Sunset-Bild zu Grafenegg
Alexander Haiden
15 Jahre Grafenegg

Von der Wiese in die Klassik

Ein Festival ohne jedes Motto – das hat Rudolf Buchbinder als Grundbedingung für seine musikalische Leitung in Grafenegg gemacht. Es sollte einfach um pure Musik gehen, sonst nichts. Und es sollten viele aus unterschiedlichen Motiven zu diesem Open-Air-Festival pilgern – und sich auch mal von der Wiese in die Höhen der Klassik begeben. Zum 15. Mal findet Grafenegg nun ab Freitag wieder statt. Und in diesem Jahr gibt es nach dem reduzierteren Programm des Vorjahres eine internationale Starbreite wie noch nie.

Eine große Sehnsucht, ja ein „Lechzen“, nach dem Liveereignis, das will Rudolf Buchbinder ausmachen, gerade in diesem Sommer 2021 nach den Erfahrungen der Pandemie. Und er freut sich auf ein Orchestermusikfestival in Grafenegg, das in diesem Jahr so international wie noch nie ausgelegt ist. Große Namen schillern seit Monaten im Programm – Renée Fleming, Krassimira Stoyanova, Piotr Beczala und Rene Pape bei den Solistinnen und Solisten; Valery Gergiev, Semyon Bychkov und Herbert Blomsted bei den Dirigenten. Und neben Buchbinder selbst auch wieder mit zahlreichen Instrumentalvirtuosen, darunter auch der türkische Klavierexzentriker Fazil Say.

Aber alles stand unter dem Bangen, ob es denn so wie geplant über die Bühne gehen kann. Und es wird, das zeigt auch die Eröffnung, durch Testungen immer wieder kleine Änderungen geben müssen.

Grafenegg 2021

Die 15. Auflage des Grafenegg-Festivals findet heuer vom 13. August bis 5. September statt.

Myfidelio überträgt die Eröffnung am Freitag um 19.30 Uhr live, Radio NÖ spielt die Eröffnung am 15. August ab 20.04 Uhr. Und ORF2 zeigt die Eröffnung am 17. August um 22.35 Uhr als Aufzeichnung. Abzurufen dann auch via tvthek.ORF.at.

Doppelschlag zu Beginn

Mit Ausnahme von Zubin Mehta, den Buchbinder selbst schmerzlich vermisst (Mehta hat nach einer gut überstandenen Herz-OP noch Flugverbot), darf mit einem dichten Programmablauf gerechnet werden, der, wie Buchbinder stolz meint, nicht einen, „sondern eine ganze Reihe von Höhepunkten kennt“. Gestartet wird mit Giuseppe Verdis „Requiem“ mit Tonkünstlern und Singverein, bevor Buchbinder mit dem „Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 d-Moll op. 15“ von Johannes Brahms einsteigt. Dirigieren wird das Orchestra del Maggio Musicale Fiorentino der junge Lorenzo Viotti.

Überhaupt, so sagt Buchbinder, möchte er alles tun, um nicht nur die Nachwuchskräfte im musikalischen Bereich nach Grafenegg zu bringen und dort weiter zu formen. „Wir müssen alles tun, um die Jugend zur Klassik zu bringen“, sagt er mit einem Blick auf Entwicklungen in Japan, wo es so etwas wie eine Überalterung im Bereich der Klassik nicht gebe.

Gerade die Ungezwungenheit der Location sieht auch Buchbinder als eine Chance, die Interessierten quasi von der Wiese aus in die Klassik mit hineinzuziehen, wie er im Interview mit ORF.at verrät.

Wolkenturm von unten
Roland Schlager / APA / picturedesk
Von der Wiese in die Hochkultur soll es ein kleiner Sprung sein

„Kein Festival ohne Beethoven“

Wichtig sind für ihn die Zugpferde, mit denen man das Publikum auf seine Seite bekommt. Deswegen gelte für ihn, den großen Beethoven-Liebhaber: Kein Festival ohne Beethoven – „das ist der Boxoffice-Seller“ und für ihn immer noch die Richtgröße in der Musik. Spannend sind aber heuer die Paarungen, die im Programm ausgewählt wurden. Immer wieder sind es Doppel, die sich hier begegnen: Schostakowitsch und Tschaikowski – oder Schubert und Bruckner in der tiefen Ausdeutung des Begriffs Romantik. Und als Messlatte für alles am Anfang des Festivals: Beethovens „Pastorale“ – womit auch gleich das Setting zum Thema der Musik werden kann.

Harmonie der Sinne: Schloss Grafenegg

Für Buchbinder, aber auch alle anderen Festivalverantwortlichen bis hinauf in die Politik ist Grafenegg mit seiner nun 15. Auflage seit der Gründung ein Festival mit Steilaufstieg. Dazu hat sicherlich die starke Förderung durch das Land beigetragen. Aber, so erinnert Buchbinder, zwei Faktoren seien am Ende auch im schönsten Setting entscheidend. Einerseits die Akzeptanz in der Bevölkerung an Ort und Stelle. Andererseits die Mundpropaganda der Künstlerinnen und Künstler selbst. „Im Grunde leben wir ja von der Mundpropaganda der Künstlerinnen und Künstler, die hier mitmachen. Und alle Künstler, die in Grafenegg waren, wollen wiederkommen“, erzählt er.

Was macht Grafenegg 2021 besonders?

Vielleicht sei am Anfang von den Menschen in der Umgebung von Grafenegg ein wenig Skepsis da gewesen, „was sich da entwickeln würde“: „Da stand plötzlich der Wolkenturm da.“ Mehr und mehr hätten sich gerade die Menschen der Gegend mit diesem Festival identifiziert – und es zu dem gemacht, was es mittlerweile ist: ein Orchesterfestival mit kammermusikalischen Zwischenspielen, das auch zeitlich am Ende des Sommer klug positioniert erscheint. So muss auch niemand in Salzburg und mit dem dortigen Konzertprogramm Publikumsabwanderungen nach Osten fürchten. Eher, so zeigt sich mittlerweile, erfährt dieser Sommer am Ende noch einmal eine Verdichtung, bevor ab September dann auch wieder die Musiktheater ihre Tore aufsperren.

„Haben aus den Erfahrungen des Vorjahres gelernt“

Grafenegg-Geschäftsführer Philipp Stein freut sich jedenfalls, dass man heuer ein breites Programm aufstellen konnte und auch wieder die „Preludes“ und „Night Sessions“ zu realisieren vermag. „Wir konnten im herausforderdenen Sommer 2020 viele wertvolle Erfahrungen sammeln“, so Stein. Mit diesen Erfahrungen gehe man gut gerüstet und doch auch mit realistischen Erwartungen in die 15. Augabe des Festivals.

Für Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) war das Abhalten des Festivals im Vorjahr eine ebenso wichtige Erfahrung – habe man doch auch in einem schwierigen Umfeld einem „treuen Publikum“ ein umfangreiches Programm bieten können. Dass man heuer wieder auf internationaler Ebene aus dem Vollen schöpfen könne, das verdanke sich nicht zuletzt der Reputation von Buchbinder, die auch helfe, den Status von Niederösterreich als Boden für die internationale Kultur zu festigen.