörs, dem titel gebenden Schauplatz des Stücks. Dabei präsentiert sich die Bühne (Parker Lutz) als dunkler Balken der Zensur, der genau jene Information ausspart, die für die Öffentlichkeit von Interesse ist.

Als endlich der Durchsuchungsbefehl eintrifft, nimmt die Inszenierung Fahrt auf. Nur in einem abgegrenzten Raum darf das Verhör stattfinden, so ist es vorgeschrieben, und allein ein Abstellraum hinter der Küche, der ausschließlich als Aufbewahrungsort für den Hundekäfig genutzt wird, scheint die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen. Zunehmend absurder entwickeln sich die Vorgänge und wäre die Grundlage nicht das originalgetreue Transkript des Verhörs, man müsste die Regisseurin kopfschüttelnd fragen, was für eine Geschichte sie hier konstruiert hat.

Parodie auf Männlichkeitsstereotype

Satter – als Dramatikerin, Filmemacherin und Leiterin der New Yorker Theatercompagnie Half Straddle vor allem für ihre feministische Arbeit ausgezeichnet – wendet sich in „Is This A Room“ männlichen Herrschaftsgesten zu: Die ebenso smarte wie bodenständige Winner (Katherine Romans zeigt in knapp 70 Minuten präzise die Entwicklung einer höflich-zuvorkommenden Frau, die am Ende verzweifelt) wird mit drei – in Wirklichkeit zutiefst unsicheren – Männern konfrontiert, die sich einerseits ultracool geben, andererseits beim Gedanken an Winners Katze in Panik geraten.

Szene aus Is this a room
Schaubühne/Gianmarco Bresadola
Maskuline Stereotype auf dem Prüfstand

Cobbs senkt als Agent Taylor verschwörerisch seine Stimme, Joe Lanza nestelt als schnauzbärtiger, wortkarger Ermittler an seiner Waffe und Pete Simpson gibt sich im kleinkarierten Hemd als verbindlicher, verständnisvoller Beamter Justin G. Garrick, der das Interview leitet. Jede Geste ist eine Pose. In dieser punktgenauen Parodie auf betont maskuline FBI-Stereotypen wird das Spiel rund um das Verbergen der Kernfrage deutlich: Worum geht es hier eigentlich?

Schuld und Enthüllung

Satters schnörkelloser Blick desavouiert das Problem des Verschiebens von Schuld und Enthüllung. Nicht die Lügner, die Betrüger, die Verbrecher werden aufgespürt, verurteilt und bestraft, sondern die Überbringerin der Nachricht. Diese geheimdienstlichen Informationen – über russische Eingriffe in die US-Präsidentschaftswahl – hatte Winner nämlich im Mai 2017 an das Aufdeckermagazin „The Intercept“ geschickt. Winner ahnt, was es für sie bedeuten wird, als Whistleblowerin überführt zu werden.

In hochgezogenen Situationen der Angst, Aggression und Panik geht die Inszenierung in Slow Motion. Sound Effekte (Lee Kinney, Sanae Yamada) unterstützen Momente des Unheimlichen, und an den Stellen, wo die Passagen der Protokolle geschwärzt sind, taucht Satter die Szenen in pinkes Licht.

Winners eigentliche Waffe ist keine rosarote AR-15, sondern ihr Wissen um politische Manipulation. Das Abgründige besteht aber vor allem darin, dass die surrealen Bilder nichts als die ungeschönte Realität abbilden. Heftiger Applaus für eine Produktion, die im Angesicht von Kriegszeiten verstärkt Fassungslosigkeit und bizarre Bestürzung schafft.